Berlin Die Pläne der FDP, durch eine Änderung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) Behörden zur schnelleren Digitalisierung zu verpflichten, stoßen in den Kommunen auf scharfe Kritik. „Es ist eine Illusion zu glauben, mit sogenannten Konsequenzen oder Strafen ließe sich die Digitalisierung beschleunigen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, dem Handelsblatt.
Digitalisierung lasse sich nicht per Gesetz verordnen, sondern es müssten die entsprechenden Rahmenbedingungen und Voraussetzungen geschaffen werden. „Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht“, betonte Landsberg.
Konkret wollen die Liberalen einen „Rechtsanspruch auf digitale Verwaltung“ einführen, der an klare Fristen gekoppelt werden soll, wie aus einem Positionspapier hervorgeht, das die FDP-Bundestagsfraktion am vergangenen Dienstag beschlossen hat. Behörden müssten demnach Verwaltungsleistungen ab einem bestimmten Zeitpunkt digital anbieten. Kommen sie dem nicht nach, sollen sie laut dem Papier mit „spürbaren Konsequenzen“ rechnen müssen.
Auch der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, reagierte mit Unverständnis auf den FDP-Vorstoß. Dass man schneller zu digitalen Angeboten für die Bürger und Betriebe vor Ort kommen müsse, sei seit Langem „kommunales Mantra“, sagte Sager dem Handelsblatt. „Das aber über einen Rechtsanspruch für die Bürger und eine Quasibestrafung von Behörden erreichen zu wollen, ist nicht nur befremdlich, sondern offenbart auch offensichtliche Hilflosigkeit der Regierungspartei FDP. So kommen wir nicht voran.“
Tatsächlich ist die Verwaltungsdigitalisierung schon seit Jahren eine Großbaustelle in Deutschland. In vielen europäischen Ländern können Bürgerinnen und Bürger einen großen Teil ihrer Behördenkontakte längst online abwickeln. Hierzulande besteht noch starker Nachholbedarf.
Bund reißt eigenes Ziel: Hunderte Verwaltungsdienstleistungen nicht digitalisiert
Zuständig ist auf Regierungsebene Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Kurz nach ihrem Amtsantritt im Dezember 2021 erklärte sie beim „Zukunftskongress Staat und Verwaltung“ in Berlin, dass das Thema Digitalisierung ihr ein „sehr, sehr wichtiges“ Anliegen sei und „ganz hoch auf meiner Agenda stehen“ werde.
Die erste Konsequenz, die Faeser aus der bisher schleppenden Behörden-Digitalisierung gezogen hat, bezieht sich auf den Zeitplan für die Umsetzung. Den hat die SPD-Politikerin kassiert, nachdem Bund und Länder ihr selbst gestecktes Ziel verfehlt haben, bis Ende letzten Jahres Hunderte Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren.
Für Beschleunigung soll nun ein neues Gesetz sorgen. Das sogenannte OZG 2.0 durchläuft derzeit die regierungsinterne Ressortabstimmung, anschließend soll es vom Bundeskabinett beschlossen werden, bevor es in den Bundestag eingebracht wird. Dort können die Parlamentarier dann sofern gewünscht Änderungen vornehmen.
Die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan ist den FDP-Überlegungen nicht abgeneigt. Auch sie plädiert für einen Rechtsanspruch auf einen Onlinezugang zu Verwaltungsleistungen ab einem bestimmten Zeitpunkt. „Wir brauchen Druck bei den verantwortlichen Akteuren in Bund, Ländern und Kommunen, ohne den wir nicht schnell genug vorankommen“, erklärte die Abgeordnete.
Landkreistag: Fehler des ersten Onlinezugangsgesetzes nicht wiederholen
Die FDP will aber keine allgemeine Frist, bis zu der alle wichtigen Dienstleistungen online verfügbar sein müssen. Sie will sich auf einzelne Serviceleistungen fokussieren, die die Bürger ab 2025 online nutzen können sollen.
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Das sollen sogenannte „Einer für alle“-Projekte sein, also Onlinedienste für Verwaltungsleistungen, die von einem Bundesland entwickelt und betrieben werden und von anderen genutzt werden können. Dazu gehören etwa Ummeldung, Elterngeld, Baugenehmigung oder Führerschein.
Landkreistag-Präsident Sager warnte davor, die Fehler des ersten Onlinezugangsgesetzes zu wiederholen. „Es genügt eben nicht, online verfügbare Antragsformulare bereitzustellen“, sagte er. Ziel müsse eine „durchgängige medienbruchfreie Digitalisierung sein“, damit online gestellte Anträge von Bürgen innerhalb der Verwaltung auch gleich elektronisch verarbeitet werden können. „Erst das schafft schnellere Verfahren und entlastet die Verwaltungen von unnötigem Aufwand und Personaleinsatz.“
Aus Sicht von Städtebundchef Landsberg fehlt es in den Städten und Gemeinden nicht nur an Geld für die digitalen Herausforderungen. Es fehlten außerdem digitalfähige Gesetze, Personal und teilweise immer noch geeignete Software.
„Der Bund sollte diese Probleme gemeinsam mit den Kommunen angehen, die nötigen Mittel bereitstellen und weniger mit ständig neuen bürokratischen Vorgaben die Verwaltungen belasten“, sagte er. „Dann gibt es eine Chance, dass wir bei der Digitalisierung vorankommen.“
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