May 8, 2023
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Geopolitik: Gemeinsame Gegner schweißen Südkorea und Japan zusammen

Written by Martin Kölling


Erinnerung an Japans Eroberungsgeschichte

Japans Ministerpräsident Fumio Kishida entzündet bei seinem Besuch in Südkorea Räucherstäbchen auf Koreas Nationalfriedhof.

(Foto: IMAGO/Kyodo News)

Tokio Nach zwölfjähriger Pause kommt die Diplomatie zwischen den zerstrittenen US-Alliierten Südkorea und Japan wieder in Gang. Am Sonntag traf der japanische Regierungschef Fumio Kishida in Seoul Südkoreas Präsidenten Yoon Suk Yeol zum zweiten bilateralen Gipfel in zwei Monaten. Und der dritte folgt auf dem Treffen der sieben traditionellen Industrienationen (G7) in Hiroshima, der kommende Woche stattfinden wird.

In der Heimat Kishidas werden sie vertiefen, was sie am Sonntag in Südkoreas Hauptstadt bereits diskutierten: Sicherheitsfragen wie Nordkoreas Atomprogramm und Chinas wachsende Macht in der Region sowie eine engere Kooperation in der Chipindustrie. Südkorea ist einer der wichtigsten Lieferanten von Chips für die Welt, aber auch für China.

„Wir sind an einem historischen Wendepunkt“, begründete Südkoreas Präsident Yoon das plötzliche Aufflammen der regen Gipfeldiplomatie. Kishida stimmte zu: „Die regionale Sicherheitslage ist sehr schwierig“, sagte der Japaner. Daher seien enge Beziehungen untereinander und mit dem gemeinsamen Verbündeten USA „sehr wichtig“.

Die Länder müssten gemeinsam gegen Versuche auftreten, „den Status Quo mit Gewalt zu ändern“, so Kishida. Diese Formulierung hat sich in der Diplomatie als Hinweis auf China eingebürgert, wenn Politiker China nicht namentlich nennen wollen. Denn China beansprucht nicht nur von Japan kontrollierte Inseln. Das Reich der Mitte droht auch, Taiwan notfalls gewaltsam mit der Volksrepublik zu vereinen. Auch das Atomprogramm Nordkoreas sehen Südkorea und Japan als Bedrohung der direkten Nachbarschaft an.

Das Gefühl der Bedrohung aus Richtung Peking und Pjöngjang ist vor allem bei Südkoreas Konservativen so groß geworden, dass Präsident Yoon seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr begann, kritische Blockaden für bessere Beziehungen mit Japan aus dem Weg zu räumen.

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Die Konflikte um die historische Deutung von Japans Annexion Koreas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind in der Regel emotional extrem aufgeladen.

Der juristische Streit über eine Entschädigung von koreanischen Zwangsarbeitern, die von japanischen Unternehmen im Zweiten Weltkrieg beschäftigt wurden, hätte die diplomatischen Beziehungen fast gänzlich einfrieren lassen. Südkoreanische Gerichte sprachen den Betroffenen das Recht auf eine Entschädigung zu. Als die Unternehmen nicht zahlten, folgte der Befehl, Vermögenswerte der Angeklagten zu beschlagnahmen, um die Kläger zu entgelten.

Japans Regierung sah dies allerdings als einen Verstoß gegen den bilateralen Grundlagenvertrag von 1965 an, der aus japanischer Sicht alle Schadenersatzfragen gelöst hat. Das Problem: Viele Koreaner bewerten diesen Vertrag als unfair.

Enge Zusammenarbeit, aber die Spannungen bleiben

Als Kompromiss hat Yoon einen von Unternehmen finanzierten Fonds durchgesetzt, aus dessen Kapital nun die Kläger entschädigt werden sollen. Damit schuf er die Vorbedingung für den ersten Gipfel mit Kishida im März. Seither beginnen die beiden Regierungen auf breiter Front, wieder zusammenzuarbeiten und einige kritische Punkte zu lösen.

Neben militärischen Manövern mit den USA gehören enge Diskussionen um Sicherheitsfragen dazu, darunter der atomare Schutzschild der USA. Japan wiederum revanchierte sich unter anderem dadurch, dass die Regierung den Export von wichtigen Chemikalien für die Halbleiter wieder erleichtert, der im Entschädigungsstreit verschärft worden war.

Am Sonntag vereinbarten Yoon und Kishida zudem, die Kooperation zwischen der starken koreanischen Chipindustrie sowie den wichtigen japanischen Lieferanten von Produktionsanlagen und Chemikalien zu verstärken.

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Kishida gab sogar einer brisanten koreanischen Forderung nach: Japans Regierung will über eine Million Tonnen an von radioaktiven Isotopen befreitem Kühlwasser aus den Atomruinen in Fukushima kontrolliert in den Ozean ablassen, das allerdings noch mit dem toxischen Tritium belastet ist. Kishida lud nun südkoreanische Experten ein, den Plan unabhängig von der Internationalen Atomenergiebehörde zu prüfen.

Japans Regierungschef ging sogar auf die koloniale Geschichte seines Landes ein, ohne allerdings um Entschuldigung zu bitten. „Ich selbst bin untröstlich, dass so viele Menschen unter den schwierigen Umständen dieser Zeit so viel Schmerz und Traurigkeit erlitten haben“, sagte Kishida.

Yoon betonte, dass sich beide Seiten auf die Zukunft konzentrieren sollten. Die offene Frage ist, ob dies reicht, Südkoreas Öffentlichkeit zu überzeugen, die gerade Japans Konservativen argwöhnisch gegenübersteht. Denn in Kishidas Liberaldemokratischer Partei wollen viele Politiker die dunklen Seiten der japanischen Geschichte verklären.

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