Berlin Maike Schaefer macht kein Geheimnis daraus, was Bremens Bürgerinnen und Bürger vor der Landtagswahl am Sonntag beschäftigt. Man werde vor allem mit Fragen nach der Heizungstausch-Politik im Bund konfrontiert, sagte die Spitzenkandidatin der Grünen dem Handelsblatt. „Die Wärmepumpe ist derzeit eines der häufigsten Themen.“
Die Menschen seien verunsichert. „Viele denken, dass sie ab 1. Januar 2024 ihre Heizung austauschen müssen.“ Das sei natürlich nicht der Fall. „Wir betreiben also sehr viel Aufklärungsarbeit.“
Schaefer ist derzeit Senatorin des Ressorts Umwelt, Verkehr und Bauen.
Sie ist überzeugt davon, dass die Debatten um den umstrittenen Gesetzentwurf zum Umstellen auf das Heizen mit nichtfossiler Energie den Grünen in Bremen im Wahlkampf nicht geholfen haben – ähnlich wie die jüngsten Vorwürfe von angeblicher Vetternwirtschaft im Wirtschaftsministerium ihres Parteikollegen Robert Habeck.
Nach einer Reihe von Landtagswahlerfolgen steht die Partei in Deutschlands kleinstem Bundesland vor herben Verlusten. Bei der Wahlwiederholung in Berlin konnte die Partei im Februar ihr gutes Ergebnis aus dem Jahr 2021 sichern, in Niedersachsen das Ergebnis fast verdoppeln, in Nordrhein-Westfalen sogar verdreifachen.
In Bremen hingegen liegen die Grünen je nach Umfrageinstitut zwischen zwölf und 13 Prozent, während sie 2019 bei 17,4 Prozent landeten. Sie stehen damit vor dem schlechtesten Ergebnis seit 20 Jahren. „Alle Parteien sind vom Bundestrend abhängig“, sagt Schaefer. „Ich rechne also fest damit, dass sich die Debatten in Berlin auf das Wahlverhalten in Bremen auswirken.“
Kommunikation „nicht optimal gelaufen“
Den Gesetzentwurf zum Umstellen auf das Heizen mit nichtfossiler Energie haben Wirtschafts- und Bauministerium gemeinsam erarbeitet; die Pläne stammen aber maßgeblich aus dem grün geführten Wirtschaftsministerium.
Die Kommunikation zu den neu geplanten Regeln ist nach den Worten Schaefers „nicht optimal gelaufen“. Das Gesetz sei richtig, aber es habe für große Verunsicherung gesorgt. „Man hätte sofort erklären müssen, wie die Menschen mit Förderprogrammen unterstützt werden.“
„Die Landtagswahl in Bremen ist ein Stimmungstest für die Grünen“, sagte der Politikexperte Thomas Poguntke dem Handelsblatt. „Der starke Gegenwind, den die Ampelkoalition derzeit erhält, wird einen Einfluss auf das Ergebnis haben.“ Die Personalie um Habecks Staatssekretär Patrick Graichen sei höchst unglücklich für die Partei, die sich eine moralisch einwandfreie Politik auf die Fahne geschrieben hat.
Das zeigte sich zuletzt auch in den Umfragewerten Habecks, der so unbeliebt wie noch nie in seiner Amtszeit ist. Nur noch 30 Prozent zeigten sich im ARD-Deutschlandtrend mit der Arbeit des Ministers zufrieden.
Geplantes Heizungsgesetz sei „handwerklich schlecht gemacht“
Im Januar waren es hingegen 44 Prozent, Habeck war hinter Außenministerin Annalena Baerbock zweitbeliebtester Politiker der Republik. Auch laut Poguntke haben das geplante Heizungsgesetz und der Streit in der Ampelkoalition einen Anteil daran. Das Gesetz sei handwerklich schlecht gemacht, sagte er. „Dafür werden sie in Bremen nun höchstwahrscheinlich die Quittung bekommen.“
Aber auch landespolitische Themen erschweren den Wahlkampf der Grünen. Traditionell ist die Partei in Bremen stark und seit 2007 durchgängig im Bündnis mit der SPD an der Landesregierung beteiligt – zuletzt in einer Dreierkoalition mit der Linken.
Spitzenkandidatin Schaefer verweist auf große Erfolge im Wohnungsbau und ein umfangreiches Klimapaket. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh lobt Bremen als „fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands“. Die Bremer Grünen, rät er, „müssen auf den letzten Metern vor der Wahl ihre Landeserfolge betonen“. Leider gebe es im Moment „viel Gegenwind für bündnisgrüne Politik“.
Damit spielt auch Taher Saleh auf die Kritik an den Heizungsplänen und die Debatten um den grünen Wirtschaftsminister und seinen Staatssekretär an, die das Ansehen der Grünen schwer belasten. Kritiker werfen aber auch den Grünen in Bremen verkehrspolitische Entscheidungen vor, die für viele Menschen ein Ärgernis sind.
>> Lesen Sie mehr: Verfolgen Sie hier alle aktuellen Entwicklungen in der Energiekrise im Newsblog
Zuletzt schaffte Verkehrssenatorin Schaefer die sogenannte Brötchentaste ab, mit der Autofahrer 20 Minuten kostenfrei in der Innenstadt parken durften. Schaefer selbst ist deswegen im Grünen-Landesverband nicht unumstritten. Ihre politische Zukunft gilt als ungewiss, sollte das Ergebnis schlecht ausfallen.
Habeck will an Graichen festhalten
Trotz dieser Bremen-spezifischen Themen dürfte es der Grünen-Führung im Bund schwerfallen, nach deutlichen Verlusten das Ergebnis am Sonntagabend schönzureden. Der Partei droht eine heftige Debatte um Fehler in den vergangenen Wochen, der sich auch Habeck nicht entziehen kann.
„Es braucht einen Befreiungsschlag, damit sich der Wirtschaftsminister aus der Defensive herausarbeiten kann – etwa indem er Graichen entlässt“, sagt Politikexperte Poguntke. „Habeck hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er zur Not auch Fehler korrigieren kann.“
Danach sieht es im Moment nicht aus. Im Gegenteil: Habeck hat betont, an Graichen festhalten zu wollen. Bei den Grünen überwiegt offenbar eher das Gefühl, verkannt zu werden. Habeck selbst räumt Fehler bei der Besetzung des Chefpostens der Deutschen Energieagentur ein, spricht aber auch von „wüster Debatte“, andere Grünen-Politiker von „Kampagnen gegen den Klimaschutz“.
>> Lesen Sie mehr: Grünen-Chef im Interview – Omid Nouripour sieht Fehler seiner Partei im Streit um Heizungstausch
Ungemach droht den Grünen auch bei den Kommunalwahlen am Sonntag in Schleswig-Holstein. Grund ist der Streit innerhalb der Ampelkoalition um einen schnelleren Ausbau der Autobahn 23 im Norden Deutschlands.
Mehr: Habeck hält trotz Trauzeugen-Affäre an Patrick Graichen fest
<< Den vollständigen Artikel: Filz-Vorwürfe: Grüne unter Druck: Bremen-Wahl wird zum Stimmungstest für die Partei >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.