Kiew, Moskau Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat Deutschland für die weitere Lieferung verschiedener Verteidigungsausrüstung und Waffen gedankt. Gestärkt würden dadurch die Flugabwehr und insgesamt die Verteidigungskraft gegen den russischen Terror, sagte Selenski in seiner am Samstag in Kiew verbreiteten abendlichen Videobotschaft. Details nannte er nicht.
Er dankte auch Finnland für ein neues Verteidigungspaket sowie Kanada und Island. Zugleich kündigte er noch härtere Sanktionen gegen Russland an, um den Krieg des Landes gegen die Ukraine zu beenden.
„Heute ist ein weiterer Sanktionstag“, sagte Selenski. Er habe 220 Firmen und 51 Personen auf die Liste derer gesetzt, die „für den Terror arbeiten“. Die meisten seien Rüstungsbetriebe, die in Verbindung mit russischen Unternehmen stünden. „Unternehmen, die dem Krieg dienen.“ Nicht alle von ihnen seien auf russischem Boden tätig. „Aber alle werden den globalen Druck abbekommen“, sagte er.
Die ukrainischen Behörden sammelten Daten von allen, die Russlands Krieg unterstützten und setzten sich für ihre Bestrafung auch auf internationaler Ebene ein. „Russland wird nichts gewinnen und alles verlieren. So wird es allen ergehen, die ihm in diesem Terror helfen“, sagte Selenski.
Er dankte Japan, das in dieser Woche ein neues Sanktionspaket erlassen habe. Auch die EU setzte bereits zehn Sanktionspakete gegen Russland in Kraft. Im Westen ist derweil die Sorge groß, dass Russland die Strafmaßnahmen mit Hilfe von Drittstaaten umgeht und deshalb kaum unter Druck gerät.
Russland betont trotz spürbarer Probleme und wirtschaftlicher Nachteile, dass die Sanktionen den Krieg in der Ukraine nicht stoppen könnten. Das Land besteht darauf, seine Kriegsziele zu erreichen. Durch den Verkauf von Öl und Gas etwa an China verdient die Rohstoffgroßmacht weiter Milliarden, die auch der Kriegswirtschaft des Landes helfen. Russlands Präsident Wladimir Putin meinte wiederholt, die immer neuen Sanktionen machten das Land am Ende stärker.
Ukrainisches Militär: Mehr als 50 Drohnen über Kiew abgeschossen
In der Nacht hat Russland einen der schwersten Drohnenangriffe seit Monaten gegen die Ukraine durchgeführt. „Insgesamt wurde der Start von einer Rekordzahl an Kamikaze-Drohnen registriert: 54!“, teilte der Pressedienst der ukrainischen Luftwaffe am Sonntagmorgen auf Telegram mit. Obwohl nach Angaben der Behörden 52 der unbemannten Fluggeräte abgeschossen werden konnten, gab es einen Toten und eine Verletzte zu beklagen.
Die Attacke galt demnach hauptsächlich der Hauptstadt Kiew. Nach Angaben der dortigen Militärverwaltung wurden über Kiew 40 Drohnen abgeschossen. Es sei bereits der 14. Angriff seit Anfang Mai, teilte Militärgouverneur Serhij Popko auf Telegram mit. Laut Bürgermeister Vitali Klitschko wurde eine 35-Jährige durch Trümmer einer herabfallenden Drohne verletzt, ein 41-Jähriger kam ums Leben. Mehrere Gebäude wurden beschädigt, es kam zu Bränden.
Schäden wurden auch aus der Gebietshauptstadt Schytomyr, rund 120 Kilometer westlich von Kiew, gemeldet. Es habe aber keine Todesopfer gegeben, teilte Bürgermeister Serhij Suchomlyn auf seiner Facebook-Seite mit.
Neben den Drohnenangriffen meldeten die ukrainischen Behörden zudem den Artilleriebeschuss der Region Sumy an der Grenze zu Russland und der Stadt Nikopol im Gebiet Dnipropetrowsk. Nikopol liegt am Nordufer des Dnipro gegenüber Enerhodar, wo sich das von Russen seit Kriegsbeginn besetzte Atomkraftwerk Saporischschja befindet. Nikopol ist daher seit Monaten immer wieder unter Beschuss.
Putin ordnet verstärkten Schutz der russischen Grenzen an
Präsident Wladimir Putin ordnet eine verstärkte Grenzsicherung an, um eine „schnelle“ Bewegung in die ukrainischen Regionen zu gewährleisten, die unter Moskauer Kontrolle stehen. „Es ist notwendig, den schnellen Transport von militärischen und zivilen Fahrzeugen und Gütern, einschließlich Lebensmitteln, humanitärer Hilfe und Baumaterialien, die an die neuen Gebiete der (russischen) Föderation geschickt werden, zu gewährleisten“, sagt Putin im Telegramm-Kanal des Kremls. Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk sind die vier Regionen in der Ukraine, die Putin im vergangenen September für annektiert erklärte. Die russischen Streitkräfte kontrollieren diese vier Gebiete nur teilweise.
Ukraine reagiert ablehnend auf russische Forderungen
Unterdessen erteilte die Ukraine russischen Forderungen für mögliche Verhandlungen zur Beendigung des Krieges erneut eine klare Absage. Die zivilisierte Welt müsse anerkennen, dass „Putin und seine Clique“ keine legitimen Vertreter Russlands auf internationaler Bühne seien, sagte der Berater von Selenski, Mychajlo Podoljak. „Deshalb gibt es mit ihnen nichts zu besprechen“, schrieb er im Nachrichtendienst Twitter. Russland müsse von allen internationalen Institutionen entfernt werden. „Wenn das Regime wechselt, werden wir mit den Nachfolgern sprechen.“
Zuvor hatte der russische Vizeaußenminister Michail Galusin sieben Forderungen aufgestellt, um einen Frieden mit der Ukraine zu erreichen. Er nannte etwa das Ende der ukrainischen Kampfhandlungen und einen Stopp der westlichen Waffenlieferungen an das Land.
Außerdem müsse die Ukraine auf einen Beitritt zur Nato und zur EU verzichten, sagte er der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Neu ist die Forderung, dass die Ukraine auch Russisch als eine Amtssprache zulassen soll.
Podoljak bezeichnete die Forderungen als neuen Beweis der „Unfähigkeit der russischen Führung“. Er zählte wiederum bei Twitter die Forderungen Kiews für Friedensgespräche auf, darunter der Abzug aller russischen Soldaten vom Gebiet der Ukraine und die Übergabe aller „Kriegsverbrecher“ und „Initiatoren des Krieges“ an das Land. Auf russischem Gebiet müsse es eine entmilitarisierte Zone geben und eine Reduzierung der Angriffswaffen. Zudem müsse Russland Reparationszahlungen leisten und atomar abrüsten.
Kiews Geheimdienst räumt Beteiligung am Anschlag auf Krim-Brücke ein
Mehr als sieben Monate nach der Explosion auf der Krim-Brücke bestätigte nun der ukrainische Geheimdienstchef Wassyl Maljuk die Beteiligung Kiews daran erstmals offiziell. „Da es sich hierbei um einen Logistik-Weg handelt, den wir dem Feind abschneiden mussten, wurden entsprechende Maßnahmen ergriffen“, sagte der Chef des Inlandsgeheimdienstes SBU in einem Youtube-Interview des ukrainischen Journalisten Dmytro Komarow. Details des Einsatzes nannte er nicht. Die Bilder vom Brand auf der Brücke infolge der Explosion am 8. Oktober – in der Nacht nach dem 70. Geburtstag Putins – gingen um die Welt.
Die tagelang gesperrte, inzwischen aber reparierte Brücke, die vom russischen Festland auf die bereits 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim führt, gilt als wichtiger Versorgungsweg für den Krieg gegen die Ukraine. Maljuk sagte, die Ukraine habe im Einklang mit den „Traditionen der Kriegsführung“ gehandelt.
Außerdem erklärte er, der Geheimdienst SBU habe zu Beginn des russischen Angriffskrieges vor mehr als 15 Monaten eine Sondereinheit gebildet für Sabotageakte auf ukrainischem Gebiet gegen den Feind und für die Abwehr solcher Angriffe des Gegners. Auch bei den Drohnenattacken im Oktober auf Kriegsschiffe der russischen Schwarzmeerflotte in der Bucht von Sewastopol habe es sich um eine SBU-Spezialoperation gemeinsam mit dem ukrainischen Streitkräften gehandelt, sagte er.
SPD-Chefin Esken nennt Kampfjet-Allianz deutliches Signal an Putin
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat die Bildung einer internationalen Allianz zur Unterstützung der Ukraine mit modernen Kampfjets begrüßt, sich aber zurückhaltend zu einer deutschen Beteiligung geäußert. „Die geplante Allianz ist ein sehr deutliches Signal an den russischen Präsidenten (Wladimir Putin), dass die Verbündeten der Ukraine weiterhin solidarisch an ihrer Seite stehen werden“, sagte Esken der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist an Putin, diesen Krieg zu beenden, seine Truppen zurückzuziehen und damit Frieden möglich zu machen.“
Die SPD-Chefin verwies darauf, dass die Bundeswehr nicht über die von der Ukraine gewünschten F-16-Jets aus US-Produktion verfüge und sie deswegen auch nicht liefern könne. „Jeder Verbündete unterstützt, wie er kann“, sagte sie. Auf die Frage, ob sich Deutschland denn dann an der Piloten-Ausbildung beteiligen werde, antwortete sie: „Es gibt ja bereits eine geübte und erfolgreiche Praxis bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten und Soldatinnen an anderen Waffensystemen westlicher Bauart, auf die wir weiterhin den Fokus legen werden.“
Die Bundeswehr hat ukrainischen Soldaten unter anderem am Leopard-2-Kampfpanzer und der Panzerhaubitze, einem schweren Artilleriegeschütz, ausgebildet. Auch wenn die deutsche Luftwaffe nicht selbst über F-16-Kampfjets verfügt, könnte sie sich dennoch an der Grundausbildung von Piloten beteiligen. Geplant ist das bisher aber nicht.
So berichtet das Handelsblatt über den Ukraine-Krieg:
US-Präsident Joe Biden hatte beim G7-Gipfel in Japan den Weg für die Ausbildung ukrainischer Piloten für die F-16-Flugzeugen frei gemacht. An der Kampfjet-Allianz wollen sich mehrere europäische Nato-Staaten wie Großbritannien, die Niederlande oder Frankreich beteiligen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich bisher zurückhaltend dazu geäußert und stets darauf verwiesen, dass Deutschland bereits jetzt sehr viel militärische Unterstützung leiste – unter anderem mit der Lieferung von Panzern, Flugabwehrsystemen oder Munition. Auch Esken sagte: „Wir stehen an der Seite der Ukraine. Wir tun im Rahmen unserer Möglichkeiten alles, was notwendig ist, um sie zu unterstützen.“
Ukrainisches Model setzt in Cannes Zeichen gegen Krieg
Das ukrainische Model Alina Baikowa hat bei den Filmfestspielen in Cannes ein Zeichen gegen den Krieg in ihrer Heimat gesetzt. Zur Premiere des Dramas „The Old Oak“ von Ken Loach kam sie in einem T-Shirt in den Landesfarben der Ukraine mit der Aufschrift: „Fuck you Putin“. Am Samstag schrieb sie dazu auf Instagram, sie sei bei der Premiere tags zuvor vom Sicherheitspersonal gebeten worden, den Teppich zu verlassen, weil das Festival nicht politisch werden wolle. Sie habe ihre Jacke schließen müssen, um bleiben zu dürfen.
„Akzeptiert die Tatsache, dass wir ein freies und demokratisches Land sind und nicht unter ihrer Kontrolle stehen wollen! Wir werden nicht aufhören, bis sie uns in Frieden lassen!“, schrieb sie mit Blick auf die Russen und ihren Angriffskrieg. Der Film „The Old Oak“ lief im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes. Im Fokus steht eine Kneipe, die nach der Ankunft syrischer Flüchtlinge ohne Vorankündigung im Dorf von der Schließung bedroht ist.
Das wird am Sonntag wichtig
Der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, lässt nach eigenen Angaben weiter seine Söldner aus der ostukrainischen Stadt Bachmut abziehen. Er bekräftigte am Samstag, dass die Stadt bis zum 1. Juni komplett in die Zuständigkeit der russischen Streitkräfte übergeben werden solle. Die Wagner-Truppen sollten sich dann erholen und für neue Kampfeinsätze rüsten. Zugleich gibt die Ukraine die Stadt weiter nicht auf. Präsident Selenski lobte in seiner Videoansprache den Kampfesmut der Soldaten, die Bachmut weiter befreien wollen.
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