May 5, 2023
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Großbritannien: Wie König Charles die Monarchie retten will – ohne dabei seine Schatztruhe zu öffnen

Written by Torsten Riecke

London Das Mutterland der Demokratie befindet sich im Krönungsfieber. Wobei vielen Briten der Widerspruch zwischen dem demokratischen und monarchistischen Staatsverständnis ziemlich egal zu sein scheint. Die Monarchie war auf der Insel schon immer Stein des Anstoßes und Faszination zugleich.

Diese Balance zumindest zu halten, ist für den neuen König die existenzielle Herausforderung der Monarchie. Erreichen kann Charles III. das jedoch nur, wenn er die königlichen Finanzen in demokratische Kontrolle gibt.

Auf der Royal Mall, der Prachtmeile, die vom Buckingham Palace zum Trafalgar Square in London führt, campen seit Tagen und Nächten die treuesten Anhänger der Windsors, um bei den Krönungsfeierlichkeiten für Charles III. in der ersten Reihe zu stehen. Während der mitternächtlichen Generalproben konnten sie schon mal Probe jubeln.

Die Krönung selbst findet am Samstag vor 2000 geladenen Gästen in der Westminster Abbey statt. Die Gästeliste ist ein Politikum und wird von den Briten akribisch studiert: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der französische Präsident Emmanuel Macron sind dabei, US-Präsident Joe Biden bleibt lieber zu Hause, was hier einige als Affront empfinden. Der von den königlichen Familienpflichten desertierte Prinz Harry kommt, seine im Königreich ungeliebte Frau Meghan lieber nicht.

Die Kommunisten in Peking schicken Chinas Vizepräsident Han Zheng, der die Demokratiebewegung in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong niedergeschlagen hat. Das hat einige Inselbewohner ebenso verstört wie die Einladung an die nordirische Sinn-Fein-Politikerin Michelle O’Neill – hat doch die Terrorgruppe IRA, deren politische Erbin Sinn Fein ist, Charles“ Großonkel Lord Mountbatten auf dem Gewissen.

Mehrheit der Briten interessiert sich nicht für Krönung von Charles

Das ganze Königreich, so scheint es, feiert am Wochenende unter rot-weiß-blauen „Union Jack“-Wimpeln auf der Straße, im Pub oder zu Hause mit „Pimm’s-Bowle“, Pints und einer „Coronation Quiche“ den neuen Monarchen. Das Rezept für die Gemüsetorte mit organisch angebautem Spinat, Bohnen und Estragon kommt direkt aus der Küche des Öko-Königs.

Warten auf den neuen König

Auf der Royal Mall campen seit Tagen und Nächten die treuesten Anhänger der Windsors


(Foto: Reuters)

Im Schloss Windsor singen Katy Perry, Lionel Richie und Andrea Bocelli beim „Coronation Concert“. Die Regierung Seiner Majestät gewährt dem Volk sogar einen Extrafeiertag am Montag, was das ohnehin stagnierende Bruttoinlandsprodukt noch weiter drücken dürfte.

Ist das nun eine untertänige Huldigung der 1000 Jahre alten Monarchie im Inselreich oder eher ein aus der Zeit gefallenes Volksfest mit einer in die Jahre gekommenen königlichen Schauspieltruppe? Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov interessiert sich eine Mehrheit der „Untertanen“ nicht oder kaum für die Krönung ihres Königs, was sie jedoch nach eigener Aussage nicht davon abhält, kräftig mitzufeiern.

45 Prozent der Briten halten die Monarchie inzwischen für so unwichtig, dass man sie auch abschaffen könnte, hat das National Centre for Social Research herausgefunden. Und ein Drittel möchte in der Nationalhymne nicht mehr „God Save the King“ singen.

Geschmückte Straßen mit Union Jack-Wimpeln

Es scheint, als würde das ganze Königreich, am Wochenende unter Union Jack-Wimpeln auf der Straße, im Pub oder zu Hause feiern. Dabei halten 45 Prozent der Briten die Monarchie inzwischen für so unwichtig, dass man sie auch abschaffen könnte.

(Foto: Bloomberg)

Der König ist sich dieser gefährlichen Gleichgültigkeit des Volkes wohl bewusst und will die Monarchie mit einer Mischung aus abgespecktem Pomp und dosierter Moderne auch im 21. Jahrhundert am Leben erhalten. Der Kern seiner Regentschaft ist jedoch das Versprechen, sein Leben vollends in den Dienst der Bürger zu stellen.

„Der König als Diener des Volkes“ lautet die magische Formel, mit der Charles III. den inhärenten Widerspruch der parlamentarischen Monarchie in Großbritannien überbrücken will.

Charles geht damit noch einen großen Schritt weiter als seine Mutter Queen Elizabeth II., die im vergangenen Herbst nach 70 Jahren auf dem Thron im Alter von 96 Jahren verstarb und es wie kaum ein anderer Monarch verstanden hatte, mit der Zeit zu gehen, ohne ihr hinterherzulaufen. Die Queen war größer als ihr Amt und damit auch ein wenig unnahbar. Charles will sich ganz in den Dienst seiner Aufgabe stellen, um so die Monarchie zu retten.

Die Chancen, dass dem 74-jährigen König dieses Kunststück gelingt, sind gar nicht so schlecht. Das Vertrauen der Bürger gerade auch in demokratische Regierungen geht weltweit zurück, das Misstrauen gegen die Führungseliten ist nach wie vor groß.

König Charles III.

Charles will die Monarchie retten. Die Chancen, dass dem 74-jährigen König dieses Kunststück gelingt, sind gar nicht so schlecht.

(Foto: AP)

Wenn die Meritokratie so unglaubwürdig ist, warum dann nicht gleich einem König zujubeln, der Amt und Stellung ausschließlich seiner Herkunft verdankt und zumindest Mitgefühl und Pflichtbewusstsein zeigt für jene, die dem Schicksal weniger zu verdanken haben?

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Dass es dieses emotionale Führungsvakuum nicht nur in Großbritannien gibt, beweisen die weltweit rund 350 Millionen Zuschauer, die die Krönungsfeierlichkeiten an ihren TV-Geräten verfolgen wollen. Und hat nicht auch der begeisterte „Volksempfang“ beim Deutschlandbesuch des Königspaares im März in Berlin und noch mehr in Hamburg gezeigt, dass viele Deutsche eine heimliche Faszination für die Monarchie hegen?

Charles III. hat sich in den ersten sieben Monaten auf dem Thron noch keinen Fehltritt geleistet und mit seiner „Soft Power“ geholfen, das durch politische Krisen und den Brexit lädierte Image des Vereinigten Königreichs weltweit aufzupolieren. Nebenbei hat er auch sein eigenes Bild in der Öffentlichkeit als ein ebenso verschrobener wie introvertierter Daueranwärter auf den Thron geglättet und erscheint jetzt vielen Briten als ein zugänglicher Landesvater.

Selbst seine Frau Camilla, die lange im Schatten der 1997 verstorbenen Prinzessin Diana stand, wird nun akzeptiert und darf nach der Krönung offiziell den Titel „Queen“ tragen.

Könige scheitern in der Regel an der Finanzierungsfrage

Selbst Briten, die sich als Republikaner bezeichnen und die Monarchie bestenfalls ignorieren, räumen ein, dass das Königshaus in seinen guten Zeiten ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermittelt. In einem Land, das über keine geschriebene Verfassung verfügt, spielen Traditionen und Institutionen für den Zusammenhalt eine ungleich größere Rolle als in anderen Nationen.

Ein König, der sich für die Umwelt einsetzt, als Wohltäter profiliert und dabei bodenständig und bescheiden auftritt, scheint nicht die schlechteste Führungsfigur in einer Welt, die sonst kaum Halt bietet.

Dennoch hat Charles“ Charmeoffensive für die Monarchie eine verwundbare Stelle: Könige stolpern meist über Steuern. Das war schon so, als sich die Amerikaner vor 247 Jahren unter König George III. unter dem Banner „no taxation without representation“ von der englischen Krone lossagten. Und das gilt auch heute noch, wobei im Falle von Charles III. die fehlende Transparenz und die mangelnde demokratische Kontrolle der königlichen Finanzen das Problem sind.

Wenn es um die Verwendung von Steuergeldern und das eigene Vermögen geht, erlahmt nämlich der Reformwille der geschäftstüchtigen Familie Windsor, die im Volksmund nicht ohne Grund als „Firma“ und „Monarchy PLC“ bezeichnet wird.

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Als die britische Tageszeitung „The Guardian“ vor Kurzem eine umfangreiche Bilanz über die Schätze der Windsors veröffentlichte und allein das Privatvermögen von Charles III. auf 1,8 Milliarden Pfund (etwa zwei Milliarden Euro) schätzte, bezeichnete der Palast das als „eine höchst kreative Mischung aus Spekulationen, Annahmen und Ungenauigkeiten“.

Eine Richtigstellung mit Zahlen und Fakten lehnte das Königshaus jedoch ab. Zumindest unterstützt Charles jetzt wissenschaftliche Forschungen, die herausfinden wollen, inwieweit das Königshaus in den vergangenen Jahrhunderten auch vom Sklavenhandel profitiert hat.

Die Schatztruhe der Königsfamilie bleibt jedoch ein gut gehütetes Geheimnis – und das passt so gar nicht zu einer modernen Monarchie. Seit einer Finanzreform im Jahr 2012 erhalten die Windsors für ihre königlichen Dienste am britischen Volk einen „staatlichen Zuschuss“, der erst 15 und heute 25 Prozent der laufenden Erträge aus dem treuhänderisch gehaltenen Gesamtvermögen des Königshauses beträgt, das der Finanzinformationsdienst Bloomberg auf rund 18,2 Milliarden Pfund schätzt.

Imperial State Crown

Die Imperial State Crown wird König Charles im Rahmen der Krönungszeremonie am 6. Mai 2023 tragen.


(Foto: dpa)

Die jährliche Haushaltshilfe ist inzwischen von einstmals 31 auf nunmehr 86 Millionen Pfund gestiegen. Hinzu kommt ein beträchtliches Privatvermögen in den beiden Herzogtümern Duchy of Cornwall und Duchy of Lancaster, das auf rund 1,7 Milliarden Pfund beziffert wird und zuletzt einen jährlichen Gewinn von rund 47 Millionen Pfund erwirtschaftete.

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Als Monarch erbt Charles jetzt die im Duchy of Lancaster vereinigten Reichtümer seiner verstorbenen Mutter und überträgt das im Herzogtum Cornwall angesammelte Vermögen auf seinen ältesten Sohn und Thronfolger Prinz William. Erbschaftsteuern müssen die Windsors dank einer Vereinbarung mit der Regierung aus dem Jahr 1993 nicht zahlen.

Angesichts der gut geölten königlichen Geldmaschine ist es kein Wunder, dass mehr als die Hälfte der Briten der Meinung sind, die Krönungsfeierlichkeiten sollten nicht mit Steuergeldern bezahlt werden. Genaue Zahlen über die voraussichtlichen Kosten des Festes gibt es zwar nicht, aber das Boulevardblatt „The Sun“ hat mit Verweis auf das Organisationskomitee schon mal das Preisschild von 100 Millionen Pfund in einer Schlagzeile hochgehalten.

Krönungsfeier auf Kosten der Steuerzahler

Dagegen rechnen muss man allerdings die zusätzlichen Einnahmen der Pubs, Hotels und Geschäfte durch die feierlustigen Briten – der Verband der Pub-Betreiber erwartet, dass am Wochenende 16 Millionen Pint mehr getrunken werden als üblich. Hinzu kommt, dass auch viele Firmen seit Jahren als Hoflieferanten vom königlichen Siegel profitieren. Und dann gibt es noch besonders findige Unternehmen wie Heinz: Der Ketchup-Hersteller bietet aus Anlass der Krönung eine königliche Version der roten Sauce an. Die Flasche enthält ein limitiertes Etikett mit einer Krone und einer Wimpelkette sowie einen neuen Namen: Kingchup!

Dennoch bleibt bleibt die Krönung eine teure Angelegenheit. Ein Sprecher des Buckingham-Palastes sagte dazu: „Da es sich bei der Krönung um ein nationales Staatsereignis handelt, werden die Kosten aus dem staatlichen Zuschuss und von der britischen Regierung finanziert.“ Der Palast werde jedoch keine Einzelheiten zu den Kosten veröffentlichen, bis die Veranstaltung beendet sei.

Charles ist sich bewusst, dass die königlichen Finanzen für seinen Reformkurs ein heikles Thema bleiben – zumal die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten den Verteilungskampf in Großbritannien noch einmal verschärft haben.

Medizinisches Personal in London im Streik

Die hohe Inflation setzt Krankenschwestern und anderen stark zu.


(Foto: Reuters)

Seit Monaten streiken Krankenschwestern, Lehrer und Eisenbahner, um angesichts zweistelliger Inflationsraten zumindest einen Reallohnverlust zu verhindern. Da wirkt eine Krönungsfeier mit Pomp auf Kosten der Steuerzahler abgehoben und weltfremd. Selbst wenn man bedenkt, dass Charles“ Gästeliste nur ein Viertel so lang ist wie die der Queen bei ihrer Krönung 1953.

Charles will Kosten der Monarchie senken

Um öffentlichen Unmutsbekundungen zuvorzukommen, will der König seinen Familienbetrieb straffen und die Zahl seiner zahlreichen Verwandten begrenzen, die königliche Aufgaben wahrnehmen – und dafür vom Staat bezahlt werden. Die Monarchie könne langfristig nur überleben, so hat der reformfreudige Charles immer wieder durchblicken lassen, wenn sie ihre Kosten gegenüber den Steuerzahlern rechtfertigen könne und royale Mitläufer loswerde.

Harry und Meghan haben den Dienst bekanntlich bereits freiwillig quittiert. Prinz Andrew ist nach Vorwürfen sexueller Nötigung von seinen königlichen Aufgaben entbunden worden.

Charles“ Schwester Prinzessin Anne hat jedoch diese Woche in einem Interview mit dem kanadischen Fernsehsender CBC klargemacht, dass sie nichts von einer „abgespeckten Monarchie“ hält. „Aus meiner Sicht klingt das nicht nach einer guten Idee. Ich bin mir nicht ganz sicher, was wir sonst noch tun können“, sagte sie.

Prinzessin Anne

Hält nichts von einer „abgespeckten Monarchie“.

(Foto: via REUTERS)

Dass der König kurz nach dem Tod seiner Mutter zunächst unten anfing zu sparen und Dutzenden Angestellten in seiner ehemaligen Residenz Clarence House die Kündigung schickte, kam in der britischen Öffentlichkeit gar nicht gut an. Mark Serwotka von der Gewerkschaft PCS kritisierte das Vorgehen als „herzlos“.

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Auch wenn es Charles III. gelingen sollte, die Rolle des königlichen Landesvaters auszufüllen, ein Ersatz für gescheiterte Politiker ist der neue König nicht. Vielmehr zeigt die Anziehungskraft der Monarchie die emotionale Schwäche vieler Demokratien und ihrer oft technokratisch wirkenden Führungsfiguren. Dass am Wochenende Millionen Bürger dem neuen König zujubeln und seine Krönung feiern, ändert jedoch nichts daran, dass die Monarchie ein lieb gewordener Anachronismus bleibt.

Nichts belegt das mehr als die missratene Idee des Königshauses von einem massenhaften Treueschwur der Bürger. Kein anderer Thronfolger hat sich derart lange und intensiv auf seine Regentschaft vorbereitet wie Charles III. Seine Krönung wurde unter dem Codenamen „Operation Golden Orb“ seit Jahren generalstabsmäßig bis ins kleinste Detail geplant.

Der unzeitgemäße Vorschlag des Palastes, die Briten könnten aus Anlass der Krönung dem König „freiwillig“ ihre Loyalität bekunden, führt jedoch sein Versprechen von einer modernen Monarchie ad absurdum.

Was als volkstümliche Geste gemeint war – bislang durften nur die Lords im britischen Oberhaus dem König die Treue schwören –, ging voll nach hinten los.

Auf Twitter nutzen Kritiker der Monarchie den Fauxpas, um die Reformpläne des „überbezahlten Königs“ lächerlich zu machen. Die Fans des schottischen Fußballklubs Celtic Glasgow reagierten noch deutlicher und sangen, der König könne sich seine Krönung sonst wo hinstecken.

Mehr: König Charles III. verscheucht die bösen Brexit-Geister



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