Berlin Bei der Landtagswahl in Bremen ist die SPD ersten Prognosen zufolge stärkste Kraft geworden. Die Sozialdemokraten unter Amtsinhaber Andreas Bovenschulte, 57, lagen stand 18 Uhr demnach bei 29,5 Prozent (plus 4,6 Prozent).
Zweitstärkste Kraft wurde die CDU (25,5 Prozent, minus 1,2), die mit Herausforderer Frank Imhoff den Prognosen nur knapp unter ihrem Vorwahlergebnis liegt. Die FDP liegt bei 5,5 Prozent (minus 0,4 Prozent) und wird wohl wieder in die Bürgerschaft einziehen. Die Linke erreicht 10,5 Prozent (minus 0,8 Prozent) und die Bürger in Wut kommen auf 10,5 Prozent (plus 8,1 Prozent). Die AfD war wegen Formfehler nicht zur Wahl zugelassen.
Bovenschulte regiert in Bremen in einer rot-rot-grünen Koalition, für die es weiterhin eine Mehrheit gäbe – trotz deutlicher Verluste der Grünen, die bei 12,5 Prozent landen. 2019 waren es noch 17,4 Prozent. Traditionell ist die Partei im kleinsten deutschen Bundesland eher stark und seit 2007 durchgängig im Bündnis mit der SPD an der Landesregierung beteiligt.
Nach einer Reihe von Landtagswahlerfolgen dürfte das Ergebnis auch die Bundes-Grünen nicht zufriedenstellen. Schließlich waren es nicht nur Bremen-spezifische Themen, die die Bürgerinnen und Bürger am Sonntag an die Wahlurne brachten.
Die Grünen stehen sowohl für die Debatten um den umstrittenen Gesetzentwurf zum Umstellen auf das Heizen mit nicht fossiler Energie als auch angesichts jüngster Vorwürfe der angeblichen Vetternwirtschaft im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck in der Kritik.
Bremen-Wahl dürfte die Grünen die kommenden Tage beschäftigten
Das zeigt sich auch in den Umfragewerten Habecks, der so unbeliebt wie noch nie in seiner Amtszeit ist. Nur noch 30 Prozent zeigten sich im „ARD-Deutschlandtrend“ mit der Arbeit des Ministers zufrieden. Im Januar waren es noch 44 Prozent – und Habeck hinter Außenministerin Annalena Baerbock (ebenfalls Grüne) zweitbeliebtester Politiker der Republik.
Die Wärmepumpe sei das „häufigste Thema“ an den Wahlkampfständen gewesen, sagte Grünen-Spitzenkandidatin und Verkehrssenatorin Maike Schaefer, 51, vor der Wahl. Die promovierte Biologin ist auch Stellvertreterin von Bürgermeister Bovenschulte. Aber auch sie machte sich im Wahlkampf unbeliebt – unter anderem mit unglücklichen verkehrspolitischen Entscheidungen. Zuletzt schaffte sie die sogenannte Brötchentaste ab, mit der Autofahrer 20 Minuten kostenfrei in der Innenstadt parken durften.
Trotz dieser Bremen-spezifischen Themen dürfte das Wahlergebnis auch die Grünen-Führung im Bund in den nächsten Tagen und Wochen beschäftigen. Der Partei droht eine heftige Debatte um Fehler in den vergangenen Wochen, die auch die Ampelkoalition im Bund weiter belasten dürfte.
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Bundesumweltministerin Steffi Lemke sprach im Vorfeld der Wahl bereits von kommunikativen Fehlern ihrer Partei in der Klimaschutzpolitik. Auf eine Frage nach den gesunkenen Umfragewerten der Grünen sagte sie der „Bild am Sonntag“, man spüre die Klimaschutzmaßnahmen im Alltag. Zugleich räumte sie ein, das sei auch die Phase, „wo wir als Grüne nicht sofort den richtigen Ton getroffen haben, mehr und besser hätten erklären müssen“.
Laut dem Politikwissenschaftler Thomas Poguntke sind die Grünen in Bremen auf ihre „Kernwählerschaft geschrumpft“. Die Partei müsse nun die richtigen Schlüsse ziehen und Kritik zulassen. „Es wird offenbar von den Wählern abgestraft, Maximalziele in den Raum zu stellen, obwohl die Umsetzung fraglich ist“, sagte er dem Handelsblatt.
Pragmatismus half der SPD
Als Beispiel nannte er das Heizungsgesetz. „Zu teuer, keine Fachkräfte, offene Finanzierung – diese Kritikpunkte von Verbänden stießen bei den Grünen zuerst auf taube Ohren“, sagte er. „Das hat wohl auch damit zu tun, dass die Politik im Wesentlichen von Netzwerken aus dem eigenen Umfeld gemacht wird.“
Die Partei müsse sich deswegen anderen Meinungen und anderen Interessen öffnen. „Sie muss die Geschwindigkeit bei klimapolitischen Vorhaben zurückfahren und besser kommunizieren“, so Poguntke. Klimaschutz ohne Rückhalt in der Bevölkerung halte man nicht lange durch.
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Dass die SPD sich in diesen Fragen zuletzt pragmatischer positionierte als die Grünen, könnte ihr bei der Wahl am Sonntag geholfen haben. Das Ergebnis dürfte im Kanzleramt als Bestätigung gesehen werden – zumal die Sozialdemokraten noch den Absturz bei der Landtagswahl in Berlin zu verkraften haben.
Auch die FDP blickte gebannt nach Bremen. Die Liberalen haben seit der Bundestagswahl 2021 in den Ländern eine Niederlagenserie hinter sich: zweimal aus dem Parlament geflogen, einmal den Einzug verpasst, zweimal stark an Stimmen eingebüßt. Das hat die Stimmung in der Berliner Ampelkoalition enorm gereizt.
Denn in der Folge suchten die Freidemokraten mehr und mehr nach Profilierung und Abgrenzung von ihren Koalitionspartnern im Bund, zuerst im Streit um die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke, dann in der Verkehrs- und auch in der Haushalts- und Steuerpolitik.
Die Spitzenkandidaten bei der Wahl in Bremen
Im Vorfeld war noch ein knappes Rennen zwischen Amtsinhaber Bovenschulte und seinem CDU-Herausforderer Imhoff erwartet worden. Bovenschulte regiert seit vier Jahren als Bürgermeister und Präsident des Senats in Bremen.
Nach einer SPD-Wahlschlappe 2019 überließ er die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linkspartei noch seinem Vorgänger Carsten Sieling, um dann das Spitzenamt zu übernehmen. Der promovierte Jurist, geboren 1965 in Hildesheim, war von 2010 bis 2013 auch Vorsitzender der SPD in Bremen; er gilt als Parteilinker.
Im Wahlkampf betonte er vor allem seinen Amtsbonus als Bürgermeister. Die CDU hielt der SPD wiederum die schlechte Lage an den Bremer Schulen vor, die in Bildungsvergleichen oft hinten liegen.
Herausforderer Imhoff ist eine Ausnahme in der Hansestadt mit ihrer Tradition von Seefahrern und Kaufleuten. Der 54-Jährige ist gelernter Landwirt und betreibt mit seiner Familie in fünfter Generation einen Bauernhof.
Der Bremischen Bürgerschaft gehört er seit 1999 an. Er war dort Vizepräsident und übernahm 2019 als erster Vertreter der CDU das Amt des Präsidenten. Imhoff trat für eine CDU als moderne Großstadtpartei ein, die sich um Bildung, Integration und Klimaschutz kümmert.
Eine Besonderheit der Bremen-Wahl war, dass die AfD sich mit internen Streitigkeiten die Teilnahme verbaut hatte. Dafür sind allerdings die Umfragewerte der rechtspopulistischen Wählervereinigung Bürger in Wut (BiW) gestiegen. Viele AfD-Wähler wollten ihre Stimme nun der BiW geben, analysierte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Vorfeld der Wahlen.
In Bremen und Bremerhaven waren mehr als 450.000 Wahlberechtigte aufgerufen, das Landesparlament, die Bremische Bürgerschaft, neu zu bestimmen. Im Wahlkampf hat sich der Zwei-Städte-Staat sehr auf sich konzentriert.
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Das Land steckt voller Widersprüche. Die Häfen, das weltweit zweitgrößte Mercedes-Werk und Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt machen Bremen zum starken Wirtschaftsstandort. Zugleich ist die Arbeitslosigkeit hoch, viele Menschen sind auf Sozialhilfe angewiesen. Das Bremer Schulsystem belegt in Studien meist die hinteren Plätze. Und das Land sitzt auf hohen Schulden.
Die Bremerinnen und Bremer wünschen sich Verbesserungen – auch das ergeben Umfragen. Doch es ist in dem grundsätzlich links orientierten Land schwer abzusehen, welche Machtkonstellation etwas Neues versuchen könnte.
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