Berlin Der von der Union geforderte Cum-Ex-Untersuchungsausschuss rückt näher. Ein Rechtsgutachten der Bundestagsverwaltung schmettert rechtlichen Bedenken der SPD ab. Damit könnte der Untersuchungsausschuss noch vor der Sommerpause starten.
Der Untersuchungsausschuss soll beleuchten, ob der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister 2016 zulasten des Steuerzahlers Einfluss auf die Steuerbehörden genommen hat. Die SPD hatte verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet, weil ein Bundesgremium Geschehnisse auf Landesebene untersuchen soll.
Die Verfasserin schreibt in ihrem Kurzgutachten für den Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags zwar, dass der Bundestag nicht grenzenlos Vorgänge in den Ländern überprüfen dürfe. Dennoch sei die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtens.
„Eine Kontrolle des Handelns von Landesbehörden durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Bundestages ist verfassungsrechtlich nicht von vorneherein ausgeschlossen“, heißt es in dem Gutachten. Dies sei durchaus möglich, etwa zur „politischen Bewertung der Aufsichtstätigkeit der Bundesregierung.“
„Der Vermerk stützt unsere Rechtsauffassung“, sagt Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg. Konkret ginge es hier um den Vollzug von Steuerrecht des Bundes. Dabei fungierten die Länder nur als verlängerter Arm der Bundesverwaltung.
Untersuchungsausschuss bringt Ampel-Parteien in eine Klemme
„Der Bund kann zuletzt sogar Weisungen im Einzelfall erteilen – wie im Fall Hamburg ja auch geschehen“, sagte Middelberg. In dieser Konstellation muss der Bund und damit auch der Bundestag den Verwaltungsvollzug auch bis in die letzte Instanz überprüfen dürfen.“
Die Forderung der Union nach Einsetzung eines Cum-Ex-Untersuchungsausschusses bringt die Ampel-Parteien in eine Klemme. Nach Schätzungen haben Banken und Investoren die Steuerzahler in der Affäre um einen zweistelligen Milliardenbetrag geprellt, indem sie sich durch Tricksereien mehrfach vom Staat die Kapitalertragsteuer haben erstatten lassen. War es lange umstritten, ob das fragwürdige Vorgehen zwar illegitim, aber nicht illegal war, gibt es inzwischen höchstrichterliche Urteile, die das Vorgehen der Finanzbranche als unrechtmäßig erklärten.
>> Lesen Sie hier: Bundeskanzler Olaf Scholz gerät nach Aussagen im Untersuchungsausschuss weiter unter Druck
Auch die Hamburger Privatbank Warburg war in die Cum-Ex-Affäre verwickelt. Als die Finanzämter bundesweit zu Unrecht gezahlte Steuererstattungen zurückforderten, verzichtete einzig die Hamburger Steuerverwaltung 2016 auf eine Rückzahlung der Warburg-Bank für 2009 in Höhe von 47 Millionen Euro.
Ein Jahr später ging es um eine weitere Rückzahlung über 43 Millionen Euro. Sie wurde von der Hamburger Steuerverwaltung erst nach einer Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert. Scholz war zu dieser Zeit Hamburger Bürgermeister. Die Frage ist nun, ob eine Intervention aus der Politik die Steuerverwaltung auf einen Verzicht der Steuerrückzahlungen motivierte.
Politisch brisant wurde die Affäre auch dadurch, dass im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen Tagebucheinträge des damaligen Warburg-Chefs Christian Olearius auftauchten. Dort berichtete dieser von einem regen Austausch mit der Steuerverwaltung und zwei Treffen sowie einem Telefonat mit Scholz.
Grüne zeigen sich offen für Ausschuss
In Anhörungen vor dem Finanzausschuss des Bundestags und dem Untersuchungsausschuss in Hamburg verwies Scholz mehrfach auf Gedächtnislücken, was ihm die Opposition nie abnahm. Allerdings konnte niemand Scholz nachweisen, dass er tatsächlich intervenierte. Der Beweis fehlt.
Insbesondere die Grünen hatten sich in der Vergangenheit für eine Aufklärung des vielleicht größten Steuerskandals eingesetzt. Allerdings ist auch klar, dass die Union mit dem Untersuchungsausschuss vor allem das Ziel verfolgt, Kanzler Scholz im kommenden Wahlkampf unter Druck zu setzen.
>> Lesen Sie hier: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Chef der Kölner Staatsanwaltschaft
Den Grünen sind zudem die Minderheitenrechte im Parlament wichtig, laut denen die Opposition einen Untersuchungsausschuss einsetzen kann, wenn 25 Prozent der Abgeordneten diesen fordern. So hatten etwa die Grünen zusammen mit der FDP versucht, in einem Untersuchungsausschuss den Wirecard-Skandal aufzuklären.
Bei den Grünen zeigt man sich daher offen für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – unter der Bedingung, dass dieser verfassungsgemäß ist. Einen Antrag dementsprechend zu formulieren, sei aber keine so große Schwierigkeit, hieß es.
Mehr: Olearius muss vor Gericht – Anklage gegen langjährigen Chef der Warburg Bank zugelassen
<< Den vollständigen Artikel: Cum-Ex-Skandal: Steuer-Untersuchungsausschuss gegen Scholz wohl rechtens >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.