Kiew, Moskau Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat den Sturz der russischen Führung nach einer von ihm prognostizierten Niederlage in ihrem Angriffskrieg vorausgesagt. „Kiew und alle unsere Städte, unsere gesamte Ukraine werden den Schlusspunkt unter die Geschichte des Moskauer Despotismus setzen, der viele verschiedene Völker über sehr lange Zeit hinweg versklavt hat“, sagte er am Sonntag in seiner täglichen Videoansprache.
Der Staatschef war dabei nicht wie üblich in einem abgeschirmten Raum, sondern im Abendlicht auf der Straße vor dem Präsidentenbüro in Kiew zu sehen. Der Auftritt im Freien dürfte am Tag des Stadtgeburtstags von Kiew auch ein Zeichen an Moskau gewesen sein, dass sich die Ukrainer keine Angst einjagen lassen wollen.
Der ukrainischen Flugabwehr sei es gelungen, einen der größten russischen Drohnenangriffe seit Kriegsbeginn fast völlig abzuwehren, sagte Selenski. Russland habe so versucht, den Kiewern den Stadtgeburtstag zu verderben.
Doch Kiew habe in seiner Geschichte schon verschiedenste Gräueltaten überlebt und werde auch die Angriffe der Russen überstehen und diesen die Eroberung nicht ermöglichen, sagte der 45-Jährige.
Seinen Worten nach können Waffen wie die Shahed-Drohnen Russlands Machthaber nicht retten. Weil Russland das Leben und die Kultur verachte, könne es den Krieg nur verlieren, prognostizierte er.
Nächste Drohnenangriffe gegen die Ukraine
Die Angriffe auf Kiew setzten sich auch in der Nacht zu Montag fort. Das ukrainische Militär schoss nach eigenen Angaben 29 der insgesamt 35 von den russischen Streitkräften gestarteten Drohnen ab. Zudem seien 37 von 40 Raketen abgefangen worden, teilt die Luftwaffe auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Die russischen Streitkräfte hätten auf militärische Einrichtungen und kritische Infrastruktur gezielt.. Nach vorläufigen Angaben gibt es bei den nächtlichen Angriffen keine Verletzten. Es handelt sich um den 15. russischen Luftangriff auf die Stadt in diesem Monat.
Bereits in der Nacht zuvor hatte Russland einen der schwersten Drohnenangriffe seit Monaten gegen die Ukraine gestartet. Insgesamt sei eine Rekordzahl von 54 Kamikaze-Drohnen registriert worden, teilte der Pressedienst der ukrainischen Luftwaffe am Sonntagmorgen auf Telegram mit. Obwohl nach Angaben der Behörden 52 der unbemannten Fluggeräte abgeschossen werden konnten, gab es einen Toten und eine Verletzte zu beklagen. Die Attacke galt demnach hauptsächlich der Hauptstadt Kiew, getroffen wurden aber auch mehrere Wohnhäuser in der Großstadt Schytomyr.
Hafen von Odessa bei Angriff beschädigt
Bei einem russischen Drohnenangriff in der Nacht zu Montag ist nach ukrainischen Angaben der Hafen von Odessa teilweise beschädigt worden. „Durch den Einschlag ist ein Feuer in der Hafeninfrastruktur von Odessa ausgebrochen“, teilte das Kommando Süd des ukrainischen Militärs auf Facebook mit. Der Brand sei rasch gelöscht worden. Ob durch die Schäden am Hafen auch die Getreideexporte gefährdet sind, ließ das Militär offen. Die Ukraine kann nur über die Häfen in der Region Odessa Getreide und andere Nahrungsmittel ausführen.
Selenski bringt Sanktionen gegen Iran ins Parlament ein
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Drohnenangriffe hat Selenski Sanktionen mit einer Dauer von 50 Jahren gegen den Iran eingeleitet. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Unian am Sonntag unter Verweis auf eine im ukrainischen Parlament eingegangene Gesetzesinitiative des Präsidenten. Verboten werden sollen etwa der Handel mit militärischer Ausrüstung und sogenannten Dual-Use-Gütern, die zivil und militärisch genutzt werden können.
Luftalarm in Kiew: Heftigster Drohnenangriff seit Kriegsbeginn
Zudem will die Ukraine auch ihre wirtschaftlichen und finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Iran einstellen und die Ausfuhr von Kapital in die Islamische Republik unterbinden. Vorgeschlagen wird zudem ein Verbot für Technologietransfer und Investitionen im Iran. Es wird erwartet, dass das ukrainische Parlament der schon vom nationalen Sicherheitsrat abgesegneten Entscheidung zustimmt.
Die Ukraine wirft dem Iran Waffenhilfe für Russland vor. Für seine Angriffe nutze Moskau vorwiegend Drohnen des iranischen Typs Schahed, heißt es. Der Iran bestreitet dies.
Glückwünsche aus Moskau und Kiew nach Ankara
Derweil haben sowohl Selenski als auch Kremlchef Wladimir Putin dem türkischen Präsidenten Tayyip Recep Erdogan zur Wiederwahl gratuliert. Putin gratulierte seinem Kollegen dabei schon vor Ende der Stimmauszählung. „Der Wahlsieg war gesetzmäßiges Resultat Ihrer selbstlosen Arbeit auf dem Posten des Staatschefs der türkischen Republik“, heißt es im am Sonntag veröffentlichten Glückwunschtelegram des Kremls. Der Wahlsieg demonstriere zudem die Unterstützung des türkischen Volkes für den Kurs „nationaler Souveränität und unabhängiger Außenpolitik“.
Putin dankte Erdogan für den Aufbau der guten bilateralen Beziehungen beider Länder. Russland sei bereit zur Fortsetzung der Zusammenarbeit sowohl in bilateralen als auch in internationalen Fragen, versicherte der Kremlchef.
>> Lesen Sie hier: Erdogan gewinnt Stichwahl und bleibt Präsident – was sein Wahlsieg bedeutet
Für Russland ist die Türkei ein wichtiger Partner angesichts der westlichen Sanktionen. In Moskau war befürchtet worden, dass sich die Türkei nach einem Wahlsieg der Opposition mehr gen Westen orientiert – und damit die internationale Isolation Russlands verstärkt.
Allerdings unterhält die Türkei nicht nur zu Russland, sondern auch zur Ukraine in dem Krieg gute Beziehungen. Unter Vermittlung Ankaras und der Vereinten Nationen haben Moskau und Kiew im vergangenen Sommer das Getreideabkommen geschlossen, das die russische Blockade ukrainischer Seehäfen beendet hat. Zuletzt hat Russland Mitte Mai das Abkommen für zwei Monate verlängert.
So berichtet das Handelsblatt über den Ukraine-Krieg:
Das wird am Montag wichtig
Die russische Söldnertruppe Wagner setzt ihren Abzug aus der ostukrainischen Stadt Bachmut fort. Die völlig zerstörte Ortschaft soll bis Juni unter Kontrolle regulärer russischer Einheiten gestellt werden. Zugleich gibt die Ukraine die Stadt weiter nicht auf.
Während in der Ukraine weiter gekämpft, geht der Blick politisch in Richtung Norden: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht Russlands Nachbarn Litauen und trifft dabei auch die dort stationierten Bundeswehrsoldaten. US-Außenminister Antony Blinken reist derweil nach Schweden – das Land strebt in die Nato. Die Besuche gelten auch als Signal an Russland.
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