Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz dringt auf eine grundlegende Reform internationaler Institutionen, um die Benachteiligung von Schwellen- und Entwicklungsländer zu beseitigen. Man müsse sich nicht wundern, dass Länder wie Indien, Vietnam oder Südafrika die Verurteilung der russischen Invasion der Ukraine in den Vereinten Nationen nicht unterstützten, sagte der SPD-Politiker am Montag in Berlin.
Diese Regierungen stellten nicht etwa Grundsätze der internationalen Ordnung infrage. „Was ihnen zu schaffen macht, ist deren ungleiche Anwendung“, sagte er. „Sie erwarten Repräsentation auf Augenhöhe. Sie erwarten ein Ende der westlichen Doppelmoral.“
Scholz forderte, das vor allem afrikanische Länder künftig über die Afrikanische Union stärker bei den G20 repräsentiert sein müssten und auch ständige Sitze im UN-Sicherheitsrat brauchten. Deutschland pocht seit Jahrzehnten zusammen mit Brasilien, Südafrika und Japan auf eine Reform des höchsten UN-Gremiums, in dem nur die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs einen ständigen Sitz haben.
Bisher wollen vor allem die USA, Russland und China ihre Vetorechte nicht aufgeben. Scholz lud afrikanische Staaten zu einem „Compact with Africa”-Gipfel am 20. November in Berlin ein.
Der Kanzler kritisierte zudem Thesen über eine angebliche Entwicklung zu einer bi- oder tripolaren Welt um die USA, China und eventuell die EU. „Jede funktionierende internationale Ordnung muss den multipolaren Charakter der Welt widerspiegeln“, betonte er. „Die uni- oder bipolare Welt von gestern mag – wenigstens für die Mächtigen – leichter zu gestalten gewesen sein“, fügte er hinzu. „Sie ist aber nicht länger die Welt, in der wir leben.“ Er nahm US-Präsident Joe Biden in Schutz: Auch dieser strebe keine bipolare Welt an.
Kontakte knüpfen im Fokus
Scholz hat seit Beginn seiner Amtszeit als Kanzler 2021 Kontakte mit Schwellen- und Entwicklungsländern zunehmend in den Fokus der deutschen Außenpolitik gestellt. In der deutschen G7-Präsidentschaft hatte er 2022 Indien, Argentinien, Südafrika und Indonesien als sogenannte Outreach-Länder zum Treffen der wichtigsten westlichen Industriestaaten eingeladen.
Scholz mahnte am Montag an, dass sich gerade frühere Kolonialmächte bewusst sein müssten, wie präsent die Erfahrungen der Kolonialzeit in vielen Staaten des globalen Südens auch heute noch seien. Deshalb reiche es nicht, sich einmal zu entschuldigen. Man müsse generell die Einstellung ändern und wirklich gleichberechtigte Beziehungen anstreben.
Der Kanzler hält auch die internationale Finanzordnung für reformbedürftig und erwähnte ausdrücklich die Weltbank als wichtigster Entwicklungsbank. „Es gibt die Notwendigkeit, über die globale Finanzordnung zu diskutieren“, sagte er. Scholz forderte, dass in die Verhandlungen über Staatsverschuldung der Entwicklungsländer neben den westlichen Kreditgebern auch andere Staaten einbezogen werden müssten, die Geld verleihen.
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China erwähnte Scholz nicht namentlich. „Es gibt zu viel Geld, das nicht für sehr sinnvolle Investitionen und Regierungsaktivitäten genutzt wird“, betonte er aber. Für die Entwicklung gerade Afrikas sei es notwendig, mehr privates Geld zu aktivieren.
Es sei zudem im Interesse rohstoffreicher Staaten, wenn man ihnen helfe, ihre Produkte noch im eigenen Land zu verarbeiten. Dies schaffe mehr Wohlstand in den Herkunftsländern und reduziere die Abhängigkeit der Industriestaaten von nur „einer Handvoll Ländern“. Hintergrund ist, dass etwa China in großem Maßstab aus aller Welt Lithium importiert, um es dann verarbeitet wieder zu exportieren.
Auf dem G7-Gipfel in Japan wird es Ende der Woche darum gehen, wie die Abhängigkeit von Ländern wie China reduziert werden kann.
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