May 12, 2023
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Wahl in Bremen: Bremer Wahlsieger ist der neue linke Rockstar der SPD

Written by Martin Greive

Berlin Andreas Bovenschulte lässt es gern krachen. Der Bremer Bürgermeister schmettert schon mal mit Gitarre vor den Ministerpräsidentenkollegen Queen-Songs. Ein bisschen Liebe zum Punk aus Jugendzeiten sei auch noch da, sagt er.

Inzwischen ist Bovenschultes Job die Sachlichkeit der Politik, gerockt hat er am Sonntag dennoch – zumindest aus Sicht der SPD die Wahl in Bremen. Bovenschulte und seine SPD holten bei der Wahl im kleinsten Bundesland laut Hochrechnungen von 22 Uhr am Sonntag 29,2 Prozent, 4,3 Prozent mehr als 2019.”Die Nummer Eins in Bremen – das sind wir”, ruft Bovenschulte kurz nach der ersten Umfrage um 18 Uhr in die Mikrofone und verspricht, “das ganze Land im Blick zu behalten”.

Der 57-Jährige bleibt Bürgermeister und Bremen mit einiger Wahrscheinlichkeit die letzte linke Bastion in Deutschland, da Bovenschulte seine bisherige Koalition mit Grünen und Linken – die erste in einem westdeutschen Bundesland – rechnerisch fortsetzen kann. Und die relativ geräuschlos regierte.

Gestärkt durch den Wahlsieg, könnte Bovenschulte künftig auch in der Bundespolitik eine stärkere Rolle spielen. Denn der 57-Jährige brachte der SPD das, was die Partei nach der jüngsten Wahlschlappe in Berlin so dringend brauchte: einen Wahlsieg.

Bovenschulte gelang dabei das Kunststück, sich gegen den negativen Trend der SPD im Bund zu stemmen. Zwar ist Bremen seit jeher eine rote Hochburg. Die SPD regiert hier ununterbrochen seit 1945, das schwache Ergebnis vor vier Jahren mit knapp 25 Prozent galt als Ausrutscher.

Andreas Bovenschulte

Der SPD-Politiker stimmte auch im Wahlkampf Musik an.


(Foto: dpa)

Aber beeindruckend ist der Sieg dennoch. Laut einer Bremer SPD-Faustregel lagen die Sozialdemokraten in der Vergangenheit maximal zehn Prozentpunkte über den Umfragen im Bund. Das hat Bovenschulte dieses Mal wieder erreicht. Was an Bovenschultes Kandidatenfaktor, aber auch an der Schwäche der Grünen liegt.

SPD-Linke wie Bovenschulte haben bei Wahlen oft weniger Erfolg

Seit vier Jahren regiert der promovierte Jurist im Bremer Rathaus. Die Koalitionsverhandlungen hatte er 2019 noch seinem Vorgänger Carsten Sieling (SPD) überlassen, der sich dann allerdings zurückziehen musste, um der SPD trotz der Wahlschlappe die Macht zu sichern.

Normal tritt ein Bremer Bürgermeister in der Bundespolitik eher wenig in Erscheinung, in der Coronapandemie wurde Bovenschulte aber zum gefragten Interviewpartner. Bremen galt lange als Spitzenreiter beim Impfen, Schülerinnen und Schüler wurden schneller als anderswo mit Tablets für den Distanzunterricht ausgestattet.

Bovenschulte ist ein Parteilinker, die als SPD-Spitzenkandidaten bei Wahlen oft wenig gut abschneiden. Der Vater zweier Töchter wiederholte aber nicht den Fehler seiner Berliner Parteifreunde. Die hatten aus Bovenschultes Sicht viel zu wenig die wirtschaftlichen Erfolge der Hauptstadt herausgestellt.

Unentwegt betonte Bovenschulte im Wahlkampf deshalb, kein Bundesland sei zuletzt so stark gewachsen wie das strukturschwache Bremen mit seiner immer noch vergleichsweise hohen Arbeitslosigkeit. Das habe es seit 50 Jahren nicht mehr gegeben.

Künftig wolle er mit seiner Partei die Themen Wirtschaft und Arbeit noch stärker in den Mittelpunkt rücken, kündigte Bovenschulte an. Das sei “die Grundlage, sozialen Zusammenhalt herzustellen und die anderen Politikfelder finanzieren zu können”. 

Genüsslich reichte Bovenschulte wenige Tage vor der Wahl auch eine Umfrage herum, die ihm mehr Wirtschaftskompetenz zuschrieb als seinem Gegenkandidaten von der CDU, Frank Imhoff.

Frank Imhoff

Der CDU-Kandidat konnte sich nicht gegen Andreas Bovenschulte durchsetzen.


(Foto: dpa)

Schon kurz vor der Wahl hat Bovenschulte eine aus seiner Sicht wesentliche Weiche für die Zukunft der Hansestadt gestellt. Als einziges Bundesland zog Bremen in diesem Jahr noch einmal die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse, um so drei Milliarden Euro Schulden extra machen zu können.

Mit dem Geld will Bovenschulte die Folgen des Ukrainekriegs eindämmen, vor allem aber in die Zukunft des Stadtstaats finanzieren, um Klimakrise und Transformation bewältigen zu können. Die Aktion ist umstritten. Bovenschulte habe damit „die Weichen Richtung Handlungsunfähigkeit des Bundeslandes durch Überschuldung“ gestellt, kritisiert die Opposition. Ökonomen sehen es ähnlich.

>> Lesen Sie hier: Wie die Bundesländer immer höhere Schuldenberge auftürmen

Trotz Kritik wie dieser hätte der erste Wahlkampf als Spitzenkandidat für Bovenschulte kaum besser laufen können. „Bovi“, wie Bovenschulte seit Kindertagen genannt wird, war nicht nur wegen seiner Größe von knapp zwei Metern kaum zu übersehen. “Bovi-Power für Bremen” lautete sein Slogan, auf den SPD-Wahlplakaten war vornehmlich sein Konterfei zu sehen, auch ein „Bovi“-Magazin wurde gedruckt und an die Haushalte verschickt.  

In Umfragen bescheinigten 76 Prozent der Bürger  Bovenschulte gute Arbeit, 60 Prozent wünschten sich ihn auch als künftigen Regierungschef. Bovenschulte punktete, seine Koalition allerdings nicht. Die war laut Umfragen ziemlich unbeliebt.

Bovenschulte profitierte bei Bremen-Wahl von Schwäche der Grünen

Doch Bovenschulte bekam ordentlich Wahlhilfe von den Grünen. Das Chaos um die Heizungswende und die Affäre im Bund um Robert Habecks Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen drehten das Bild von den Grünen als „die Guten“. Viele, die zuvor ihr Kreuz bei den Grünen gemacht hatten, liefen in Bremen zur SPD über.

Aus Bovenschultes Studentenzeiten ist ein erster Auftritt im Bremer Rathaus überliefert. Mit Mitstreitern versuchte er, die Verleihung der Ehrendoktorwürde an einen Mercedes-Manager zu verhindern. Die Studierenden wurden rausgeworfen.

Wahlplakat der SPD

Andreas Bovenschulte konnte die Wählerinnen und Wähler überzeugen.


(Foto: Reuters)

Inzwischen hat Bovenschulte ein anderes Verhältnis zum Autobauer. Mercedes ist der größte private Arbeitgeber in der Stadt. Und Bovenschulte selbst wird nicht mehr aus dem Rathaus geworfen, sondern sitzt dort als Bremer Bürgermeister jetzt ganz fest im Sattel.

Mehr: Grüne geraten zwischen die Klimaschutzfronten



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