May 19, 2023
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Wahl in Griechenland: So will Mitsotakis die Parlamentswahl für sich entscheiden

Written by Gerd Höhler

Athen In der Villa Maximos, dem Amtssitz des griechischen Regierungschefs an der Athener Herodes-Attikus-Straße, trifft man Kyriakos Mitsotakis in diesen Tagen nur selten an. Der Premierminister ist ständig auf Tour, zwischen Makedonien im Norden und Kreta im Süden. Jeden Tag absolviert Mitsotakis mehrere Kundgebungen.

Am 21. Mai wählen die Griechinnen und Griechen ein neues Parlament. Seit vier Jahren regiert Mitsotakis mit seiner konservativen Nea Dimokratia (ND). Am kommenden Sonntag sucht der 55-Jährige ein Mandat für eine zweite Amtszeit.

In den jüngsten Umfragen liegt die ND zwar mit sechs bis sieben Prozentpunkten vor der größten Oppositionspartei Syriza, dem „Bündnis der radikalen Linken“. Aber dass Mitsotakis sein Wahlziel – die absolute Mehrheit im nächsten Parlament – bereits am Sonntag erreicht, ist unwahrscheinlich.

Sein Gegenspieler ist ein alter Bekannter: Alexis Tsipras. Der 48-jährige Syriza-Chef war bereits von 2015 bis 2019 Regierungschef, bis ihn Mitsotakis bei der Wahl vor vier Jahren ablöste. Jetzt hofft Tsipras auf eine Rückkehr in die Villa Maximos.

Ein Machtwechsel hätte massive Folgen für die griechische Wirtschaft. Tsipras plant milliardenschwere Sozialprogramme und hat umfangreiche Verstaatlichungen im Energie- und Bankensektor angekündigt.

Das verspricht Mitsotakis

Mitsotakis verspricht „weniger Steuern, neue Jobs und bessere Einkommen“. Die Kosten ihres Wahlprogramms beziffert die ND auf 8,9 Milliarden Euro bis 2027. Der Mindestlohn, den die Regierung in ihrer ersten Amtszeit von 650 auf 780 Euro angehoben hat, soll in den nächsten vier Jahren auf 950 Euro steigen.

Alexis Tsipras

Der 48-jährige Syriza-Chef war bereits von 2015 bis 2019 Regierungschef.


(Foto: Reuters)

Der Premier mahnt auf seinen Kundgebungen die Zuhörer, die Wahl werde darüber entscheiden, „ob Griechenland weiter vorangeht auf dem Weg des Fortschritts, des Aufschwungs, der Stabilität und des nationalen Selbstvertrauens oder ob wir zurückkehren in die Ära der Misere, der hohen Steuern, zu einem Griechenland, das in Europa und der Welt nichts zählte“.

Das ist eine Anspielung auf Tsipras, der das Land 2015 mit seinem Konfrontationskurs gegenüber den internationalen Gläubigern an den Abgrund der Staatspleite führte. Heute steht Griechenland ganz anders da.

Beim Wirtschaftswachstum lag es in den vergangenen zwei Jahren in der Spitzengruppe der EU-Staaten. Die Arbeitslosenquote ist laut Statistikbehörde Elstat auf dem niedrigsten Stand seit 13 Jahren. Die Inflation lag im April mit drei Prozent deutlich unter dem Durchschnitt der Euro-Zone von sieben Prozent. Statt eines erwarteten Defizits in der Primärbilanz des Haushalts, die den Schuldendienst ausklammert, erwirtschaftete der Athener Finanzminister laut Finanzministerium im vergangenen Jahr einen Überschuss.

Kein anderes EU-Land hat seine Schuldenquote in den vergangenen drei Jahren so drastisch zurückgeführt, um 35 Prozentpunkte. Die ausländischen Direktinvestitionen stiegen Elstat zufolge 2022 gegenüber dem Vorjahr von 5,3 auf 7,2 Milliarden Euro.

Auch bei der Digitalisierung machte Griechenland schnelle Fortschritte: Die Zahl der elektronischen Transaktionen zwischen Bürgern und Behörden wuchs dem Ministerium für Digitale Verwaltung zufolge von neun Millionen im Jahr 2018 auf 1,2 Milliarden im vergangenen Jahr.

Die Erfolgsbilanz wird überschattet

Aber die Erfolgsbilanz wird überschattet. Eine Abhöraffäre brachte Mitsotakis im vergangenen Jahr in Erklärungsnot. Der griechische Geheimdienst belauschte Dutzende Unternehmer, Journalisten und Politiker, darunter Nikos Androulakis, den Vorsitzenden der drittgrößten Parlamentspartei Pasok. Mitsotakis beteuerte, davon nichts gewusst zu haben – obwohl er sich gleich nach seiner Wahl 2019 den Geheimdienst direkt unterstellte.

Anfang Februar offenbarte ein schweres Zugunglück mit 57 Toten Missstände beim staatlichen Bahn-Netzbetreiber OSE. Der Verkehrsminister trat zurück. Mitsotakis spricht von „Fehlern, aus denen wir lernen müssen“.

Athen

Die Umsetzung von Tsipras’ Wahlversprechen soll nach eigenen Berechnungen von Syriza in den nächsten vier Jahren 22 Milliarden Euro kosten.

(Foto: IMAGO/ANE Edition)

Der Premier will am Sonntag die absolute Mehrheit verteidigen, mit der er in den vergangenen vier Jahren regierte. Aber davon ist seine ND mit Umfragewerten von rund 35 Prozent weit entfernt. Gewählt wird erstmals nach einem reinen Verhältniswahlrecht, das die Regierung Tsipras 2016 einführte.

>> Lesen Sie hier: Wie Kartenzahlungen Griechenland beim Schuldenabbau helfen könnten

Danach braucht eine Partei für die absolute Mehrheit der Mandate mindestens 48 Prozent der Stimmen. Die Regierung Mitsotakis hat zwar 2020 das Wahlrecht erneut geändert. Die Gesamtzahl der Mandate ist laut Verfassung auf 300 festgelegt. Davon können laut Reform bis zu 50 als Bonus an die stärkste Partei gehen, abhängig von ihrem Stimmenanteil.

Doch Wahlrechtsänderungen gelten laut griechischer Verfassung erst jeweils für die übernächste Wahl. Mitsotakis setzt deshalb auf einen zweiten Urnengang, der ihm die absolute Mehrheit bescheren könnte. Die Neuwahl könnte Anfang Juli stattfinden.

Teure Wahlversprechen

Es sei denn, Tsipras gelingt es, nach der Wahl am Sonntag mit Duldung linker Splitterparteien eine Minderheitsregierung mit der sozialdemokratischen Pasok zu bilden. Der Syriza-Chef wirbt bereits um die Unterstützung der Partei MeRA25 seines früheren Finanzministers Yanis Varoufakis und der stalinistischen Kommunisten. Bei ihnen hatte Tsipras in den 1990er-Jahren seine politische Karriere begonnen.

Eine Rückkehr der radikalen Linken an die Macht wäre vor allem in der Wirtschafts- und Finanzpolitik ein tiefer Einschnitt für das Land. Tsipras will eine der vier systemischen Banken verstaatlichen.

Auch den größten Stromversorger des Landes DEI, die Wasserwerke und den Energiekonzern Helleniq Energy will Syriza unter staatliche Kontrolle bringen. Ob die privaten Aktionäre entschädigt oder enteignet werden sollen, ist unklar.

Den Wählern verspricht Tsipras subventionierte Energietarife, niedrigere Mehrwertsteuern auf Lebensmittel, einen Inflationsgleich für die Beschäftigten im Staatsdienst, höhere Renten und großzügige Steuerfreibeträge. Zur Gegenfinanzierung will Tsipras die Unternehmensgewinne und Wohlhabende stärker besteuern.

>> Lesen Sie hier: Griechenland baut LNG-Infrastruktur massiv aus – doch Experten warnen vor Übertreibung

Die Umsetzung dieser Wahlversprechen soll nach eigenen Berechnungen von Syriza in den nächsten vier Jahren 22 Milliarden Euro kosten. Die Regierung beziffert die tatsächlichen Kosten auf über 80 Milliarden Euro. Das entspräche 38 Prozent des letztjährigen BIP. Mitsotakis warnte jetzt in einem TV-Interview: „Wenn Tsipras auch nur die Hälfte dessen umsetzt, was er verspricht, ist Griechenland in einem Monat zahlungsunfähig.“

Mehr: Premier Mitsotakis muss um seine Mehrheit fürchten



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