May 3, 2023
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Drogenpolitik: Cannabis-Legalisierung könnte Staat um mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr entlasten

Written by Jürgen Klöckner

Berlin Kein Verkauf von Joints in Fachgeschäften, kein kommerzieller Anbau: Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angestrebte Cannabis-Legalisierung fällt deutlich weniger umfangreich aus als ursprünglich vorgesehen. Dennoch dürfte die Staatskasse von den Plänen profitieren.

Insgesamt dürfte die öffentliche Hand Einsparungen und Mehreinnahmen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro verzeichnen. Das geht aus einer Berechnung des Düsseldorfer Ökonomen Justus Haucap für das Handelsblatt hervor. Dafür wurde eine Studie aus dem Jahr 2021 aktualisiert, die die Entlastung bei einer vollständigen Legalisierung auf 4,7 Milliarden Euro bezifferte.

Laut den Plänen von SPD, Grünen und FDP soll der Besitz von Cannabis in Deutschland bald straffrei sein. Die Ampelparteien wollen künftig den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlauben. Legal sein soll auch der Eigenanbau von maximal drei Pflanzen.

Außerdem will die Bundesregierung den Anbau und die Abgabe der Droge in speziellen Vereinen ermöglichen. Der ursprünglich geplante freie Verkauf von Cannabis für Erwachsene in Fachgeschäften soll erst in einem zweiten Schritt und zunächst in Modellregionen mit wissenschaftlicher Begleitung erprobt werden.

Die finanziellen Effekte stehen dabei nicht im Vordergrund. Stattdessen geht es der Bundesregierung vor allem darum, den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität zu bekämpfen und den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Die Einsparungen dürften der öffentlichen Hand angesichts klammer Kassen aber entgegenkommen.

Experte rechnet mit 400 Tonnen Cannabis-Bedarf pro Jahr

Die größte Entlastung geht dabei auf Einsparungen bei Polizei und Justiz aufgrund der Entkriminalisierung zurück, die Haucap auf 1,05 Milliarden Euro beziffert. Weil die Cannabis-Klubs auch Personal beschäftigen können, kann der Staat zudem Einnahmen bei der Lohnsteuer von 28 Millionen Euro und einem Sozialversicherungsaufkommen von 52 Millionen Euro erwarten.

Die Berechnungen fußen auf ersten Annahmen darüber, wie die Legalisierungspläne umgesetzt werden könnten. Haucap geht von einem jährlichen Cannabis-Gesamtbedarf von 400 Tonnen aus, von dem 120 Tonnen über die Klubs abgedeckt werden könnten. Wie viele sich davon gründen, hängt von vielen Faktoren ab – Haucap hält aber rund 1000 dieser Abgabestellen in Deutschland für möglich, die wiederum jeweils zwei bis drei Personen beschäftigen.

Gleichzeitig aber fallen auch beträchtliche mögliche Einnahmen durch die eingedampften Pläne weg. Allein eine mögliche Cannabis-Steuer hätte bis zu 1,8 Milliarden Euro pro Jahr einbringen können. Und bei Umsatz-, Gewerbe-, Körperschaft- und Lohnsteuer hätte der Staat mit Mehreinnahmen von mehr als einer Milliarde Euro rechnen können. Haucap ging in der Ursprungsstudie von 26.000 neuen Jobs aus.

Justus Haucap

Der Düsseldorfer Ökonom hat berechnet, wie sich die Cannabis-Legalisierung auf den Staatshaushalt auswirken könnte.

(Foto: Universität Düsseldorf)

„Wir verschenken hier einiges an Potenzial“, sagte er dem Handelsblatt. Dies betreffe nicht nur die Steuereinnahmen. „Vielmehr wird es deutlich schwieriger, den Schwarzmarkt auszutrocknen.“ Man überlasse einen Teil des Marktes der organisierten Kriminalität. „Jugend- und Gesundheitsschutz werden genau deswegen nicht so gut sein, wie es bei einem wirklich legalisierten Markt mit Lizenzierung aller Wertschöpfungsstufen möglich wäre“, sagte Haucap. Auch die Wertschöpfungsketten würden weitaus weniger umfangreich ausfallen.

Haucap warnt vor Scheitern der Cannabis-Legalisierung

Haucap sieht gar die Gefahr, dass die Pläne „grandios scheitern“ – nämlich dann, wenn die Gründung der Cannabis-Klubs, der Anbau von Hanfpflanzen sowie die Verarbeitung und der Verkauf in den Klubs mit „überbordender Bürokratie“ überzogen würden. „Für die Klubs sollte ein möglichst liberales und nicht zu kompliziertes Regelwerk gefunden werden“, fordert Haucap.

>> Lesen Sie auch: Cannabis-Firmen stark enttäuscht von Ampelplänen
Ein von Gesundheitsminister Lauterbach in Auftrag gegebenes Gutachten spricht sich hingegen dafür aus, den kommerziellen Markt im Sinne des Gesundheits- und Jugendschutzes zu begrenzen.

Ein entsprechendes Papier des Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Hamburg wurde am Dienstag von Lauterbach an die Regierungsfraktionen im Bundestag und die anderen Ministerien verschickt. In dem Gutachten wird auf Erfahrungen in Kanada, Uruguay oder einigen US-Bundesstaaten verwiesen, wo Cannabis bereits legalisiert wurde.

Es sei zu erwarten, dass der Konsum nach einer etwaigen Legalisierung auch in Deutschland weiter zunehme, heißt es darin. Der Gesundheitsschutz für Erwachsene dürfte sich „zumindest kurzfristig nur geringfügig verändern“, schreiben die Autoren außerdem.

Zulassung von Cannabis-Edibles weiter strittig

Sie verweisen auch auf eine leicht höhere Zahl von Verkehrsunfällen nach der Legalisierung. Der legale Markt sollte demzufolge so reguliert werden, „dass der Konsumanstieg auf möglichst niedrigem Niveau gehalten wird“, heißt es. „Dabei müsste auch in Kauf genommen werden, dass sich der illegale Markt nicht so schnell eindämmen lässt, wie es durch eine starke Kommerzialisierung der Märkte möglich wäre.“

Noch strittig ist, ob in Deutschland sogenannte Cannabis-Edibles zugelassen werden sollen, also mit dem Wirkstoff THC versetzte Lebensmittel. Das Gesundheitsministerium verweist darauf, dass ein Verbot für den Kinder- und Jugendschutz unabdingbar sei.

Das Gutachten spricht sich nicht für ein generelles Verbot aus, weist aber auf die Gefahren hin. Darin heißt es, dass unbeabsichtigte Vergiftungs- und Rauschzuständige von Kindern unter zehn Jahren „unmittelbar und beträchtlich“ genau dort angestiegen sind, wo Edibles legal verkauft wurden. Legale Cannabisprodukte sollten deswegen so gestaltet werden, „dass sie für diese Zielgruppe nicht attraktiv sind“.

In der Ampelkoalition drängt man hingegen anders als das Gesundheitsministerium auf eine Zulassung der Edibles. Diese seien „eine weniger gesundheitsschädliche Konsumform von Cannabis und müssen deshalb erlaubt werden“, sagte die FDP-Gesundheitspolitikerin Kristine Lütke dem Handelsblatt. „Ansonsten spezialisieren sich Dealer darauf und wir verfehlen unser Ziel, den Schwarzmarkt entschieden zurückzudrängen.“

Mehr: Cannabis-Pläne der Bundesregierung – Das soll sich bei Konsum, Kauf und Besitz ändern



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