Berlin Die große Empörung über die Heizungspläne der Ampel-Koalition geht laut Grünen-Chef Omid Nouripour auch auf Fehler seiner Partei zurück. „In der Debatte um die Heizungen haben sich auch viele Falschinformationen verfestigt“, sagte Nouripour dem Handelsblatt.
„Dass funktionierende Heizungen ausgetauscht werden sollten, ist natürlich Unsinn und stand nie im Entwurf drin. Da müssen wir besser werden beim Entkräften.“ Was aber bleibe, sei die Notwendigkeit des Wandels, wenn das Land den internationalen Anschluss nicht weiter verlieren wolle.
Nouripour kritisierte auch den Umgang der Ampel-Koalitionäre miteinander. „Streit in der Sache gehört dazu“, sagte der Grünen-Chef. Die Diskussionen würden aber teilweise zu schrill geführt. „Das muss abgestellt werden.“
Nouripour warnte zudem vor einer zu großen Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China. Es stehe „eine internationale militärische Eskalation mit erheblichen Auswirkungen auf unser Wirtschaftsleben, unsere Finanzmärkte“ auf dem Spiel, sagte er.
„Die deutsche und europäische Wirtschaft, unsere Produktionsketten sind momentan viel abhängiger von China als andersherum.“
Lesen Sie hier das vollständige Interview:
Herr Nouripour, die Ampelkoalition streitet zurzeit mehr, als sie Probleme abräumt. Wie lange kann sich Deutschland das leisten?
Streit in der Sache gehört dazu. Wir sind unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Vorstellungen und diskutieren ja auch vieles stellvertretend für die Menschen im Land. Manchmal müssen wir uns reiben, am Ende kommen wir zu guten Ergebnissen. Die Diskussionen werden aber teilweise zu schrill geführt. Das muss abgestellt werden. Wenn wir lauter streiten, als wir deutlich machen, wie wir das Land voranbringen, hilft das der Sache nicht.
Wann waren die Grünen zu schrill?
Mir geht es nicht um Rückschau, sondern darum, dass am Ende gute Ergebnisse stehen. Wir können nur gemeinsam erfolgreich sein.
Auf dem SPD-Wirtschaftsforum wurde Robert Habeck „Wirtschaftsabwicklungsminister“ genannt.
Das ist schlechter Stil und weit von der Realität entfernt. Dieses Land ist vergleichsweise glimpflich durch eine große Krise gekommen.
Viele Bürger und auch Unternehmen nehmen Ihnen das nicht ab. Der Vorwurf, die Grünen vernachlässigen die Wirtschaft, ist latent da – auch beim Gebäudeenergiegesetz.
Mir sagen viele Unternehmer das Gegenteil. Es wird Gründe geben, warum sich die Aufnahmeanträge bei der kürzlich gegründeten Wirtschaftsvereinigung der Grünen zurzeit stapeln. Viele Unternehmen sehen doch, dass wir die Partei sind, die Antworten liefert auf die entscheidenden Fragen unserer Zeit: Wie erhalten wir den Industriestandort, den Wohlstand im Land, wie gelingt die Transformation? Was stimmt: In der Debatte um die Heizungen haben sich auch viele Falschinformationen verfestigt. Dass funktionierende Heizungen ausgetauscht werden sollten, ist natürlich Unsinn und stand nie im Entwurf drin. Da müssen wir besser werden beim Entkräften. Was aber bleibt, ist die Notwendigkeit des Wandels, wenn wir den internationalen Anschluss nicht weiter verlieren wollen.
Der Streit in der Koalition darüber ist aber nicht ausgeräumt, es geht munter weiter. Wie soll das Gesetz da noch bis zur Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden?
Bis zur Sommerpause haben wir noch fünf Sitzungswochen. Die Leute erwarten zu Recht, dass eine Koalition innerhalb eines solchen Zeitraums ein Gesetz umsetzen kann. Wir werden bis dahin mit dem Gebäudeenergiegesetz fertig sein, so wie es vereinbart ist.
Was ist, wenn das Verkehrsministerium, das gegen die CO2-Ziele verstößt, bis Mitte Juli kein Sofortprogramm vorlegt?
Dann ist es keine Frage, was innerhalb der Koalition besprochen wurde, sondern ob das Gesetz eingehalten wird.
Wir wollen Risiken minimieren. Nur so geht verantwortliche Politik. Grünen-Chef Omid Nouripour
Reden Sie mit Umweltverbänden über eine Klage?
Nein. Ich kann Ihnen aber zusichern, dass die gesamte Bundesregierung nicht nur die Verpflichtung, sondern auch den Anspruch hat, Recht und Gesetz einzuhalten.
Meinungsverschiedenheiten beim Thema China
Auch beim Thema China gibt es große Meinungsverschiedenheiten, vor allem mit der SPD. Der Seeheimer Kreis fordert Nachsicht mit China. Wie kommt das Schweigen des Kanzlers dazu bei Ihnen an?
Die Seeheimer sind eher einsam mit dieser Position. Wir haben doch letztes Jahr zusammen eine Sache gelernt: Abhängigkeiten von Autokratien können verheerend enden. Die russische Aggression in der Ukraine stellte von einem Tag auf den anderen unsere gesicherte Energieversorgung infrage. Für China muss dasselbe gelten. Natürlich werden und müssen wir mit China kooperieren, Handel betreiben, unsere Wirtschaften sind eng verflochten. Aber es braucht Augenhöhe und Souveränität.
Das ist leicht gesagt. Aber wenn es konkret wird, ist die Regierung blank. Eine China-Strategie gibt es bis heute nicht.
Die Beziehungen mit China sind komplex, gerade mit Blick auf unsere Wirtschaft. Das wird die China-Strategie entsprechend abbilden müssen. Dazu gehört der Schutz kritischer Infrastrukturen vor der Übernahme durch China. Wie wesentlich das ist, zeigte bereits im vergangenen Jahr die Debatte um den geplanten Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen. Es gibt da durchaus Meinungsverschiedenheiten.
>> Lesen Sie hier: Ampel-Politiker fordern Ausschluss von Huawei bei der Deutschen Bahn
Was steht auf dem Spiel, wenn China in Taiwan einmarschiert?
Eine internationale militärische Eskalation mit erheblichen Auswirkungen auf unser Wirtschaftsleben, unsere Finanzmärkte. Die deutsche und europäische Wirtschaft, unsere Produktionsketten sind momentan viel abhängiger von China als andersherum. Auch deswegen müssen wir unabhängiger werden, beispielsweise bei der Halbleiterproduktion oder bei pharmazeutischen Wirkstoffen.
Konzerne wie Infineon, Volkswagen und Mercedes machen je fast ein Drittel oder mehr ihres Umsatzes in China. Die können sich doch nicht einfach vom Markt zurückziehen.
Niemand redet von weniger Kooperation mit China. Es geht um weniger Abhängigkeit. Wir wollen Risiken minimieren. Nur so geht verantwortliche Politik.
Das klingt ein Stück weit hilflos.
Quatsch. Abhängigkeit von Autokratien macht hilflos.
Huawei und die Deutsche Bahn
Selbst die Bundesregierung ist sich in dieser Frage uneins. In der Bahn stecken Huawei-Komponenten, was die FDP kritisiert – von Volker Wissing gibt es aber kein Veto.
Wir sollten eng abgestimmt mit unseren europäischen Partnern und den USA vorgehen.
Also kein Huawei in der Bahn?
Wo Unternehmen potenziell unter staatlichem Einfluss stehen, müssen wir uns die Frage stellen, was es heißt, wenn dieser genutzt würde. Bei Investitionen in Kritische Infrastrukturen ist höchste Vorsicht angesagt.
Auch in der Photovoltaik stecken Bauteile von Huawei. Müssen die dann raus? Die Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien können Sie dann vergessen.
Es geht nicht darum, überall Dinge herauszuschrauben. Es geht um den Schutz kritischer Infrastruktur. Jede solche Abhängigkeit kann am Ende einen hohen Preis verursachen, beispielsweise beim Thema Taiwan oder anderen Konflikten wie Hongkong. Es gibt Bereiche, da ist die Abhängigkeit schlicht zu groß.
Welche Bereiche meinen Sie?
Etwa bei pharmazeutischen Wirkstoffen oder in der Chip-Sparte. Da wurde in den letzten Jahren nicht aufgepasst. Während die Amerikaner Huawei-Chips konsequent aus allen militärischen Systemen entfernt haben, wüsste ich nicht, dass in Deutschland Ähnliches passiert ist.
Herr Nouripour, vielen Dank für das Interview.
Mehr: Austausch mit Siemens, Google und Lidl – Grüne starten neue Wirtschaftsvereinigung
<< Den vollständigen Artikel: Interview: Grünen-Chef Nouripour sauer auf Ampel-Partner: „Das ist schlechter Stil“ >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.