Philipp war vor seiner Zeit in der Politik als Investor tätig. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums hält er noch immer Beteiligungen an vier Unternehmen, darunter Start-ups. Gleichzeitig kümmert er sich im Ministerium um Bereiche wie die Digital- und Innovationspolitik sowie Start-ups.
Die finanziellen Förderungen solcher Jungunternehmen verantwortet zwar mit Sven Giegold ein anderer Staatssekretär, bis Mitte Dezember 2022 war das jedoch auch Sache von Philipp.
Opposition und FDP halten diese Verflechtungen für zweifelhaft. Habeck muss am Mittwoch erneut im Bundestag im Wirtschaftsausschuss Fragen zu den Vorgängen in seinem Ministerium beantworten. Die Befragung wird Koalitionskreisen zufolge diesmal öffentlich stattfinden und sich insbesondere um Staatssekretär Philipp drehen.
Das Wirtschaftsministerium verteidigte Philipp im Vorfeld. Der Staatssekretär sei mit den Firmen, an denen er beteiligt ist, in seiner amtlichen Arbeit nicht befasst, „insbesondere nicht mit Entscheidungen, von denen sie finanziell profitieren würden“. Er sei zudem seit 2019 bei den Unternehmen „in keiner Weise aktiv und hat keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik“. Seine Anteile würden von Dritten verwaltet.
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Philipp habe die Beteiligungen gegenüber dem Ministerium angezeigt, obwohl er das gemäß den Regeln nicht hätte tun müssen, heißt es aus Habecks Ressort. Eins der vier Unternehmen sei vom Wirtschaftsministerium gefördert worden. Philipp sei an den Entscheidungen jedoch nicht beteiligt gewesen.
Staatssekretär engagierte sich als „Business Angel“
Nach Angaben des Ministeriums engagierte sich Philipp vor seinem Amtsantritt bei den vier kleinen Unternehmen als „Business Angel“. Das sind meist erfahrene Geschäftsleute, die jungen Start-ups mit Eigenkapital, Management-Erfahrung und Kontakten helfen.
In der Folge halte Philipp „geringe Minderheitsanteile ohne Einfluss auf die Geschäftspolitik“, er sei weder als Beirat noch als Aufsichtsrat aktiv, hieß es. Seine Vermögensverhältnisse habe er der ministeriellen Verwaltung gleich bei Amtsantritt mitgeteilt.
Die Beteiligungen von Philipp:
- Africa GreenTec AG (Hainburg), gegründet 2016, Anteile im Umfang von 4,1 Prozent. Hersteller von skalierbaren Solarcontainern für die Stromversorgung im ländlichen Afrika. Investoren: Green Climate Ventures.
- LMP SAS (Paris, Frankreich), gegründet 2014, Anteile im Umfang von 13,6 Prozent. Entwickler eines Datenverarbeitungssystems. Investoren: Arjo, Holnest, Kima Ventures, Odyssee Ventures, Xavier Niel.
- CSP GmbH & Co. KG, (Großköllnbach), gegründet 1991, Anteile im Umfang von 5,1 Prozent. Qualitätssicherungssoftware für die automatische und halbautomatische Fertigung. Investoren: EOS Partners (München).
- MST Group GmbH (München), gegründet 2009, Anteile im Umfang von 8,3 Prozent. Schulungs- und Seminarsoftware. Investoren: A W Brunn International, EOS Partners (München).
Selbst aus Kreisen ministeriumsinterner Kritiker hieß es, Philipps Fall sei von der Tragweite her nicht mit der Trauzeugen-Affäre seines Staatssekretär-Kollegen Graichen zu vergleichen. Dass Regierungsmitglieder an Unternehmen beteiligt sind, hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben.
Im Ministerium hält man den Fall Philipps und die Affäre um Graichen nicht für vergleichbar.
Die Frage ist bloß, wo die Grenze der Befangenheit überschritten ist und wie sich sicherstellen lässt, dass die Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten eingehalten werden. Genau das ist wegen fehlender Transparenz und interpretationsfähigen Regeln weitgehend ungeklärt.
Interessenkonflikte müssten transparent gemacht werden, sagte Aurel Eschmann von Lobbycontrol: „Ob und wie weit das bei Udo Philipp stattgefunden hat, können wir anhand der jetzigen Informationen nicht beurteilen.“
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Anders als Abgeordnete müssen Regierungsmitglieder ihre Beteiligung nicht offenlegen. Philipp hatte sein Portfolio erst öffentlich gemacht, als der Druck auf ihn gewachsen war, nachdem „Business Insider“ über seine Beteiligungen berichtet hatte.
Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP, hält das für problematisch: „Diese Auskunftspflicht sollte auf politische Spitzenbeamte wie Staatssekretäre ausgeweitet werden.“ Houben ist selbst Unternehmer.
Auch im Wirtschaftsministerium gibt es Kritik am Regelwerk und Philipps Umgang damit. Aus Ministeriumskreisen heißt es, es müsse dringend mehr Transparenz hergestellt werden. Es sei verwunderlich, dass Philipp seine Beteiligungen nicht von Anfang an öffentlich transparent gemacht habe, obwohl einige ihm das geraten hätten.
Grüne kritisierten Jens Spahn für Beteiligung scharf
Unternehmensbeteiligungen von Regierungsmitgliedern haben in den vergangenen Jahren immer wieder für Diskussionen gesorgt. Der heutige Fraktionsvize der Union, Jens Spahn (CDU), musste in seiner Zeit als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium harte Kritik einstecken. Er hatte sich 2017 am schwäbischen Start-up Pareton beteiligt, das Software für Steuererklärungen anbietet.
Spahn hatte nach eigenen Angaben 15.000 Euro investiert. Gleichzeitig war er Beauftragter der Bundesregierung für Fintechs, also junge Unternehmen, die Finanztechnologie entwickeln.
Der heutige Unions-Fraktionsvize hatte in seiner Zeit als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium in ein Start-up investiert.
Die damalige Grünen-Vorsitzende Simone Peter nannte Spahns Verhalten „hochgradig bedenklich und nicht akzeptabel“. Spahn verkaufte letztlich seine Anteile.
Dass das Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung Habecks die Beteiligungen von Staatssekretär Philipp für unproblematisch erachtet, hält Spahn für Doppelmoral.
Dem Handelsblatt sagte er: „Die Grünen legen sehr unterschiedliche Maßstäbe an, wenn sie selbst betroffen sind. Man wundert sich.“
Der heutige Wirtschaftsberater von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Jörg Kukies, verkaufte seine Beteiligungen an Start-up-Unternehmen als er im Jahr 2018 als Staatssekretär ins Bundesfinanzministerium wechselte.
Keine Transparenz und interpretationsfähige Regeln
Eine allgemeingültige, eindeutige Richtschnur, welche Beteiligungen in Ordnung sind und welche nicht, gibt es in der Bundesregierung nicht, oder sie ist zumindest nicht transparent.
„Es reicht nicht, wenn Interessenerklärungen intern abgegeben werden und Compliance-Vorschriften von den Ministerien selbst überprüft werden“, sagt Eschmann von Lobbycontrol. Für Toppositionen in der Politik sollten die Interessenerklärungen öffentlich abgegeben werden, wie es auch bei der EU-Kommission der Fall ist. Außerdem dürfe es nicht den Ministerien überlassen werden, sich selbst zu kontrollieren.
Es reicht nicht, wenn Interessenerklärungen intern abgegeben werden und Compliance-Vorschriften von den Ministerien selbst überprüft werden. Aurel Eschmann, Campaigner bei Lobbycontrol
Der fehlende Maßstab für den Umgang mit Beteiligungen zeigt sich auch eine Ebene tiefer in Habecks Wirtschaftsministerium. Der Leiter der Wärme-Abteilung, Christian Maaß, hat nach eigener Aussage alle seine mittelbaren und unmittelbaren Anteile am Hamburg Institut verkauft, das er vor seiner Zeit im Ministerium führte. Das schrieb Maaß in einer E-Mail an das Handelsblatt.
Dass für Maaß ein anderer Maßstab als für Philipp gilt, liegt laut einer Ministeriumssprecherin daran, dass das Hamburg Institut „im Kern“ den Themenbereich von Maaß betrifft. Das Institut entwickelt Konzepte für die Energiewende. „Daher musste hier, um Interessenkonflikte zu vermeiden, eine Trennung von den Anteilen erfolgen“, sagte die Sprecherin.
Philipps Vorgänger ist wieder Geschäftsführer
In einem anderen Fall war die Beteiligung aber wieder kein Problem. Philipps Vorgänger als Staatssekretär unter Peter Altmaier (CDU) war Ulrich Nußbaum. Seit 1998 ist er Gesellschafter des Fischgroßhandels SLH Sea Life Harvesting GmbH.
Schon in seiner Zeit als Finanzsenator Berlins hatte er sich operativ aus dem Unternehmen zurückgezogen, seine Frau führte währenddessen das Unternehmen.
Nußbaum hielt in seiner Zeit als Staatssekretär ebenfalls Anteile an einem Unternehmen.
Auch während seiner Zeit im Bundeswirtschaftsministerium hatte er keine operative Rolle in der Firma. Obwohl er unter Altmaier für Industrie- und Mittelstandspolitik und die maritime Wirtschaft zuständig war, wurde öffentlich keine Kritik an Nußbaums Unternehmensbeteiligung laut. Nach Ausscheiden aus dem Wirtschaftsministerium ist er im Februar 2022 wieder Geschäftsführer bei SLH geworden.
Mit Mitarbeit von Arno Schütze.
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