Apr 28, 2023
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Großbritannien: Britische Regierung verfehlt ihr Brexit-Ziel

Written by Torsten Riecke


Die britische Wirtschafts- und Handelsministerin Kemi Badenoch

Die 43-jährige Tory-Politikerin steht unter Druck der Euroskeptiker in ihrer Partei.


(Foto: Reuters)

London Die britische Regierung wollte sich bis Ende 2023 von allen rechtlichen „Fesseln“ – Gesetzen – aus der EU-Mitgliedschaft befreien. Aus diesem „Brexit-Fegefeuer“, wie die britischen Tories den Prozess nennen, wird offenbar nichts. Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch hat jetzt angeblich vor euroskeptischen Parlamentsmitgliedern ihrer Konservativen Partei eingeräumt, dass es praktisch unmöglich sei, bis dahin fast 4000 EU-Gesetze, Regeln und Standards durch neue britische Vorschriften zu ersetzen. Das wurde in London aus Parteikreisen bekannt. Die Tageszeitung „The Telegraph“ hatte zuerst über die Kehrwende berichtet.

Das Eigeständnis dürfte die harten Brexit-Verfechter bei den Tories erneut auf die Barrikaden treiben. Hatte Premierminister Rishi Sunak ihnen doch im Januar versprochen, die Überbleibsel aus der EU-Mitgliedschaft bis Jahresende notfalls ersatzlos zu streichen, um eine sogenannte „Brexit-Dividende“ einzufahren.

Bislang hat die Regierung erst 18 Prozent der geplanten Gesetzes- und Regeländerungen erreicht. Der größte Teil davon betrifft die Landwirtschaft, aber auch im Transport- und Umweltbereich sowie im Arbeitsrecht gab es Änderungen.

Erleichtert werden dagegen Regierungsbeamte und auch Wirtschaftsvertreter auf die Nachricht reagieren: Die Beamten hatten vor einer Überforderung des Staatapparates durch den in ihren Augen unrealistischen Zeitplan gewarnt.

Unternehmen und Gewerkschaften befürchten eine Phase der Unsicherheit, sollten noch geltende EU-Regeln einfach auslaufen. „Die Geschwindigkeit, mit der die Regierung beabsichtigt, beibehaltenes EU-Recht zu überprüfen, ist ein Rezept für schlechte Rechtsetzung“, kritisierte kürzlich die britische Law Society. Die Handelskammer im Königreich hatte eine Verlängerung bis 2026 gefordert.

Dem Vernehmen nach plant die Regierung in London nun nur noch rund 800 EU-Regeln bis Ende 2023 zu ersetzen. Danach soll der verbliebene Erbe aus der EU-Mitgliedschaft abgearbeitet werden. Die Brexit-Verfechter befürchten jedoch, dass es dazu möglicherweise gar nicht mehr kommen wird.

Tories wollen sich von „EU-Fesseln“ lösen

Sollte die oppositionelle Labour-Partei bei den vermutlich im kommenden Jahr stattfindenden Parlamentswahlen gewinnen, könnte sie, so die Angst der Brexiteers, das Vorhaben politisch beerdigen. Das sogenannte „Retained EU Law“-Gesetz, mit dem London den Kehraus vollziehen will, dürfte aber auch im britischen Oberhaus noch auf erheblichen Widerstand stoßen.

Flaggen Großbritanniens und der EU

Dem Vernehmen nach plant die Regierung in London, nun nur noch rund 800 EU-Regeln bis Ende 2023 zu ersetzen.


(Foto: dpa)

Gegenwind kommt auch aus Schottland: „Der Gesetzentwurf der britischen Regierung zur Abschaffung des EU-Rechts könnte die hohen Standards und den wichtigen Schutz für die Lebensmittelindustrie drastisch reduzieren“, warnte die dortige Regionalregierung.

Arbeitnehmervertreter haben auf mögliche Gefahren am Arbeitsplatz hingewiesen, die durch die ersatzlose Streichung von EU-Sicherheitsrichtlinien entstehen könnten. Paul Nowak, Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes TUC, bezeichnete die Gesetzgebung als „rücksichtslos“. Das Vorhaben könne eine Katastrophe für die Sicherheit der Arbeitnehmer sein. Die Minister müssten von ihrem Vorhaben Abstand nehmen und das Gesetz zurückziehen, bevor es zu spät sei, fügte er vor Kurzem hinzu.

>> Lesen Sie hier: London steuert auf neuen Konflikt mit Brüssel zu – ein Kommentar

London will dagegen grundsätzlich an dem Vorhaben festhalten. „Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass das Gesetz über die Abschaffung des EU-Rechts die königliche Zustimmung erhält und dass der Vorrang des EU-Rechts durch die Abschaffung unnötiger und belastender EU-Gesetze bis zum Ende dieses Jahres beendet wird“, wird ein Regierungssprecher in den britischen Medien zitiert.

Für Wirtschaftsministerin Badenoch ist das Scheitern des Zeitplans auch eine persönliche Niederlage. Die 43-jährige Tory-Politikerin gehörte zum rechten Flügel ihrer Partei und ist selbst eine strikte Brexit-Verfechterin. Außerdem gilt sie als mögliche Kandidatin für den Parteivorsitz, sollten die Konservativen die Parlamentswahlen verlieren und Sunak als Premierminister und Parteichef abtreten.

Mehr: London steuert auf neuen Konflikt mit Brüssel zu



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