Berlin Der Vorstoß von SPD und Grünen für eine höhere Beitragsbemessungsgrenze stößt bei gesetzlichen Krankenkassen und Arbeitgebern auf Ablehnung. „Die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben folgt einem problematischen Muster: Am Ende zahlen immer die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler mehr“, sagte der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, dem Handelsblatt.
Zudem würde die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) dadurch unattraktiver für Spitzenverdiener. Das schade im Wettbewerb mit der privaten Krankenversicherung. „Statt immer wieder das Solidarsystem zu belasten, brauchen wir auch Lösungen für das Ausgabenproblem, etwa faire Preise für neue Arzneimittel“, forderte Baas.
Angesichts eines drohenden Milliardendefizits in der GKV forderten Vertreter von SPD und Grünen am Montag im Handelsblatt, Besserverdienende durch eine höhere Beitragsbemessungsgrenze stärker zu belasten.
Die Grenze, bis zu der Kassenpatienten Beiträge zahlen müssen, beträgt aktuell 4987,50 Euro Bruttolohn im Monat. Erwogen wird, diese bis auf das Niveau der Rentenversicherung anzuheben, das derzeit bei 7100 Euro in den neuen und 7300 Euro in den alten Bundesländern liegt.
Die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sprach ebenfalls von einer „alleinigen Belastung“ der Beitragszahler. Sie forderte die Ampelparteien stattdessen auf, ihrem im Koalitionsvertrag verbrieften Vorhaben nachzukommen, die Kosten für Bürgergeldempfänger zu übernehmen. Es brauche zudem eine an den „Einnahmen orientierte Ausgabenpolitik“.
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Sollte es aber das Ziel sein, die notwendigen Finanzmittel zur Schließung des Kassendefizits „auf breitere Schultern zu verteilen, dann ist das Steuersystem geeigneter als die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, da dort alle Einkommensgruppen, auch die jenseits der Versicherungspflicht, erfasst werden“, sagte Reimann dem Handelsblatt.
In der Koalition rechnet man für das kommende Jahr mit einem Defizit von acht Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung – und damit, dass das Finanzloch vollständig durch Beitragsgelder ausgeglichen wird, da Reformen oder neue Steuerzuschüsse nicht in Sicht sind.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sprach von einem „Ausgabenproblem“. „Reparaturmaßnahmen auf der Einnahmeseite lösen kein einziges Problem auf der Ausgabenseite“, teilte der Verband auf Anfrage mit.
Die Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes übt Kritik an dem Vorstoß von SPD und Grünen.
(Foto: IMAGO/Metodi Popow)
Wer die Beitragsbemessungsgrenze zum „politischen Spielball“ mache, meine eigentlich die Einführung der Bürgerversicherung. Es dürfe jetzt „keinen Ausverkauf des dualen Systems von privater und gesetzlicher Krankenversicherung“ geben. Krankenversicherungsbeiträge hätten bereits jetzt „den Charakter einer Sondersteuer auf Arbeit“.
Kritik an steigenden Pflegebeiträgen
Unmut gibt es bei Arbeitgebern und Krankenkassen auch wegen der anstehenden Pflegereform. Zum 1. Juli soll der allgemeine Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung um 0,35 Prozentpunkte angehoben werden. Jetzt liegt er bei 3,05 Prozent des Bruttolohns und für Menschen ohne Kinder bei 3,4 Prozent.
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„Die aktuelle Beitragserhöhung ist nur deshalb notwendig geworden, weil sich der Bund weigert, seine eigenen Rechnungen zu begleichen“, kritisieren die Vorsitzenden des Verwaltungsrats des GKV-Spitzenverbands, Susanne Wagenmann und Uwe Klemens, gegenüber dem Handelsblatt anlässlich der Anhörung am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestags.
Allein 5,3 Milliarden Euro Coronakosten seien vom Bund nicht erstattet worden, zudem müsse die Pflegeversicherung jährlich 3,5 Milliarden Euro für die Rentenbeiträge pflegender Angehöriger aufbringen. „Der Bund schuldet damit den Versicherten knapp neun Milliarden Euro“, sagten Wagenmann und Klemens. „Diese Leistungen haben nichts mit der Pflegeversicherung zu tun und sind durch Bundesmittel auszugleichen.“
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