Berlin Die Transporteure und Logistiker trauten ihren Ohren nicht. 15.000 Anträge auf Großraum- oder Schwerlasttransporte liegen derzeit unbearbeitet bei der Autobahngesellschaft für Nordwestdeutschland.
Schlimmer noch: Bis Juli würden wegen IT-Problemen keine Anträge mehr angenommen. So lange türmen sich die Anträge weiter, wie die verdutzten Unternehmer vor gut zwei Wochen auf einer Veranstaltung in Hannover direkt von Mitarbeitern der Autobahnniederlassung Nordwest erfahren mussten. Das berichten mehrere Teilnehmer gegenüber dem Handelsblatt.
Ganz gleich, ob Windräder, schweres Gerät für eine Baustelle oder Maschinen für den Export über deutsche Seehäfen den Weg nach Norden finden müssen: Wer dieser Tage einen Antrag stellt, erhält lediglich eine automatische E-Mail von der Autobahngesellschaft Nordwest: Wegen des „aktuell gestiegenen Antragsvolumens“ würden „Anträge ausschließlich nach Datum“ abgearbeitet. „Sobald sich die Lage wieder entspannt, stellen wir den allgemeinen Service über dieses Postfach gern wieder für Sie zur Verfügung.“ Derartige Nachrichten liegen dem Handelsblatt vor.
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Aktuell erreicht die Exportnation Deutschland einige ihrer Seehäfen nicht mehr, zumindest dann nicht, wenn die Waren besonders groß sind und es schnell gehen soll. Acht Wochen dauert es derzeit, bis ein Sondertransport mit Überlänge, -breite oder -gewicht genehmigt wird. Transporteure überlegen bereits, die Häfen in Belgien, den Niederlanden oder gleich in Italien anzusteuern. „So macht man offenen Auges die Wirtschaft kaputt“, schimpft einer von ihnen.
Inzwischen haben die Probleme auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) erreicht. Sein parlamentarischer Staatssekretär und Aufsichtsratsvorsitzende der Autobahngesellschaft, Oliver Luksic (FDP), hat die Betroffenen zum Krisengespräch eingeladen.
29 Verbände hatten sich angesichts der chaotischen Zustände Anfang des Jahres in einer Allianz zusammengefunden, „um die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland aufrechtzuerhalten“, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Zu den Verbänden gehören etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Branchenzusammenschlüsse der Bauindustrie, des Stahlbaus oder der Maschinen- und Anlagenbauer.
Deren Mitglieder leiden seit dem Start der Autobahngesellschaft 2021 unter zahlreichen Hürden. Der neuen Zentralverwaltung fehlt Personal, es fehlt Expertise, es hakt bei den IT-Systemen. Und es gibt regionale Unterschiede: Während es in der Niederlassung Bayern „sehr gut“ laufe, werde es immer schlechter, je weiter man im Norden Anträge stelle, berichten Transporteure. Durch die Verzögerungen und Probleme würden „wichtige Infrastruktur- und Energieprojekte behindert“, erklärte eine Sprecherin des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie.
Transporteure erreichen Rahmedetalbrücke nur schwer
Die dramatische Lage betrifft sogar die von Minister Wissing zur Chefsache erklärte Rahmedetalbrücke an der A45 bei Lüdenscheid: Seit Dezember 2021 ist die 70 Meter hohe Brücke gesperrt, am Sonntag wurde sie endlich gesprengt.
Zwar war der Minister schon mehrfach vor Ort, dennoch schafften es die Sondertransporte für das Baugerät nicht dorthin – weil die Autobahngesellschaft nicht mal bei den eigenen Baustellen zügig genehmigen kann.
Unternehmer wollten die übrigen Abschnitte der Autobahn nutzen, weil die Umgehungsstraßen nicht für Transporte mit 140 Tonnen Gewicht und einer Breite von vier Metern ausgelegt sind. „Es ist uns kaum gelungen, Transporte termingerecht hinzubringen, weil die Autobahngesellschaft nicht bereit war“, berichtet ein Betroffener. Dabei soll der Neubau als Vorbild für die anderen 4000 sanierungsbedürftigen Brücken auf deutschen Autobahnen glänzen.
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Der Zusammenschluss will an diesem Montag grundlegende Reformen einfordern. Dazu gehört nach Informationen des Handelsblatts bundesweit Korridore für Großraum- und Schwerlasttransporte digital auszuweisen.
Außerdem soll die „zunehmend marode Verkehrsinfrastruktur“ sofort instandgesetzt und wenn nötig ausgebaut werden. Wie künftig beim Schienennetz sollen auch auf der Straße und den Wasserwegen sogenannte „Hochleistungskorridore“ für den Güterverkehr entstehen.
Standards für Genehmigungsverfahren
Die Genehmigungsverfahren sollen zudem standardisiert und so einfacher und schneller werden. Zwar gibt es seit 15 Jahren ein digitales Anmeldetool. Doch gilt dies immer noch als „nicht ausgereift“, wie der Bundesverband Schwertransporte und Kranarbeiten kritisiert. Dazu gehört, einen genehmigten Antrag digital zu erhalten und dann mit einem Navigationsgerät fahren zu können anstatt mit einem Beifahrer.
Vertreter der Autobahngesellschaft werden auch an dem Treffen im Ministerium teilnehmen. Sie können zumindest von einem kleinen Lichtblick berichten: So konnte die Niederlassung Nordost ihren Antragsstau von 6000 offenen Eingaben im Dezember auf 1800 im April zurückfahren. Ein offener Dialog mit der Wirtschaft und vor allem mehr Personal hätten geholfen, wie es in der Branche hieß.
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