May 11, 2023
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Fernsehauftritt bei CNN: „Sie haben eine Agenda“ – der Abwehr-Wahlkampf von Trump

Written by Annett Meiritz

Washington Sekunden, bevor Donald Trump die Bühne des Fernsehstudios von CNN betrat, erklärte Moderatorin Kaitlan Collins die Regeln des Abends. Sie war schnell damit fertig, denn „alles ist erlaubt, keine Frage ist tabu“, erklärte sie. Trump und sie hätten sich darauf geeinigt, dass „niemand von uns im Vorfeld Bedingungen stellt“.

Allerdings, soviel wurde in einer Stunde Bühnen-Diskussion klar, hätten ein paar Grundregeln nicht geschadet. Trump lästerte, er attackierte, er unterbrach ohne Pause. Er bezeichnete die demokratische Abgeordnete Nancy Pelosi als „crazy Nancy“ und Menschen, die Biden für den rechtmäßigen US-Präsidenten halten, als „sehr dumm“. All das passierte fast ohne Schranken, denn Moderatorin Collins kam gegen Trumps Redeschwall kaum an.

Trump war in Hochform und wirkte alles andere als geschwächt. Dabei sprechen aktuell viele Umstände gegen den Ex-Präsidenten, der sich zum dritten Mal in Folge für die US-Republikaner zum Präsidentschaftskandidaten küren lassen will. Seit April muss er sich in einem Strafprozess mit 34 Anklagepunkten verantworten, und in dieser Woche sprach ihn eine Jury in einem Zivilprozess wegen sexueller Nötigung für schuldig.

Trump ist damit der einzige Ex-Präsident in der Geschichte der USA, der jemals von einem Gericht verurteilt wurde. Weitere Anklagen sind in Arbeit, einmal im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol, zum anderen wegen Hunderter Regierungsdokumente, die Trump aus dem Weißen Haus unrechtmäßig entwendet haben soll.

Trumps Wahlkampage entwickelt sich zu einem Dauer-Abwehrkampf gegen die Justiz. Und trotzdem – oder gerade deshalb – hat er nach jetzigem Stand wohl die besten Chancen, die Nominierung der Republikaner für sich zu entscheiden. Seine Umfragewerte und die Spenden an ihn stiegen zuletzt.

Entscheidende Phase des US-Wahlkampfs

Mit der CNN-Debatte tritt der US-Wahlkampf nun in eine entscheidende Phase ein. Biden bewirbt sich auf eine zweite Amtszeit, der Kandidat der Demokraten steht damit fest. Bei den Republikanern hingegen ist alles offen. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob die Unterstützung seiner Anhänger ausreicht, um Trump erneut die Nominierung seiner Partei zu sichern. Dann wäre Trump im November 2024 erneut der direkte Herausforderer von Biden, wie schon 2020.

Denkbar ist aber auch, dass der Rückhalt für Trump bröckelt und sich die Republikaner Alternativen zuwenden. Ron DeSantis, populärer Gouverneur von Florida, soll noch im Mai ins Rennen ums Weiße Haus einsteigen, Bewerberinnen wie die Ex-UN-Botschafterin Nikki Haley haben ihre Kampagnen bereits gestartet.

Doch der CNN-Auftritt ist auch ein Beleg dafür, dass derzeit niemand an Trump vorbeikommt. „Trump ist der Spitzenreiter der Republikaner, er muss bei uns auftreten“, sagte David Zaslav, Geschäftsführer der CNN-Muttergesellschaft Warner Bros. Discovery, im Vorfeld.

Der Sender richtete das Gespräch im Townhall-Format aus, mit überwiegend republikanischem Publikum in New Hampshire. Im Ostküsten-Bundesstaat entscheiden Vorwahlen mit darüber, wen die Republikaner zum Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen aufstellen.

Kapitolsturm

Am 6. Januar 2021 stürmten Anhänger Trumps das Kapitol in Washington.


(Foto: Reuters)

In der Theorie ist gegen ein großes Interview mit Trump, live und ungefiltert, nichts einzuwenden. In der Praxis aber bot ihm das Format einfach nur eine größere Bühne und forderte ihn wenig heraus. „Ich brauche keine Zettel, von denen ich ablesen kann, im Gegensatz zu einer gewissen anderen Person“, sagte Trump über Biden.

Ansonsten fasste er seine inhaltliche Botschaft in einem Satz zusammen: „Die Wirtschaft rauscht ab, die Inflation ist hoch, die Grenze zu Mexiko ist eine Katastrophe und der Afghanistan-Abzug war einer der peinlichsten Momente in der Geschichte der USA“. Ein drohender Zahlungsausfall der USA, so Trump, bereite ihm keine schlaflosen Nächte. „Dann haben wir vielleicht einen schlechten Tag, eine schlechte Woche“, erklärte er.

Und die Europäische Union, kritisierte Trump, zahle viel zu wenig für die Unterstützung des Ukrainekriegs. „Sie nutzen uns aus, wie so viele“, prangerte Trump an, der in seiner Amtszeit gedroht hatte, aus der Nato austreten zu wollen.

„Wenn ich Präsident bin, habe ich diesen Krieg in 24 Stunden beendet. In 24 Stunden wäre der Krieg vorbei“, behauptete Trump im CNN-Townhall. Moderatorin Collins versuchte, Trump darauf festzunageln: Wer den Krieg für sich entscheiden würde, Russland oder die Ukraine? Der Ex-Präsident wich aus: „Ich will einfach nur, dass das Sterben aufhört. Und dass Europa mehr zahlt. Sie haben genug Geld, sie sollten gleichziehen“.

„Eine Katze oder ein Hund namens Vagina“

Seit dem Wahlkampf 2016 hatte Trump nicht mehr mit CNN zusammengearbeitet. Der Sender wird von Trump sonst als Speerspitze eines „linken Mobs“ verdammt, er nannte CNN bereits häufig „das Headquarter für Fake News“ und rief seine Anhänger auf, den Sender zu boykottieren. Doch Trumps ehemaliger Stammsender Fox News steht nicht mehr uneingeschränkt an seiner Seite und übertragt nur noch selten dessen Massenkundgebungen. Republikanische Konkurrenten wie DeSantis, Haley und der Biotech-Unternehmer Vivek Ramaswamy bekommen hingegen viel Sendezeit.

Dass Trump CNN für seine TV-Premiere im aktuellen Wahlkampf aussuchte, wurde von einigen Strategen als Versuch gewertet, ein breiteres Publikum ansprechen zu wollen. Davon war im Studio allerdings wenig zu spüren. Stellenweise wirkten Trumps Monologe wie eine Serie von Postings auf seinem sozialen Netzwerk „Truth Social“, nur eben im Videoformat.

E. Jean Carroll

Erst diese Woche wurde Trump durch eine Jury wegen sexueller Nötigung an der Journalistin schuldig gesprochen.

(Foto: IMAGO/UPI Photo)

„Ich habe keine Ahnung, wer diese Frau ist“, sagte er etwa über die Publizistin E. Jean Carroll, der er nach dem Schuldspruch wegen sexueller Nötigung fünf Millionen Dollar zahlen muss. Das Publikum klatschte und feuerte Trump an.

Carroll, spottete Trump habe „eine Katze oder einen Hund namens Vagina gehabt“, behauptete er und verwandelte die Zivilklage in eine Stand-up-Nummer. Es stimme doch, dass Frauen „alles mit sich machen lassen“, wenn sie einem mächtigen Mann gegenüber stünden, bekräftigte er. „Reiche und berühmte Menschen haben einen Vorteil, das gilt seit einer Million Jahren“, so Trump. „Er werde sich „für die Wahrheit nicht entschuldigen“.

>> Lesen Sie hier: Kommentar: Trump ist verwundbar – aber nicht wegen eines einzelnen Schuldspruchs

Moderatorin Collins war extrem gut vorbereitet, immer wieder hakte sie ein, konfrontierte Trump mit Fakten und gab ihm trotzdem Raum zum Antworten. Und doch schien sie machtlos, weil Trump kaum auf Einwände einging. Fünfzehn Minuten verwendete er auf den Vorwurf, dass die Wahlen von 2020 gestohlen seien und er niemals seine Anhänger zum Sturm auf das Kapitol angestiftet habe.

Der 6. Januar 2021 sei „ein wunderschöner Tag“ gewesen, er habe „nur eine Rede gehalten“, erklärte er. „Mr. President…“, versuchte es Collins, „Mr. President…es gibt keine Beweise, dass die Wahlen gestohlen sind“. Trump redete über sie hinweg. „Es gibt keine Beweise, das müssen Sie ja sagen. Sie haben eine Agenda“, sagte er unter Applaus.

Bei Szenen wie diesen wurde deutlich, warum noch immer mehr als dreißig Prozent der republikanischen Basis zu Trump halten. Eine Zahl, die unter Umständen ausreicht, um ihm die Nominierung zu sichern. Für seine Anhänger ist er noch immer der „Wutbürger in Chief“, den nichts zu erschüttern scheint, kein Impeachment, keine Anklagen, keine Prozesse. Und eben auch keine kritischen Fragen.

Mehr: Jobs für Joe – wie der US-Präsident die Industrie zurück ins Land holt



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