May 22, 2023
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Gesundheit: Lauterbach muss Klinik-Reform abschwächen

Written by Jürgen Klöckner


Berlin Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte seine Krankenhausreform als „Revolution im System“ angekündigt – doch vor dem für Dienstag angesetzten Gespräch mit den Bundesländern wächst die Sorge, dass von dieser Revolution nicht mehr viel übrig bleibt.

Grund dafür sind im Vorfeld bekannt gewordene Eckpunkte aus dem Ministerium. Sie enthalten teils großzügige Zugeständnisse an Bundesländer und Klinikbetreiber, können die Kritik an der Reform aber nicht ausräumen – oder verstärken diese sogar.

Die aktuellen Vorschläge würden einen kalten Strukturwandel und zahlreiche Krankenhausschließungen nicht verhindern, sagte etwa der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, am Montag. „Neben einer Reihe fachlicher Unstimmigkeiten fehlt bei dem Konzept des Bundes eine Antwort auf die galoppierende Inflation und die Defizitentwicklung der Krankenhäuser“, betonte Gaß.

Die DKG pocht seit Monaten auf einen Inflationsausgleich und befürchtet in diesem Jahr eine nie dagewesene Pleitewelle von Krankenhäusern durch die gestiegenen Kosten. Auch Lauterbach geht davon aus, dass rund ein Drittel der Einrichtungen insolvenzgefährdet sind.

Im April hatte die Bundesregierung deswegen beschlossen, einen Teil der zugesicherten Energiehilfen direkt auszuzahlen. Das Geld reicht aus Sicht von Klinikbetreibern allerdings nicht aus.

Krankenhausplanung soll bei den Bundesländern verbleiben

Auch die Bundesländer hatten jüngst in einer Gesundheitsministerkonferenz einen kurzfristigen Inflationsausgleich gefordert – und deutlich mehr Mitsprache bei der Krankenhausreform. Lauterbach ist auf die Zustimmung der Länder für seine Reform angewiesen, da diese auch für die Krankenhausplanung und für Investitionen in den Häusern zuständig sind.

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Die neuen Eckpunkte kommen den Ländern deswegen in einigen wichtigen Punkten entgegen. Die Krankenhausplanung verbleibe ausschließlich bei den Ländern, wird an mehreren Stellen betont. Laut dem Gesundheitsökonomen Boris Augurzky vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erhielten die Länder damit „mehr Spielraum als ursprünglich vorgesehen“.

Lauterbachs ursprünglicher Plan sah vor, alle Krankenhäuser in Deutschland in drei konkrete Level einzuordnen und darüber zu finanzieren. Dazu müssten die Kliniken bestimmte Kriterien etwa für Operationen erfüllen, um diese mit den Kassen abrechnen zu können, etwa zu Personal und medizinischer Ausstattung. „Diese Kopplung sollte als wichtiger Hebel zur Konzentration der Krankenhauskapazitäten dienen“, sagte Augurzky dem Handelsblatt.

Die Reform sollte unter anderem verhindern, dass kleinere Kliniken komplizierte Eingriffe vornehmen und gleichzeitig in Städten viele Kliniken die gleichen Operationen anbieten. Die Bundesrepublik leistet sich so viele Krankenhausplätze pro Bürger wie kein anderes Land in der EU und liegt auch bei den Fallzahlen an der Spitze.

In den Eckpunkten ist aber nun vorgesehen, dass bundeseinheitliche Level lediglich für eine „größere Transparenz“ über die Versorgung sorgen sollen. Ein Kriterium für die Finanzierung soll das Prinzip der drei Level hingegen nicht mehr sein. Stattdessen sollen dafür die Leistungen eines Krankenhauses herangezogen werden. Das würde den Ländern größere Freiheiten bei der Planung lassen. Ein ähnliches Modell ist derzeit in Nordrhein-Westfalen geplant.

„Konsequente Strukturierung oder qualitativer Flickenteppich“

In der Praxis würde das bedeuten, dass – sofern von den Ländern beabsichtigt – Kliniken Behandlungen übernehmen können, die sie im Level-Modell nicht hätten übernehmen dürfen. Voraussetzung ist lediglich, dass sie die Qualitätsvorgaben einhalten. So könnten einige Häuser Einnahmen behalten, auf die sie eigentlich verzichten sollten.

Die Leistungen der Krankenhäuser, im Fachjargon als Leistungsgruppen definiert, sollen auch das entscheidende Kriterium für die Zuordnung der Vorhaltepauschale werden, die das derzeit geltende Fallpauschalensystem (Diagnosis Related Group, DRG) ab 2025 ergänzen soll. Durch die DRG erhalten Kliniken pro Patient und Diagnose Geld.

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Kriterien wie Qualität, Behandlungszeit oder -erfolg spielen eine untergeordnete Rolle. Lauterbach sieht darin einen Anreiz für „billige Medizin“ und will die DRG mit festen Beträgen ergänzen, die Kliniken erhalten.

Es scheint leider so zu sein, dass die Level zu einem reinen Transparenzmodell ohne Strukturierung der Krankenhauslandschaft herabgestuft werden. Ein Sprecher des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)

„Umso wichtiger ist es, dass die Vorhaltefinanzierung so ausgestaltet wird, dass die Bundesländer den Anreiz erhalten, Leistungsgruppen an wenigen Standorten zu bündeln“, sagte Augurzky. Im Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) herrscht angesichts der geringeren Bedeutung der Level für die Krankenhäuser gar die Sorge, dass die Reform verpuffen könnte.

„Es scheint leider so zu sein, dass die Level zu einem reinen Transparenzmodell ohne Strukturierung der Krankenhauslandschaft herabgestuft werden“, teilte ein Sprecher dem Handelsblatt mit. „Die nächsten Beratungen der Bund-Länder-AG werden einen Hinweis darauf geben, ob es überhaupt zu einer konsequenten Strukturierung der Krankenhauslandschaft kommt oder ob der qualitative Flickenteppich erhalten bleibt.“

Finanzierung der Reform weiter ungeklärt

Die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, spricht hingegen von einer „guten Basis für die Reform“ – insbesondere weil die Leistungsgruppen bundeseinheitlich definiert werden sollen. Allerdings sieht das Eckpunktepapier für Kliniken in ländlichen Regionen vor, Ländern Ausnahmen von den Bundesvorgaben einzuräumen. Auch dies würde die ursprüngliche Reform deutlich abschwächen.

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Völlig ungeklärt bleibt weiterhin die Finanzierung der Reform. Experten schätzen die Kosten auf einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag. Zwar enthalten die Eckpunkte den Hinweis darauf, dass die Länder für die Krankenhausinvestitionen zuständig sind.

Die Bundesländer, die eigentlich die Investitionen der Kliniken in Gebäude und große Medizintechnik finanzieren müssten, kommen ihrer Verpflichtung seit Langem nicht ausreichend nach. Wie Lauterbach das ändern will, ist bislang unklar.

Das Eckpunktepapier sagt den Ländern sogar zusätzliche Bundesmittel über den bestehenden Krankenhausstrukturfonds zu. „Insofern ist auch die Frage, mit welcher Gegenleistung der Länder eine Beteiligung des Bundes an der Investitionsfinanzierung verbunden ist“, sagte Experte Augurzky.

Mehr: Karl Lauterbach im Interview: „Die Flut an Hüft- und Kniegelenk-Operationen muss ein Ende haben“



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