Berlin Deutschlands Viertklässler schneiden bei der Lesekompetenz deutlich schlechter ab als Gleichaltrige in anderen Ländern. In der aktuellen Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) landete Deutschland 2021 in der EU auf dem zwölften von 19 Plätzen. Der Abstand zu den Spitzenreitern Finnland und Polen beträgt rund ein halbes Schuljahr.
Die Untersuchung findet alle fünf Jahre statt. Dass Grundschüler in Deutschland immer schlechter lesen, ist schon seit 15 Jahren zu beobachten. Die Pandemie hat diesen Trend weiter verstärkt. Während der Pandemie war der Unterricht an 183 Tagen ganz oder teilweise ausgefallen – deutlich häufiger als in anderen Ländern.
Das deutsche Schulsystem scheitert zudem zunehmend daran, die Unterschiede zwischen den Schülern auszugleichen. Die Gruppe derer, die nicht das Rüstzeug für weiterführende Schulen mitbringen, wächst, die weit kleinere Gruppe guter und sehr guter Viertklässler schrumpft.
Dass mittlerweile ein Viertel der Viertklässler als leseschwach gilt, sei „alarmierend“, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).
Sie will ab 2024 gezielt 4000 Schulen mit besonders vielen benachteiligten Schülern mit einer Milliarde Euro jährlich fördern. Bund und Länder streiten aber noch über die Details des „Startchancen-Programms“.
Wachsender Migrantenanteil fordert das deutsche Schulsystem
Neben Corona fordert der wachsende Anteil an Migranten die Schulen heraus, womit aber andere Länder weit besser zurechtkommen. Die Leiterin der Iglu-Tests in Deutschland, Nele McElvany, fordert daher auch in Deutschland flächendeckende Sprachtests für Kita-Kinder und Pflichtkurse für diejenigen mit Defiziten, um die Chancen aller Erstklässler deutlich zu steigern.
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Auch die Autoren des „Nationalen Bildungsberichts“ hatten zuletzt scharf kritisiert, dass die Bundesländer nicht alle Vierjährigen auf ihre Deutschkenntnisse testen oder in dem Fall, dass sie Defizite feststellen, nicht verpflichtend fördern. Eine Förderung gibt es aktuell vor allem in Hamburg.
Wie bedeutend verbindliche Tests und eine darauf aufbauende, wissenschaftlich begründete, individuelle Förderung sind, zeigt das Beispiel Singapur. Der Inselstaat lag vor 20 Jahren bei Iglu noch hinter Deutschland, heute ist er internationaler Spitzenreiter. Experten zufolge ist der Widerstand in der deutschen Lehrerschaft gegen wissenschaftliche Methoden zur Leistungsmessung allerdings noch relativ hoch.
Grundschüler lesen weniger als in anderen Ländern
Eindeutig ist: Deutsche Grundschüler lesen im Unterricht weit weniger als Schüler in anderen Ländern. Pro Woche sind dafür in Deutschland laut Iglu im Schnitt 141 Minuten vorgesehen – EU-weit 194, OECD-weit sogar 205 Minuten. Deutsche Grundschüler lesen demnach zwar überdurchschnittlich gern, bekommen aber nicht genug Zeit zum Üben. „Das muss sich ändern“, sagte die neue Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Berlins neue Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU).
Sabine Döring, Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium, sieht zudem eine immer größere Konkurrenz zum Lesen, etwa durch elektronische Medien. Daneben drängen die Iglu-Autoren auf mehr und bessere Fortbildung der Grundschullehrkräfte, speziell mit Blick auf die Leseförderung.
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