Berlin Wenn Robert Habeck am Montag beim Wirtschaftstag des Wirtschaftsrates der CDU auftritt, erwartet ihn wohl ein deutlich kühlerer Empfang als bei seinem Auftritt vor einem Jahr. Damals empfingen die Manager und Familienunternehmer den Bundeswirtschaftsminister mit wohlwollendem Applaus. Als erster Grüner, der das Bundeswirtschaftsministerium eines Ludwig Erhard führt, sprach er auf der Bühne von der sozialen Marktwirtschaft.
Seitdem ist ein Regierungsjahr vergangen, das seitens Habeck geprägt war von Debatten um Übergewinnsteuern, Strompreisbremsen und den Grundsatz, den Kohlendioxid-Ausstoß trotz der Gefahr größerer wirtschaftlicher Nachteile weiter zu senken. Die Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, Astrid Hamke, rechnet für Montag daher mit weniger Wohlwollen für den Minister und schimpft: „Robert Habeck vertritt mit seinen engen Vorgaben eine gelenkte Staatswirtschaft.“
Da hilft es auch nicht, dass Habeck sich nach Wochen der Kritik in der Verwandtenaffäre nun doch von seinem Staatssekretär Patrick Graichen getrennt hat. Hamker sagt, Ludwig Erhard habe „nicht von Gängelung und Reglementierung geredet, sondern von Freiheit. Wir brauchen Freiheit, wir brauchen die Kultur des Ermöglichens. Ansonsten wird es nichts mit dem Wirtschaftswunder, das der Bundeskanzler versprochen hat.“
Olaf Scholz (SPD) wird zu Beginn des Wirtschaftstages reden – und auch er wird sich Kritik anhören müssen. Seine Zusicherung, dass der Staat bei steigenden Energiepreisen den Menschen immer zur Seite stehen werde, sei „das falsche Signal“, sagt Hamker
Zu den falschen Signalen zählt der Wirtschaftsrat auch die Ideen der CDU für eine Steuerreform. Im Rahmen ihres neuen Grundsatzprogramms debattiert die Partei, den Steuerverlauf zu glätten, den Soli abzuschaffen und dafür den Spitzensteuersatz zu erhöhen. „Steuererhöhungen passen nicht zur DNA der CDU“, sagt Hamker. „Wir fordern Steuersenkungen.“
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Frau Hamker, wie gut fühlt sich die Wirtschaft innerhalb der Bundesregierung vertreten?
Wir sind sehr ernüchtert und enttäuscht. Herr Habeck will entscheiden, welche Industrien er unterstützt, welche Energie wer nutzen darf.
Muss er das nicht, um die Klimaziele zu erreichen?
Wir unterstützen die Klimaziele. Aber Robert Habeck vertritt mit seinen engen Vorgaben eine gelenkte Staatswirtschaft. Wir wollen mit einem technologieoffenen und marktwirtschaftlichen Ansatz einen Wettbewerb der besten Ideen. Wenn Sie Ludwig Erhard heute fragen würden, wie er das Wirtschaftswachstum erzeugt hat: Er hätte nicht von Gängelung und Reglementierung geredet, sondern von Freiheit. Wir brauchen Freiheit, wir brauchen die Kultur des Ermöglichens. Ansonsten wird es nichts mit dem Wirtschaftswunder, das der Bundeskanzler versprochen hat.
Die CDU stellt sich inhaltlich neu auf und will Reiche stärker besteuern und Erbschaften pauschal. Unterstützt der Wirtschaftsrat das Ansinnen?
Das ist verkürzt dargestellt. Aber Steuererhöhungen passen nicht zur DNA der CDU. Wir lehnen Steuererhöhungen ab. Wir fordern Steuersenkungen.
Die CDU will Steuern bei den mittleren Einkommen senken und den Soli abschaffen – und dafür etwas mehr bei den Reichen nehmen. Was ist schlimm daran?
Wir unterstützen das Ziel, den sogenannten Mittelstandsbauch im Steuertarif abzuflachen. Leistungsträger müssen mehr Netto vom Brutto haben. Das ist längst fällig. Aber deswegen müssen Steuern nicht an anderer Stelle steigen. Der Staat hat doch kein Einnahmenproblem, wenn er bald schon eine Billion Euro Steuern im Jahr kassiert. Wir haben ein Ausgabenproblem. Außerdem finanzieren sich Steuersenkungen durch zusätzliches Wirtschaftswachstum selbst mit. Deswegen: Klares Nein zu höheren Steuern.
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Also auch ein Nein zur Idee einer Pauschalsteuer bei Erbschaften?
So eine Steuer würde doch vor jeder Wahl zu einem Überbietungswettbewerb führen, wie wir ihn beim Mindestlohn erleben. Wir müssen weiterhin berücksichtigen, dass am Betriebsvermögen Millionen Arbeitsplätze hängen. Ich sage Ihnen voraus: Wenn eine Verschlechterung bei der Erbschaftsteuer kommt, werden viele Unternehmen Deutschland den Rücken kehren.
Aber heute gilt: Wer wenig erbt, zahlt viel. Wer viel erbt, zahlt nichts. Ist das gerecht?
Wenn jemand Unternehmensanteile erbt, entsteht kein Einkommen. Vielmehr erklärt sich der Erbe für das Unternehmen und die Mitarbeiter verantwortlich – und das für mindestens zehn Jahre. Wollen wir dieses Engagement ernsthaft mit einer Steuer bestrafen? Ich halte es für gerecht, dass Erben Steuern zahlen, wenn sie der Verantwortung nicht nachkommen.
„Der Staat kann und muss nicht alles machen“
Der Vorsitzende der CDU heißt Friedrich Merz und war Ihr Vizepräsident im Wirtschaftsrat. Sind Sie angesichts solcher Vorschläge für das neue Grundsatzprogramm enttäuscht von ihm oder erkennen Sie an, dass er das große Ganze im Blick haben muss?
Natürlich sehen wir die Schuldenlast des Staates, wir sehen aber auch die hohen Ausgaben: Nehmen Sie nur die unzähligen Subventionen oder die immer neuen Stellen im Staat. Digitalisierung könnte Verwaltung weit effizienter machen. Und bei der Transformation frage ich mich: Warum wird nicht privates Kapital mobilisiert? Der Staat kann und muss nicht alles machen. Steuererhöhungen zu fordern ist nicht sonderlich kreativ.
Aber die Schuldenbremse soll weiter gelten?
Die Schuldenbremse muss bleiben, keine Frage. Wir sehen doch, wie es Staaten wie Italien geht, die sich daran nicht halten. Deshalb: Wenn Kanzler Olaf Scholz sagt: „You’ll never walk alone“, dann antworte ich: Keine Regierung der Welt kann so ein Versprechen einhalten. Die Wahrheit lautet: Der eingeschlagene Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft wird Geld kosten, viel Geld. Zu sagen, das Leben ist ohne Risiko, der Staat kümmert sich schon, ist schlichtweg das falsche Signal.
Der Kanzler verspricht grüne Wirtschaftswunderjahre. Drohen diese Jahre mit ihrem Signal nicht zu einem Konjunkturprogramm der extremen politischen Ränder zu werden?
Es gibt leider viele Menschen, die sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Die Wahl in Bremen hat es wieder gezeigt. Es ist der Auftrag an die CDU, ihr Profil wieder zu schärfen und an die FDP, ihr Profil aufrechtzuerhalten.
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Womit soll denn die CDU ihr Profil schärfen?
Durch ein eigenes klares wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Programm, das die Bürger vor eine Wahl stellt. So besorgt Menschen die Migration in die Sozialsysteme und die innere Sicherheit. Auch fühlen sich viele in ländlichen Regionen abgehängt und durch ideologisches Wunschdenken überfordert: Weder können sie den Nahverkehr nutzen noch eben mal die Heizung austauschen.
Höhere Erwartung an Friedrich Merz?
Die CDU hat zu alldem schon Papiere geschrieben, aber in den Umfragen stagniert sie. Haben Sie von Friedrich Merz mehr erwartet?
Bei den Umfragen ist sicher Luft nach oben. Klar ist: Die CDU muss über die 30-Prozentmarke kommen, um wieder regieren zu können. Friedrich Merz treibt die Regierung und hat dafür gesorgt, dass die Partei wieder diskutiert. Aber: Die CDU muss jetzt liefern und erklären, wofür sie steht, was ihr Markenkern ist. Der Dreiklang: Wirtschaftspolitik, Klimaschutz, Energiepolitik ist da ein guter Ansatz.
Wo bleibt das Soziale bei alldem?
Die Union muss ein Programm für Wachstum und mehr Arbeitsplätze in Deutschland vorlegen. So etwas ist der beste Weg, den Zusammenhalt zu stärken. Da gilt der alte Spruch von Ludwig Erhard: Sozial ist, was Arbeit schafft.
Frau Hamker, vielen Dank für das Gespräch.
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