May 15, 2023
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Geopolitik: Melonis China-Dilemma: Bleibt Italien Teil von Pekings Seidenstraße?

Written by Christian Wermke

Rom Kevin McCarthy wollte in Rom nicht nur über die „exzellenten bilateralen Beziehungen“ zwischen den USA und Italien sprechen. Auf seiner ersten Reise als frisch gewählter Sprecher des US-Repräsentantenhauses hatte der Republikaner auch einen eindringlichen Wunsch an die Regierung in Rom, der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni unter Druck setzt: Italien ist das einzige G7-Land, das Chinas Seidenstraßen-Initiative beigetreten ist – und soll das Abkommen nach Willen der Amerikaner so schnell wie möglich wieder verlassen.

Die Belt-and-Road-Initiative (BRI) ist ein gigantisches Infrastrukturprojekt, das China 2013 ausgerufen hat. Bislang haben mehr als 150 Länder ihre Zusammenarbeit signalisiert, allein innerhalb der EU gibt es 14 Abkommen. China geht es um Investitionen in die Bereiche Energie, Technologie und Infrastruktur. In Italien schielt das Land vor allem auf Häfen und große Bauaufträge.

Die USA standen der Initiative von Beginn an skeptisch gegenüber, nannten sie „Schuldenfallen-Diplomatie“, weil China sich durch Investitionen in die Infrastrukturen vieler Staaten einkauft. Aber auch in Deutschland und Frankreich war das Unverständnis groß, als das damals in Italien regierende Populistenbündnis aus linken und rechten Parteien im Jahr 2019 eine Absichtserklärung unterschrieb.

Meloni hat in ihrer Rechtskoalition bislang eine klare außenpolitische Linie gefahren: proeuropäisch und transatlantisch, Bekenntnis zu Nato und Ukraine. Ihre rechtspopulistische Partei Fratelli d’Italia stimmt sich eng mit den USA ab.

Schon vor der Wahl im September erklärte die Ministerpräsidentin Italiens BRI-Beitritt zum „großem Fehler“ – und das ausgerechnet im Interview mit einer taiwanesischen Nachrichtenagentur. Schon am Wochenende, wenn sich die G7-Staaten in Japan treffen, könnte Meloni eine finale Entscheidung verkünden. Laut Medienberichten soll sie McCarthy signalisiert haben, dass ihre Regierung einen Ausstieg favorisiere.

Zweifel im italienischen Außenministerium

Doch dabei geht ein Riss durch die Koalition, Zweifel gibt es ausgerechnet im Außenministerium. „Offenbar befürchten italienische Diplomaten, die Meloni umgeben, dass China sich für einen Ausstieg rächen könnte“, sagt Francesco Galietti von der Politikberatung Policy Sonar. Aus dem Ministerium, angeführt von Forza-Italia-Vize Antonio Tajani, ist zu hören, dass China ein wichtiger Gesprächspartner bleibe und man den Dialog pflegen müsse. Die rechte Lega, deren Parteichef Matteo Salvini eine Freundschaft zu Russland nachgesagt wird, hält sich beim Thema Seidenstraße bedeckt.

Matteo Salvini

Der Lega-Chef hat bisher unklar gelassen, wie er zu Chinas Seidenstraßenprojekt steht.

(Foto: AP)

Der Ökonom Lorenzo Codogno sieht die Regierung „hin- und hergerissen“ zwischen der Versuchung, die Seidenstraße aus geopolitischen Gründen einseitig zu kappen, und dem Wunsch, eine wichtige Wirtschaftsbeziehung pragmatisch fortzusetzen. Doch die Zeit drängt: Ende des Jahres verlängert sich das Abkommen automatisch um vier Jahre. Und neben den USA erwarten auch die anderen G7-Parter ein deutliches Signal.

Italien steckt in einem Dilemma: China ist für das Land einer der wichtigsten Handelspartner, knapp neun Prozent der Importe kommen von dort. Die italienischen Ausfuhren nach China machten zuletzt immerhin 2,6 Prozent aus.

Auf der anderen Seite herrscht in Rom die Angst vor feindlichen Übernahmen. Unter Melonis Vorgänger Mario Draghi wurden alle Seidenstraßen-Projekte eingefroren. Stattdessen nutzte Italien die „Golden Power“-Regel, um den Kauf eines Mikrochipherstellers und die Übernahme des Lastwagenherstellers Iveco zu verhindern. „Wir können nicht ein Alliierter der USA sein und gleichzeitig in der Seidenstraßen-Initiative bleiben“, erklärte jüngst Stefano Stefanini, ehemaliger italienischer Botschafter bei der Nato.

Melonis Balanceakt zwischen Wirtschaft und Geopolitik

Dabei gibt es schon heute enge Verflechtungen: Dem chinesischen Stromversorger State Grid Corporation gehören 35 Prozent des italienischen Netzbetreibers CDP Reti, der Beteiligungen am Pipelinekonzern Snam, dem Gasversorger Italgas und dem Stromnetzbetreiber Terna hält. Seit 2016 ist die chinesische Reederei Cosco zu 40 Prozent an einem kleinen Hafen in Ligurien beteiligt.

Wir können nicht ein Alliierter der USA sein und gleichzeitig in der Seidenstraßen-Initiative bleiben. Stefano Stefanini, ehemaliger italienischer Botschafter bei der Nato

Für Meloni ist das alles ein Balanceakt. Kurz nach ihrem Amtsantritt reiste sie zum G20-Gipfel nach Bali und erklärte Chinas Präsident Xi Jinping, dass sie ein Interesse an der „Förderung der gegenseitigen wirtschaftlichen Interessen“ habe. Die Seidenstraße erwähnte sie damals explizit nicht. Xis Einladung zum Antrittsbesuch hat Meloni noch immer nicht angenommen. Wohl auch, weil sie nicht mit leeren Händen nach Peking kommen will.

Eine Lösung könnte sein, das Abkommen zwar zu bestätigen, aber strategisch sensible Bereiche wie Energie, Telekommunikation und wichtige Technologien auszuklammern. Italien würde damit für Geschäfte mit China offen bleiben, was große Teile der Wirtschaft fordern. „Es wäre ein Versuch, das richtige Gleichgewicht zwischen Geschäftsinteressen und der nationalen Sicherheit zu wahren“, sagt Codogno.

Einen kompletten Abbruch der Beziehungen hält er für problematisch. Und das nicht nur für Italien selbst, sondern auch wegen der zunehmenden Spaltung des Welthandels in zwei Blöcke.

Mehr: Chinas Seidenstraße schwächelt – mit diesen Projekten fordert Europa Peking nun heraus



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