Berlin Die CDU will mit einer Reform des Steuersystems Deutschland als Standort modernisieren und dazu Unternehmen künftig unabhängig von ihrer Gesellschaftsform besteuern.
„Wir schaffen ein Unternehmensteuerrecht, das gesellschaftsformneutral ist“: Auf diese Formulierung für das neue Grundsatzprogramm hat sich die Parteiführung um Friedrich Merz auf ihrer Klausurtagung vergangene Woche festgelegt. Formelle Beschlüsse gab es beim Treffen im italienischen Cadenabbia allerdings nicht.
„Wir brauchen eine Agenda 2030 – für die gesamte Wirtschaft“, sagte der Leiter der Programmkommission, Parteivize Carsten Linnemann, am Montag. Vor einem Jahr hatte die Partei unter seiner Leitung die Grundsatzdebatte über eine inhaltliche Neuaufstellung begonnen.
Laut Linnemann soll die Partei den Blick auf das Wahljahr 2025 richten und Antworten auf die absehbaren Probleme geben: Babyboomer werden in Rente gegangen sein, womit neue Antworten auf die Altersvorsorge nötig sind. Fachkräfte aus dem Ausland sind nötig, da nicht nur in Schulen, Kitas und in der Pflege Mitarbeiter fehlen.
Den Standort gilt es zu stärken, um die Deindustrialisierung zu verhindern und ebenso die Schere zwischen Reich und Arm angesichts der Inflation nicht größer werden zu lassen. Geopolitisch dürfen Deutschland und Europa nicht mehr abhängig von einzelnen Staaten wie China sein.
CDU diskutierte bei der Klausurtagung 191 Thesen
191 Thesen waren es, die Parteichef Friedrich Merz nun mit seinen Stellvertretern und den Vorsitzenden der zehn Fachkommissionen von Donnerstag bis Samstag in der Tagungsstätte der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung am Comer See beriet. Die Villa La Collina war einst die Sommerresidenz von Konrad Adenauer (CDU), dem ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
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Wie es hieß, habe es „intensive Diskussionen“ gegeben. Die bisher erarbeiteten Papiere der Kommissionen seien auf Schwächen hin geprüft, einiges sei verworfen und wieder anderes in neue Arbeitsgruppen verwiesen worden.
Am ersten Tag habe die Gruppe von 14 bis 21 Uhr diskutiert, am Folgetag mit kleineren Pausen von acht bis 0.30 Uhr und am Abschlusstag von acht bis 11.30 Uhr. Die Atomsphäre sei „arbeitsintensiv, unfassbar konzentriert“ gewesen, berichteten Teilnehmer. Allein eine Partie Boccia sei zum Abschluss möglich gewesen – das war der Lieblingssport Adenauers. Für mehr Freizeit sei keine Zeit gewesen.
Die Runde habe allein zu dem im Vorfeld bekannt gewordenen Papier „Wohlstand und soziale Marktwirtschaft“ fast drei Stunden diskutiert. Die Kommission leitet der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU Jens Spahn. Sie hatte höhere Steuern für Menschen mit sehr hohem Einkommen erwogen und eine Pauschalsteuer auf Erbschaften.
Dies hatte zu hitzigen Debatten geführt. So hatte die Vorsitzende des Wirtschaftsrats der CDU, Astrid Hamker, die Pläne abgelehnt und erklärt, der Staat habe kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem. „Steuererhöhungen passen nicht zur DNA der CDU“, sagte sie dem Handelsblatt. „Wir fordern Steuersenkungen.“
CDU will höhere Steuern für Einkommensmillionäre
Es habe „Änderungen“ an den Entwürfen gegeben, hieß es im Anschluss an das Treffen in Italien. So soll festgeschrieben werden, dass betriebliches Vermögen nicht versteuert werden muss – auch nicht im Falle von Erbschaften. Die Idee einer „Flat Tax“ mit einer breiten Bemessungsgrenze und einem niedrigen Steuersatz sei inzwischen „verbrannt“, hieß es.
Bei der Einkommensteuer bleibe es aber dabei, die Steuerkurve im mittleren Bereich abzuflachen, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen und Einkommensmillionäre höher zu besteuern.
Auf Nachfrage rechtfertigte Kommissionschef Spahn die geplante Reform: „Unser Vorschlag sieht eine massive Entlastung vor: Wir wollen Steuern auf Gewinne, die im Unternehmen bleiben, spürbar senken, auch bei Personengesellschaften“, sagte er dem Handelsblatt.
Die breite gesellschaftliche Mitte werde um bis zu 30 Milliarden Euro entlastet, erklärte er weiter. „Wenn in diesem Gesamtkonzept Millionäre für ihre privaten Einkommen von diesen Entlastungen nicht profitieren, ist das unser Ansatz für Steuergerechtigkeit.“
Linnemann wünscht sich ein „Rentenversprechen für die junge Generation“
Die Partei diskutiert noch, Unternehmen von den Sozialabgaben zu entlasten. Die Überlegung, im Gegenzug die Umsatzsteuer zu erhöhen, scheint aber keine Mehrheit zu finden. Dies würde Geringverdiener überproportional belasten, hieß es.
Kontroverse Debatten gab es neben einer neuen Industriepolitik, Landwirtschaft und einer europäischen Integration bei weiterhin starker Stellung der Nationalstaaten auch zur Frage nach einer verpflichtenden Altersvorsorge. Sie soll so ausgestaltet werden, dass vor allem Geringverdiener profitieren.
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Offen ist, wie diese Pflicht erfolgen soll: im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge oder aber kapitalgedeckt als neues staatlich definiertes Vorsorgeprodukt.
Weiter verfolgt die CDU das Ziel, „eine Gesellschaft der Eigentümer“ zu schaffen, wie es bereits im Wohlstandspapier hieß. Dazu gehört demnach auch Wohneigentum. Zudem sollen Menschen im Rentenalter steuerfrei hinzuverdienen können.
„Ich würde gern ein neues Rentenversprechen für die junge Generation abgeben“, sagte der Chef der Programmkommission, Linnemann. Jemand, der sein Leben lang gearbeitet habe, müsse als Rentner mehr haben als der, der nicht gearbeitet habe.
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Die CDU kommt am 17. Juni in Berlin zu einem Konvent zusammen, auf dem sie das Grundsatzprogramm mit den Mitgliedern beraten will. Im Herbst sollen sich die Kommissionen ein letztes Mal treffen und beraten, bevor dann der Bundesvorstand im Januar ein ausformuliertes Programm verabschieden soll, das dann die Parteibasis drei Monate beraten wird.
Anfang Mai soll es dann in Berlin beschlossen werden. Die Frage, wer die Partei in den Bundestagswahlkampf führt, will sie nach der Europawahl im Spätsommer 2024 entscheiden.
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