May 24, 2023
56 Views
Comments Off on Wärmewende: CO2-Preis oder Heizungsgesetz? Diese Lösungen sind möglich
0 0

Wärmewende: CO2-Preis oder Heizungsgesetz? Diese Lösungen sind möglich

Written by Silke Kersting

Berlin Der Streit um den Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfährt eine überraschende Wende: Während die Ampelkoalitionäre über die Ausgestaltung des Heizungsgesetzes zanken, mehren sich die Stimmen, lieber auf den Emissionshandel für den Wärmesektor zu setzen. Nicht nur aus der FDP kommt diese Forderung, sondern auch von Ökonomen und einigen Klimaexperten.

Damit rücken die CO2-Bepreisung und der Emissionshandel in den Fokus der Debatte über den richtigen Weg in die Klimaneutralität. Das Handelsblatt liefert einen Überblick über die Funktionsweise des Systems und die Argumente von Befürwortern und Skeptikern.

Die Liberalen sprechen sich dafür aus, auf die Wirkung eines CO2-Preises zu setzen, statt mit Verboten und Subventionen die Wärmewende im Gebäudesektor erzwingen zu wollen. „Der perspektivisch steigende CO2-Preis im Emissionshandel ist der beste Anreiz für die Menschen, um die Emissionen auch beim Heizen und Autofahren zu reduzieren“, sagte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler dem Handelsblatt. „In Kombination mit dem Klimageld als echte finanzielle Entlastung können wir unsere Klimaziele garantiert, kostengünstig und sozial verträglich erreichen.“

>> Lesen Sie hier: Industriestrompreis soll auch dem Mittelstand helfen

Die FDP-Fraktion fordere daher, „kleinteilige Klimaschutzpolitik zu beenden und stattdessen die Erfolgsgeschichte des Emissionshandels“ fortzuführen, sagte Köhler. „Wenn wir bereits 2024 einen nationalen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude einführen, wie von der FDP vorgeschlagen, können wir uns viele Regulierungen und unnötige Technologieverbote sparen.“

Was bedeutet die Forderung für das GEG?

Die FDP setzt damit ihren Frontalangriff auf das GEG fort. Aus Sicht der Liberalen ist das Gesetz zu rigide und nicht technologieoffen. Erst am Dienstag hatte die FDP-Fraktion durchgesetzt, dass der GEG-Entwurf nicht wie ursprünglich geplant in dieser Woche in den Bundestag eingebracht wird.

Das Gesetz soll vorschreiben, dass ab 2024 nur noch Heizungsanlagen eingebaut werden dürfen, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Reine Gas- und Ölkessel dürften nicht mehr neu installiert werden. Bestehende Heizungsanlagen, die ein bestimmtes Mindestalter nicht überschritten haben, dürfen weiter betrieben werden. Die Umstellung auf neue Heizungen soll gefördert werden.

Was sagen Ökonomen?

CO2-Preis statt Verbot – diese Forderungen unterstützen auch Ökonomen. Christoph Schmidt, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI in Essen, sagt: „Nachdem offenbar wurde, wie sehr der bisherige Entwurf der Ampel für das Heizungsgesetz die Grenzen des Machbaren überreizt, erscheint ein Neustart sinnvoll.“

Schmidt empfiehlt, stattdessen auf einen „angeschärften nationalen Emissionshandel als Kern der Klimapolitik zu setzen, also auf höhere CO2-Preise, ergänzt natürlich gerade im Wärmebereich durch flankierende Förderprogramme“. Preissignale seien nachweislich wirkmächtige und effiziente Instrumente, denen die Politik auch bei der Energiewende mehr vertrauen sollte.

>> Lesen Sie hier: Frankreich blockiert EU-Richtlinie für Ausbau von erneuerbaren Energien

„Unverzichtbar ist allerdings eine glaubwürdige dauerhafte Bindung der Politik an hohe CO2-Preise“, sagte Schmidt. Ob die Bevölkerung höhere CO2-Preise mittrage, werde von der politischen Kommunikation, aber auch von der Verwendung der Einnahmen abhängen. 

Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung

“Erwarten die Nutzer, dass der CO2-Preis hoch genug steigt, sind die Vorgaben im novellierten GEG letztlich irrelevant.”

(Foto: imago images/Political-Moments)

Klima-Ökonomen teilen diese Argumentation. „Erwarten die Nutzer, dass der CO2-Preis hoch genug steigt, sind die Vorgaben im novellierten GEG letztlich irrelevant“, schreibt Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), in einem Gastkommentar für das Handelsblatt.

„Meine Empfehlung wäre es, kurz durchzuatmen, einen Schritt zurückzutreten und einen neuen Anlauf für die Heizungswende zu nehmen“, hatte Edenhofer bereits gesagt. „Den nationalen Emissionshandel mit Emissionsobergrenzen sofort arbeiten zu lassen ist klüger als die Verbots- und Gebotspolitik.“

Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) habe die Bundesregierung bereits alle rechtlichen Möglichkeiten in der Hand. Das seit 2021 geltende BEHG erfasst die Sektoren Wärme und Verkehr und schreibt für jede emittierte Tonne CO2 einen Preis fest.

Warum stößt der FDP-Plan auf Skepsis?

Felix Matthes, Forschungskoordinator, hält die „CO2-Preis only“-Lösung nicht für zielführend. Dahinter verberge sich „eine hochgefährliche Wette auf idealtypische und letztlich unterkomplexe Annahmen ökonomischer Lehrbücher“, sagte Matthes.

Deswegen werde dieser Ansatz international nirgendwo ernsthaft verfolgt. „Der Mix von Ordnungsrecht und CO2-Bepreisung trägt zur Stetigkeit der notwendigen Anpassungsprozesse im ja begrenzten Zeitraum der Transformation bei“, sagte er.

Auch die Grünen halten es für falsch, allein auf die CO2-Bepreisung zu setzen. Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte mit Blick auf den CO2-Preis, dass genau darüber auch in den parlamentarischen Beratungen zum GEG gesprochen werden könne.

„Wer jetzt wirklich etwas an dem Gesetz verändern möchte, muss ins parlamentarische Verfahren“, sagte sie. Dass sie nichts davon hält, allein auf den CO2-Preis zu setzen, machte Mihalic aber auch deutlich: „Es ist bereits heute klar, dass Heizen mit fossilen Brennstoffen in wenigen Jahren einfach enorm teuer wird.“ Deswegen sei es wichtig, dass der Umstieg auf klimafreundliches und auch günstiges Heizen vorangebracht werde.

Wie wirkt der CO2-Preis?

Der CO2-Preis sorgt für eine kontinuierliche Erhöhung der Preise fürs Heizen und im Verkehrssektor. Damit wird für Verbraucherinnen und Verbraucher der Anreiz geschaffen, auf klimafreundliche Technologien umzustellen, also etwa auf elektrische Wärmepumpen oder auf E-Autos.

Der im 2019 verabschiedeten BEHG festgelegte CO2-Preis für die Sektoren Wärme und Verkehr beträgt aktuell 30 Euro je Tonne. Im nächsten Jahr sind es 35 Euro, im Jahr 2025 beträgt der Wert 45 Euro.

Zu Beginn der CO2-Bepreisung in den Sektoren Wärme und Verkehr 2021 waren es 25 Euro. Ab 2026 soll die feste CO2-Bepreisung in einem Emissionshandel mit einem Preiskorridor von 55 bis 65 Euro übergehen. Die FDP möchte den Übergang zum Emissionshandel auf 2024 vorziehen.

Wohin fließt das Geld?

Die Einnahmen aus dem BEHG und aus dem Europäischen Emissionshandel (ETS), der für die Sektoren Industrie und Energie gilt, fließen in den Klima- und Transformationsfonds des Bundes. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Einnahmen auf 13 Milliarden Euro.

Das Geld wird unter anderem für Förderprogramme für die energetische Gebäudesanierung, für den Hochlauf der Elektromobilität und für den Ausbau der erneuerbaren Energien eingesetzt.

Werden CO2-Einsparungen honoriert?

Folgt man der reinen Lehre der CO2-Bepreisung, werden die Einnahmen den Bürgerinnen und Bürgern in Form eines Klimagelds direkt zurückgegeben. Das ist aktuell allerdings nicht der Fall. Die Idee hinter dem Klimageld: Es wird pro Kopf ausgezahlt, alle erhalten den gleichen Betrag.

Im Umkehrschluss heißt das: Wer sparsam mit fossilen Brennstoffen umgeht, macht ein Geschäft. Wer dagegen stark heizt, viel mit dem Auto fährt und um die Welt fliegt, bekommt weniger zurück, als er zuvor gezahlt hat.

Allerdings könnten einkommensschwache Haushalte, die in schlecht sanierten Wohnungen leben und zugleich in ineffizienten Autos zur Arbeit fernpendeln müssen, benachteiligt werden. Hier sind Ausgleichsmaßnahmen unverzichtbar.

In welchem Verhältnis steht der CO2-Preis zum Emissionshandel?

Das seit 2005 geltende Europäische Emissionshandelssystem (ETS) erfasst die Bereiche Industrie und Energie. Industrieanlagen ab einer bestimmten Größenklasse sowie Kraftwerke müssen für jede Tonne CO2, die emittiert wird, ein Zertifikat kaufen. Die Preise im ETS liegen deutlich über den BEHG-Preisen. Aktuell pendeln sie um Werte von 80 Euro je Tonne. Sie werden in den kommenden Jahren voraussichtlich stark steigen, weil die EU die zur Verfügung stehende Zertifikatmenge kürzen will.

Mehr: Wärmepumpen bringen Stromnetze an ihre Grenzen



<< Den vollständigen Artikel: Wärmewende: CO2-Preis oder Heizungsgesetz? Diese Lösungen sind möglich >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.