Brüssel Die EU-Kommission will die Versorgung der Ukraine mit Munition langfristig sicherstellen. Binnen zwölf Monaten sollen europäische Rüstungsfirmen mindestens eine Million Schuss Artilleriemunition pro Jahr produzieren. Dafür stellt die Kommission 500 Millionen Euro aus ihrem Haushalt bereit. Die gleiche Summe soll von den Mitgliedstaaten kommen, sodass insgesamt eine Milliarde Euro an Subventionen zur Verfügung steht.
Industriekommissar Thierry Breton gab sich am Mittwoch kämpferisch. „Wir müssen in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln“, sagte er bei der Vorstellung des „Act in Support of Ammunition Production“ (ASAP) in Brüssel. „Wir können dies tun, und wir werden dies tun.“
Der Franzose hatte in den vergangenen Wochen Munitionsfabriken in ganz Europa besucht. Sein Fazit: „Wir haben in Europa echte Produktionskapazitäten.“ Gerade in Osteuropa gebe es noch viele Fabriken, die ihren Betrieb seit dem Ende des Kalten Kriegs deutlich reduziert haben, die aber weiterhin einsatzbereit seien. „Die Fabriken sind da, wir müssen nur die Produktion hochfahren“, sagte Breton. Falls nötig, könne man auch deutlich mehr als eine Million Geschosse im Jahr produzieren.
Das ukrainische Militär klagt seit Längerem über Munitionsmangel. Dieser erschwert die geplante Sommeroffensive gegen die Invasoren. Während die russischen Angreifer nach EU-Schätzungen bis zu 50.000 Granaten pro Tag abfeuern, müssen die Ukrainer mit einigen Tausend auskommen.
Breton sagte, niemand habe mit einem Krieg solcher Intensität gerechnet. Deshalb müsse man die Produktion nun schnell ankurbeln. Er nannte keine Details, welche Munition bis zu welchem Termin hergestellt werden sollte. Die ukrainische Armee braucht unter anderem 155-Millimeter-Geschosse für ihre westlichen Waffen und 152-Millimeter-Geschosse für alte Sowjetsysteme.
Die EU könnte Rüstungsfirmen zwingen
Für den Fall, dass die Subventionen nicht den gewünschten Produktionsschub auslösen, will die Kommission auch zum Zwang greifen: Brüssel könnte dann zusammen mit einem Mitgliedstaat ein Rüstungsunternehmen anweisen, Munition vorrangig an EU-Staaten zu verkaufen und andere Aufträge dafür zurückzustellen. Angesichts der Notlage in der Ukraine dürften bestimmte Exportaufträge nicht Priorität genießen, sagte Breton.
Die 500 Millionen Euro der EU sollen aus zwei Töpfen fließen: dem Europäischen Verteidigungsfonds EDF und einem Topf zur gemeinsamen Beschaffung von Rüstungsgütern (EDIRPA). Die nationalen Regierungen müssen für die Co-Finanzierung weitere 500 Millionen mobilisieren.
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Dafür dürfen sie auch Gelder umwidmen, die sie aus den Kohäsionsfonds zur Angleichung der Lebensumstände in der EU und dem Corona-Wiederaufbaufonds erhalten. Letzterer ist eigentlich für die grüne und digitale Transformation gedacht. Doch sagte Breton, ein Ziel des Coronafonds sei es gewesen, die Resilienz der Länder zu stärken. Dazu gehöre auch die Verteidigung.
Neben der Ausweitung der heimischen Produktion will die EU künftig auch gemeinsam Munition auf dem Weltmarkt beschaffen. Der Plan der gemeinsamen Beschaffung kommt jedoch nicht voran, weil Frankreich nicht in Drittländern einkaufen will. Für den gemeinsamen Einkauf stünde laut Breton eine weitere Milliarde Euro aus der Europäischen Friedensfazilität bereit, einem Topf außerhalb des EU-Haushalts.
Nicht nur die EU kämpft mit Engpässen. Auch die USA kommen mit der Produktion ihrer Haubitzengeschosse nicht hinterher – und modernisieren nun ihre Fabriken. Die Regierung investiert 1,4 Milliarden Euro, um die Produktion der 155-mm-Granaten von 14.000 pro Monat vor dem Krieg auf mehr als 85.000 pro Monat im Jahr 2028 zu steigern.
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