Berlin Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman, hat am „Deutschen Diversity-Tag“, der zur Vielfalt in der Arbeitswelt ermutigen soll, Defizite in Deutschland kritisiert. „Im internationalen Vergleich sind wir in Deutschland noch deutlich hinterher“, sagte Ataman dem Handelsblatt. Ein Problem sei das vor allem dann, wenn länderübergreifende Kooperationen anstünden: „Wer international mit anderen Konzernen zusammenarbeiten möchte, für den ist es wichtig, Vielfalt zu fördern“, sagte die Antidiskriminierungsbeauftragte.
Handlungsdruck entsteht auch durch die Nachhaltigkeitsdirektive („Corporate Sustainability Responsibility Directive“, CSRD) der Europäischen Union, die im Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Sie verpflichtet große Unternehmen, Berichte über ihren Umgang mit ökologischen, sozialen und führungsrelevanten Themen zu veröffentlichen. Dazu zählt auch der Faktor Vielfalt. Bis zum Sommer 2024 haben Unternehmen Zeit, die Richtlinie umzusetzen.
Berichtspflichten zu erwarten
Ataman mahnt Unternehmen deshalb, sich schon jetzt damit auseinanderzusetzen. „Wer mit dem Thema Diversitätsmanagement noch nicht angefangen hat, sollte sich bald auf diese Reise begeben.“ Durch die CSRD-Direktive würden die Berichtspflichten bald kommen – viele Unternehmen beschäftigten sich daher schon jetzt damit.
Grundsätzlich ist das so. Wer sich in Personalabteilungen und Führungsetagen umhört, kommt um den Begriff „Diversität“ kaum herum. „Ohne Diversität gibt es keinen ökonomischen Erfolg“, lautet eine Botschaft, der sich 49 Chefinnen und Chefs der deutschen Wirtschaft über das Netzwerk Beyond Gender Agenda verschrieben haben. 13 von ihnen leiten einen Dax-Konzern.
Doch gleichzeitig fällt auf, dass viele Unternehmen entgegen diesem Trend immer noch sehr homogen aufgestellt sind. Unter den 49 CEOs, die sich der Kampagne von Beyond Gender Agenda angeschlossen haben, sind nur zehn Frauen. Dabei gilt Vielfalt auch als wirtschaftlicher Faktor: Studien zeigen, dass diverser aufgestellte Unternehmen erfolgreicher sind.
Mehr als nur Frauenförderung
Die Antidiskriminierungsbeauftragte rät Unternehmen, erst einmal eine Bestandsaufnahme zu machen, wie vielfältig ihre Belegschaft schon sei. „Häufig wird Diversität noch mit Frauenförderung gleichgesetzt“, kritisiert sie. Dabei heiße Vielfalt auch, Menschen mit unterschiedlicher sexueller Identität, Religion oder Herkunft in den Blick zu nehmen.
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Um diese Menschen anzusprechen, rät Ana-Cristina Grohnert, Vorstandsvorsitzende der Arbeitgeberinitiative Charta der Vielfalt, dazu, schon den Einstellungsprozess diskriminierungsfrei zu gestalten.
Um Menschen mit Behinderung anzusprechen, müsse etwa sichergestellt sein, dass der Arbeitsplatz auch barrierefrei zugänglich sei, etwa ob die IT auch für blinde Menschen nutzbar sei. Bisher ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für viele Menschen mit Schwerbehinderung schwierig: Über 46 Prozent von ihnen waren 2022 arbeitslos gemeldet.
Auch wenn es gelinge, Menschen mit unterschiedlichen Merkmalen wie Geschlecht oder Herkunft einzustellen, sei eine weitere Herausforderung, diese Menschen auch im Unternehmen zu halten, mahnt Grohnert. „Arbeitnehmende merken schnell, wenn sie an einem Ort arbeiten, an dem sie eigentlich nicht willkommen sind und als Person nicht angenommen werden“, sagt sie. Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung Ataman weist Unternehmen darauf hin, dass es Pflicht sei, eine Beschwerdestelle gegen Diskriminierung einzurichten.
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Für Grohnert ist wichtig zu betonen, dass Vielfalt im Unternehmen auch mehr Perspektiven und dadurch mehr Optionen für ein „innovatives und zukunftsorientiertes Handeln“ bedeutet. „Die Wirtschaft sollte auch ein Spiegel der Gesellschaft sein“, sagt sie.
Diskussion über feste Quoten
Doch in der Realität gebe es noch viele, die sagten: Ich arbeite lieber mit Menschen zusammen, die mir ähnlich sind – und stellen entsprechend ein. Zwar sei die Wirtschaft in den letzten Jahren in puncto Vielfalt schon weit gekommen – aber „absolut noch nicht da, wo sie sein sollte“.
2022 lag der Frauenanteil in den Vorständen der 100 größten deutschen Unternehmen bei 15,6 Prozent – zehn Jahre zuvor waren es noch 4,4 Prozent. Die festgesetzte Frauenquote für die Vorstandsebene 2021 sei ein wichtiger zusätzlicher Treiber bei dieser Entwicklung gewesen, betont Grohnert.
Die Antidiskriminierungsbeauftragte hält allerdings nichts davon, wenn die Politik der Privatwirtschaft Quoten festschreibt. Doch ob es wirklich wirtschaftlich sinnvoll sei, sich neuen Beschäftigungsgruppen gegenüber nicht zu öffnen, müsse jedes Unternehmen für sich selbst entscheiden.
<< Den vollständigen Artikel: Diversity Day: Wie wichtig Diversität für die Wirtschaft ist >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.