Paris Auf dem Pariser Autosalon im vergangenen Oktober suchten die Newcomer aus China die große Bühne: Während viele etablierte Autobauer der Messe fernblieben, stellten chinesische Elektroauto-Hersteller wie BYD und Great Wall Motors in der französischen Hauptstadt ihre Modelle vor.
Emmanuel Macron zeigte sich schon damals besorgt: „Wir müssen aufwachen“, mahnte der französische Präsident. Die Europäische Union, „die tugendhafteste Region beim Klimaschutz“, müsse die eigene Autoindustrie bevorzugen. Schließlich täten das die USA und die Chinesen auch. Nötig sei ein „Buy European Act“.
Doch die europäischen Partner nahmen die Forderung nicht auf, vor allem Berlin lehnte Macrons weitreichende Ideen für eine wehrhaft-protektionistische Industriepolitik ab. Sieben Monate später preschte der französische Staatschef nun auf nationaler Ebene vor und kündigte an, die französische Kaufprämie für Elektroautos künftig vom CO2-Ausstoß bei der Produktion abhängig zu machen. In China hergestellte Fahrzeuge wären damit von dieser Subvention faktisch ausgeschlossen.
„Wir werden als erstes europäisches Land die Kriterien für die Förderung von Elektroautos reformieren“, sagte Macron. „Das ist eine kleine Revolution.“ Die Zuschüsse sollen künftig „gezielter“ ausgezahlt werden, um die Produktion von Batteriezellen und E-Autos in Europa zu stärken. Der Präsident warnte: „Wir dürfen nicht die gleichen Fehler machen wie bei der Solarindustrie“, die in Europa massiv gefördert worden und dann nach China abgewandert sei.
In seiner Rede vor rund 400 Wirtschaftsvertretern stellte der Präsident am Donnerstag die Eckpunkte eines Gesetzes zur Förderung der „grünen Industrie“ vor. Eine besondere Bedeutung hat für Macron die Fertigung von Elektroautos.
Weitere Gigafactory soll entstehen
Am Freitag reist er ins nordfranzösische Dunkerque, wo eine weitere „Gigafactory“ für Batteriezellen entstehen soll. Die chinesische Konkurrenz stellt aus Sicht des Präsidenten nicht nur eine Gefahr für die Zukunft europäischer Autohersteller dar, sondern auch für seinen ambitionierten Plan einer Reindustrialisierung des Landes.
Mit Unbehagen wurde in der französischen Regierung aufgenommen, dass 40 Prozent der staatlichen Zuschüsse für den Kauf eines E-Autos im ersten Quartal des Jahres auf aus China importierte Fahrzeuge entfielen.
Der französische Staat fördert den Kauf eines vollelektrischen Autos mit 5000 Euro. Die Unterstützung wird allerdings nur für Fahrzeuge gezahlt, die weniger als 47.000 Euro kosten. Bislang war es in Frankreich wie beim deutschen Umweltbonus unerheblich, aus welchem Land und von welchem Hersteller das geförderte Elektroauto kommt.
Macrons Industriegesetz, das in der kommenden Woche vom Kabinett in Paris verabschiedet werden soll, wird die bei der Produktion der Elektroautos verursachten Emissionen als Kriterium einführen.
Details zu der Frage, wie der reformierte Bonus genau aussehen wird und ab wann die Förderung entfällt, sind bislang nicht bekannt. Sicher ist aber: China, das 60 Prozent seines Stroms aus Kohle produziert, wird die Kriterien nicht erfüllen.
Verbrennerverbot in der EU
Im Élysée-Palast wird auf das Verbrennerverbot in der EU verwiesen: Europa habe sich entschieden, ab 2035 keine neuen Autos mit Diesel- oder Benzinmotoren zuzulassen und investiere massiv in die Dekarbonisierung.
„Die Frage, die sich angesichts dieses sehr starken Engagements stellt, ist, ob man mit Fördermaßnahmen weiter Autos und die Produktion aus Ländern finanziert, die unsere Regeln nicht respektieren“, sagte ein Berater von Macron.
Wichtig sei, dass auch beim Bau von Elektrofahrzeugen klimafreundliche Energien eingesetzt werden. „Das Schlimmste wäre, Produkte aus Ländern zu importieren, deren Energieversorgung noch viel CO2 verursacht.“
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An diesem Punkt setzt die französische Regierung an, um zu vermeiden, dass der Vorstoß als regelwidrige Handelsbarriere eingestuft wird. Denn mit der offensichtlich gegen China gerichteten Einschränkung der Subventionen von Elektroautos riskiert Macron nicht nur Ärger mit der Welthandelsorganisation, sondern auch wettbewerbsrechtlichen Einspruch der EU-Kommission.
In französischen Regierungskreisen führt man den im März von der Kommission vorgelegten „Net Zero Industry Act“ als mögliche rechtliche Grundlage an. Die EU gibt sich dort das Ziel, bis zum Jahr 2030 40 Prozent des jährlichen Bedarfs an sauberen Technologien selbst zu produzieren.
Kann das Vorhaben europarechtlich sauber umgesetzt werden?
In der Bundesregierung wird dagegen bezweifelt, dass das Vorhaben europarechtlich sauber umgesetzt werden kann. Macrons Vorschläge seien hin und wieder „gewöhnungsbedürftig“, hieß es im Umfeld von Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Hinter den Plänen vermutet man in Berlin auch den Wunsch des französischen Präsidenten, dass sich die EU im 21. Jahrhundert selbstbewusst als dritter wirtschaftlicher und geopolitischer Machtblock neben den USA und China positioniert. Scholz hingegen setzt auf eine möglichst enge transatlantische Bindung. Er will nicht den Eindruck erwecken, dass die EU die USA und China gleichermaßen als Rivalen sieht.
Die Auswirkungen des Gesetzesvorhabens aus dem Élysée auf die großen deutschen Autobauer dürften indes gering sein. Denn die meiste Produktion ist lokal in Europa angesiedelt. So produziert Deutschlands größter Autobauer VW etwa nahezu ausschließlich in China für China. Einzig mit dem Modell Tavascan der sportlichen Seat-Marke Cupra weicht der Konzern erstmals von dieser Linie ab und vermarktet ein in China produziertes Auto auch in Europa.
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Zwar kommen Komponenten wie beispielsweise die Batterien in Elektroautos in vielen Fällen durchaus von chinesischen Herstellern, allerdings werden auch diese teilweise in Europa gefertigt. Marktführer CATL plant zusammen mit Mercedes eine Batteriezellfabrik in Ungarn, in einem Werk in Thüringen fährt das Unternehmen außerdem gerade die Produktion hoch. Stärker betroffen könnte der US-Hersteller Tesla sein, der seine in Europa verkauften Model 3 in Shanghai fertigen lässt.
Bedürfnisse der französischen Autoindustrie im Blick
Macron hat mit seinem Vorstoß insbesondere die Bedürfnisse der französischen Autoindustrie im Blick, für die der chinesische Markt verglichen mit den großen deutschen Herstellern eine eher geringe Bedeutung hat.
Renault will bis zum Jahr 2030 in Europa zur reinen Elektroauto-Marke werden. Auch beim internationalen Autokonzern Stellantis, Heimat der französischen Traditionsmarke Peugeot und Citroën, sieht man die Konkurrenz aus China als Problem.
Auf einer Branchenveranstaltung in Bochum warnte Stellantis-Chef Carlos Tavares jüngst vor einem Abzug der Autoindustrie nach Fernost.
Der CEO, in dessen Verantwortungsbereich auch Marken wie Opel, Fiat und Chrysler fallen, sagte: „Die Kernfrage ist: Können wir in Europa mit einem Geschäftsmodell und einer Preisstruktur angreifen, die sich von der des chinesischen Wettbewerbs unterscheidet? Oder müssen wir uns notwendigerweise an diese Kostenstrukturen anpassen“ – was ein Preisdumping bedeuten würde und in der Folge die Bedeutung der hiesigen Industrieproduktion bedrohe.
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Wenn sich nichts ändere, so Tavares, „werden wir in zehn Jahren chinesischen und amerikanischen Touristen Kaffee servieren“, andere Wirtschaftszweige wären dann tot. Der Manager sieht, dass die Politik in Europa gegenlenke – worauf auch der Pariser Vorschlag hindeutet. Das dürfte jedoch in seinem Sektor dazu führen, dass individuelle Mobilität in Zukunft in Europa „deutlich teurer“ werde. Das wiederum treibe die Inflation. „Es ist ein schwieriger Kreislauf.“
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