Berlin, Kapstadt Der Reiseplan von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigt, was Afrika für Deutschland momentan symbolisiert: die Hoffnung auf neue Energiequellen, das Ringen mit Russland und China um Einfluss und die schwierige Rolle eines Vermittlers zwischen den Fronten.
Die deutsch-afrikanischen Beziehungen haben sich geändert. Ging es bis vor Kurzem noch um deutsches Engagement zur Fluchtursachenbekämpfung, muss sich Deutschland jetzt in einer geopolitisch neuen Gemengelage als attraktiver politischer und wirtschaftlicher Partner anbieten. In Konkurrenz vor allem zu Russland und China.
Scholz besucht am Donnerstag und Freitag Äthiopien und Kenia, eine Wirtschaftsdelegation wird ihn dabei begleiten. Unternehmensvertreter aus unterschiedlichen Branchen wie der Landwirtschaft, der Industrie und dem Energiesektor sollen werben und neue Kontakte knüpfen.
Dabei haben sie große Konkurrenz: Vor allem China und neuerdings die Türkei sind in Ostafrika sehr aktiv, bauen Infrastrukturprojekte wie etwa ein Eisenbahnprojekt zwischen Uganda und Kenia.
Dennoch liegen auf dem Besuch in Kenia große Hoffnungen. Das Land gilt als wichtigster Wirtschaftspartner Deutschlands in Ostafrika und eines der Vorreiterländer bei grüner Energie. Etwa 90 Prozent seiner Energie bezieht Kenia aus erneuerbaren Quellen, wie Scholz am Mittwoch beim Petersberger Klimadialog betonte. Gleichzeitig ist das Land massiv von den Folgen der Klimakrise betroffen – im Norden herrscht eine extreme Dürre.
Engere Zusammenarbeit bei Geothermie und grünem Wasserstoff
Deutschland und Kenia wollen bei Energiethemen wie Geothermie und grünem Wasserstoff enger zusammenarbeiten. Klimaneutrale Energiequellen der Zukunft in Afrika zu erschließen ist momentan ein großes Anliegen der Bundesregierung. In Namibia soll dazu ein Großprojekt entstehen. Deutschland lockt als Geldgeber und Abnehmer der sauberen Energie.
Kenia gilt aber auch in anderer Hinsicht als Vorbild auf dem Kontinent: Im sogenannten Silicon Savannah in der Hauptstadt Nairobi liegt eines der größten IT-Zentren des Kontinents.
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„Deutschland braucht neue strategische Partner und sollte diese auch auf dem afrikanischen Kontinent suchen“, fordert Sabine Dall’Omo, Geschäftsführerin von Siemens in Subsahara Afrika und Vorstandsvorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. „Kenia mit seinem wirtschaftsfreundlichen Kurs bietet Handels- und Investitionschancen.“ Sie erkenne dort ein großes Interesse, vertieft mit Deutschland zu kooperieren.
Doch auch auf dem ewigen Chancenkontinent trüben sich die Wirtschaftsaussichten gerade ein. Die Weltbank prognostizierte Afrika für das laufende Jahr gerade erst ein Wachstum von durchschnittlich nur noch 3,1 Prozent. Im Oktober war man noch von 3,5 Prozent ausgegangen. Dies gilt als zu niedrig um allein das anhaltend hohe Bevölkerungswachstum von durchschnittlich rund 3,3 Prozent und die hohe Inflation auszugleichen.
Vor welchen Herausforderungen Unternehmen und Politik stehen
In Kenia zeigt sich auch die grundsätzlich Herausforderung, vor der viele Unternehmen und auch die Politik in der Region stehen. Dort verlaufen die Gräben in der Politik seit Jahrzehnten vor allem zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen.
Staatschef William Ruto (55) ist ein Kalenjin, ein Vertreter der drittgrößten Volksgruppe. Immer wieder kam es nach Wahlen zu heftigen Gewaltausbrüchen. Gleichzeitig gilt Kenia auch als wichtiger Mediator für Konflikte in der Region.
Die fehlende Stabilität macht es nach Ansicht von Stefan Liebing, dem nach elf Jahren kürzlich abgetretenen Vorsitzenden des Afrika-Vereins, für den deutschen Mittelstand zunehmend unattraktiv, Investitionsvorhaben in der Region wie geplant zu realisieren.
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In einer aktuellen Kurzstudie schreibt Liebing: „Der Bürgerkrieg im Sudan und die auch nach dem Friedensabkommen fragile Lage in Äthiopien machen den gesamten Gürtel entlang der Sahara von der West- bis zur Ostküste schwierig.“
Russland als Thema
Wie schwierig, das dürfte dem Kanzler schon auf seinem Hinflug klargeworden sein. Das Bundesverkehrsministerium hat der deutschen Luftfahrt verboten, den sudanesischen Luftraum rund um die Hauptstadt Khartum zu überqueren. Denn dort tobt seit fast einem Monat ein Machtkampf des Militärs.
Um den Konflikt im Sudan wird es auch bei dem Besuch von Scholz in Äthiopien gehen, wo die Afrikanische Union ihren Hauptsitz hat. Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dürfte Thema werden. Russland versucht etwa durch Destabilisierung mithilfe der Söldnergruppe Wagner in der Sahelzone, seinen Einfluss auch geltend zu machen.
Bei der Visite in Äthiopien wird sich deshalb viel um die Frage drehen, wie sich Afrikas Beziehungen zu Russland entwickeln – und was Europa dem entgegensetzen möchte. Moskau schürt in der Region die Erzählung, der Westen sei wegen seiner Sanktionen gegen Russland an der Lebensmittelknappheit in vielen afrikanischen Ländern schuld.
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Die ausbleibenden Getreideimporte von ukrainischem Weizen hatten viele Staaten nach dem russischen Angriffskrieg vor große Probleme gestellt, als russische Militärschiffe den Hafen von Odessa blockierten.
Gespaltene Haltung gegenüber Russland
Bei der Ukraineresolution zur Verurteilung Russlands im Februar zeigte sich, wie gespalten Afrika in seiner Haltung gegenüber Russland ist. Insgesamt 14 der 48 Staaten südlich der Sahara enthielten sich der Stimme. Fünf weitere nahmen wie Äthiopien erst gar nicht an der Abstimmung teil. Eritrea und Mali stimmten sogar gegen die Resolution.
Aufgrund der Entwicklungen sieht die Bundesregierung sich gezwungen, ihre Politik neu auszurichten. Am Mittwoch beschloss das Kabinett, eine Kehrtwende der Sahelpolitik. Mali, wo die Bundeswehr seit 2013 stationiert ist, hat sich mehr und mehr von westlichen Partnern abgewendet. Deshalb soll die Partnerschaft jetzt verstärkt mit dem Niger, Mauretanien und den Staaten am Golf von Guinea gesucht werden, versprach Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
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Um sich als verlässlicher Partner zu profilieren, will Bundeskanzler Scholz bei seinem Besuch in Äthiopien als Friedensvermittler auftreten. Er will sich dort sowohl mit Premier Abiy Ahmed als auch mit einem Vertreter der Interimsregierung der Provinz treffen, um den Friedensprozess voranzutreiben.
Äthiopien galt lange als Hoffnungsträger für die Region. Premierminister Abiy Ahmed erhielt 2019 den Friedensnobelpreis für die Annäherung an das Nachbarland Eritrea und seinen Einsatz für Bürgerrechte. Wirtschaftlich verzeichnete das zweitbevölkerungsreichste Land Afrikas laut Internationalem Währungsfonds (IWF) bis dahin Wachstumsraten von mehr als zehn Prozent.
Doch im Tigray sind viele Menschen im Bürgerkrieg getötet worden. Die Regierungstruppen kämpfen gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF).
Dabei hatte Ahmed zu Beginn seines Kriegs versichert, Tigray schnell unter Kontrolle zu bringen, um die wirtschaftliche Lage im übrigen Land nicht zu gefährden. Doch Tigray ist noch immer unbesiegt, seit November gibt es eine Waffenruhe und einen Friedensprozess. In Abiys Heimatprovinz Oromia sind allerdings neue Kämpfe aufgeflammt, die die Sicherheitslage in Äthiopien weiter verschärfen.
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