May 9, 2023
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Flüchtlingsgipfel: Migrationsexperten empfehlen neue Visa für Klimaflüchtlinge

Written by Frank Specht


Eine somalische Familie ist vor der Dürre in der Region Lower Shabelle in die Hauptstadt Mogadischu geflohen

Die Aufnahme und Versorgung von Klimaflüchtlingen aus dem eigenen Land oder angrenzenden Regionen stellt viele Staaten vor eine enorme Herausforderung.


(Foto: dpa)

Berlin Einen Tag vor dem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt warnen Migrationsexperten vor neuen Fluchtbewegungen durch Umweltveränderungen und Extremwetterereignisse. In seinem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht schlägt der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) deshalb neue Visaformate vor, um Klimaflüchtlingen vorübergehend oder dauerhaft Schutz gewähren zu können.

Die Folgen des Klimawandels träfen wegen ihrer geografischen Lage besonders die armen Länder des globalen Südens, denen zudem oft die finanziellen Mittel für Anpassungsmaßnahmen fehlten, sagt der Dresdener Politikwissenschaftler und SVR-Vorsitzende Hans Vorländer.

Wenn Trockenheit oder Überflutungen Regionen unbewohnbar machten, komme es zu Fluchtbewegungen im eigenen Land oder in oft ebenfalls betroffenen Nachbarstaaten. „Hier gilt es, faire Lösungen für besonders vulnerable Menschen und Länder zu finden“, betont Vorländer.

Die Annahmen über das mögliche Ausmaß der durch den Klimawandel ausgelösten Migration gehen je nach gewählter Methode und zugrunde liegenden Faktoren weit auseinander. Die Weltbank schätzt, dass bis 2025 zwischen 44 und 216 Millionen Menschen gezwungen sein könnten, ihre Heimat zu verlassen – je nachdem, wie sich die Treibhausgasemissionen entwickeln oder welche Entwicklungsfortschritte ärmere Länder machen.

Der Weltklimarat geht davon aus, dass das globale Risiko einer Vertreibung durch Überschwemmungen um 50 Prozent zunimmt, wenn die Durchschnittstemperatur um ein Grad Celsius steigt.

Neue Hilfen für Klimaflüchtlinge

Die Bundesregierung sollte deshalb bei der Hilfe für Klimaflüchtlinge eine Vorreiterrolle übernehmen, schlägt der SVR vor, der sich als unabhängiges Gremium der Politikberatung versteht. Dazu bringt er als neue Instrumente einen Klima-Pass, eine Klima-Card und ein Klima-Arbeitsvisum ins Spiel.

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Der bereits diskutierte Klima-Pass zielt auf Personen, die infolge von Trockenheit oder Überflutungen ihren gesamten Lebensraum verlieren. Sie erhielten ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland.

Die Klima-Card gewährt Menschen ein befristetes Aufenthaltsrecht, die durch Klimaereignisse ihre Heimat vorübergehend verlieren. Angesichts erwartbar hoher Zahlen schlägt der Rat hier eine Kontingentierung vor. Außerdem müssen die Herkunftsstaaten Anpassungsmaßnahmen umsetzen, die perspektivisch eine Rückkehr der Geflüchteten erlauben.

Westbalkanregelung ist Vorbild für das Klima-Arbeitsvisum

Das Klima-Arbeitsvisum folgt dem Vorbild der sogenannten Westbalkanregelung. Diese ist ursprünglich geschaffen worden, um das Asylsystem zu entlasten, und ermöglicht Bürgern der Westbalkanstaaten, auch ohne formale Qualifikation Jobs in Deutschland anzunehmen.

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Nach den Vorstellungen der Ratsmitglieder könnte diese Möglichkeit auch für ein gewisses Kontingent von Bürgern aus Staaten eröffnet werden, die besonders unter dem Klimawandel leiden. Dies sei ein „besonders innovatives Instrument“, da es bisher kaum Migrationsprogramme gebe, mit denen sich Abwanderung aufgrund klimabedingter Umweltveränderungen international steuern ließe, betont Vorländer.

Die neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Rates, die verschiedenen Disziplinen und Forschungseinrichtungen angehören, machen sich darüber hinaus aber auch für eine größere Gesamtstrategie stark und mahnen dabei die Verantwortung der Industrieländer an.

Sie müssten nicht nur ihre Treibhausgasemissionen schnell verringern, sondern auch stark vom Klimawandel betroffene Länder bei Anpassungsmaßnahmen technologisch und finanziell unterstützen, sagt die Bochumer Psychologin und Vizevorsitzende des SVR, Birgit Leyendecker. Dies gehe nur im Rahmen einer Klimaaußen- und -entwicklungspolitik, die auch Katastrophenhilfe einschließe.

Klima-Pass seit längerem in der Debatte

Die Debatte um die Folgen klimabedingter Migration beschäftigt Deutschland seit längerem. Schon 2019 hatte die Grünen-Bundestagsfraktion die Idee eines Klima-Passes in die parlamentarische Debatte getragen. „Wenn absehbar ist, dass beispielsweise Inselstaaten im Pazifik vollständig verschwinden, muss dringend festgelegt werden, welche völkerrechtlichen Folgen der Verlust des Territoriums für die Betroffenen, ihre Staatsangehörigkeit und ihren Schutzanspruch mit sich bringt“, hieß es damals.

Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Vizepräsidentin des Bundestags, forderte im vergangenen Jahr, die Idee eines Klima-Passes für Klimavertriebene international voranzutreiben. Sie sprach von einer globalen Aufgabe, „die wir nicht auf unbestimmt in die Zukunft vertagen dürfen“.

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Politik

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