Berlin Die Pläne der EU-Kommission, große Technologiekonzerne an den Kosten der Internetinfrastruktur zu beteiligen, stoßen auf massiven Widerstand bei deutschen Verbraucherschützern.
Brüssel gefährde mit der Idee einer europäischen Datenmaut für Onlinedienste wie Netflix, Youtube oder Meta das offene und freie Internet, sagte die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Ramona Pop, dem Handelsblatt. „Die negativen Folgen für Verbraucherinnen und Verbraucher, Wettbewerb und Netzneutralität müssen schwerer wiegen als die Gewinnabsichten der Telekommunikationsindustrie.“
Tatsächlich geht es um die Frage, wer dafür zahlen soll, wenn wenige große Internetkonzerne durch ihre Angebote den Großteil des Datenverkehrs nutzen. Europäische Netzbetreiber wollen schon seit Jahren Plattformen mit hohem Datendurchsatz zur Kasse bitten. Jüngst startete die EU ein Konsultationsverfahren für ein sogenanntes Datenmautgesetz. Die Frist für Stellungnahmen läuft am Freitag ab.
Die Verbraucherschützer verweisen in einer eigenen Stellungnahme auf die Erfahrungen in Südkorea, wo es eine Art Datenmaut bereits seit 2016 gibt. Das Land sei ein „Negativbeispiel für regulatorische Eingriffe“, heißt es in dem Papier, das dem Handelsblatt vorliegt. Endnutzer sähen sich mit höheren Kosten für die Breitbandnutzung konfrontiert. Zudem reduzierten einige Onlinedienste die Qualität ihrer Streamingdienste, um Netzentgelte zu sparen.
Die Verbraucherschützer geben in ihrer Stellungnahme zudem zu bedenken, dass bisher auch nicht habe belegt werden können, dass ein Marktversagen durch die Einführung von Netzgebühren behoben werden könne. „Insofern gibt es objektiv gesehen keinen Regulierungsbedarf für Netzgebühren.“
Die fünf größten Online-Dienste verursachen angeblich rund 55 Prozent des Datenverkehrs
Kritisch sieht der VZBV außerdem, dass der Fragenkatalog der EU-Kommission zu dem Konsultationsverfahren „wenig Ansatzpunkte für die Verbraucherperspektive“ liefere. Das lasse vermuten, dass die Kommission ihre Pläne für eine Datenmaut „ohne Rücksicht auf Verluste umsetzen möchte“, sagte Pop. „Verbraucherinteressen spielen quasi keine Rolle.“
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Für die EU steht im Vordergrund, dass „alle Marktteilnehmer, die vom digitalen Wandel profitieren“, einen „fairen und verhältnismäßigen Beitrag“ zur Infrastruktur leisten sollen. So steht es in der „Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen für die digitale Dekade“, die im November 2022 veröffentlicht wurde. Der Fragenkatalog zu den Datenmautplänen bezieht sich darauf. Telekomunternehmen sehen darin eine Chance, beim Ausbau ihrer Datenleitungen finanziell unterstützt zu werden.
Die EU-Konsultation zu dem Thema gibt der Telekombranche Hoffnung, ans Ziel zu kommen. Die Provider behaupten, die fünf größten Onlinedienste verursachten rund 55 Prozent des Datenverkehrs. Das koste europäische Netzbetreiber etwa 15 Milliarden Dollar jährlich, hieß es im Februar auf der Messe „Mobile World Congress“ in Barcelona.
EU-Industriekommissar Thierry Breton wies zuletzt auch ganz im Sinne der Telekommunikationskonzerne darauf hin, dass schnelles Internet hohe Investitionen benötige. „Deshalb gehen wir der wichtigen Frage nach, wer für die nächste Generation der Verbindungsinfrastruktur zahlen sollte, einschließlich der Frage, ob Onlineplattformen diese Investitionskosten mit den Telekommunikationsbetreibern teilen sollten.“
Vorbehalte äußerte allerdings auch die deutsche Monopolkommission, die die Bundesregierung und den Bundestag bei der Wettbewerbspolitik und der Regulierung berät. Man halte einen regulatorischen Eingriff, der eine Zahlung der Onlinedienste an die Netzbetreiber erzwinge, „gegenwärtig für nicht gerechtfertigt“, heißt es in einem Papier.
Es lägen keine Hinweise dafür vor, dass ein Umverteilungsmechanismus zwischen Diensteanbietern wie Netflix oder Youtube und Netzbetreibern die Marktsituation verbessern könne. „Gleichzeitig könnte ein derartiger Eingriff Wettbewerbsverzerrungen verursachen. Zudem sind ausreichend finanzielle Mittel für den Festnetz- und Mobilfunknetzausbau vorhanden.“
In der Ampelkoalition herrscht ohnehin Einigkeit darüber, dass die Brüsseler Pläne gegen das Prinzip der Netzneutralität verstoßen. Das heißt, dass alle Daten im Internet unabhängig von Herkunft, Inhalt und Ziel gleichbehandelt werden müssen. Wenn nun einige Großkonzerne für die von ihnen gesendeten Daten eine Gebühr zahlen müssten, würde das womöglich die Neutralität aushöhlen.
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