Ankara Knochenbrüche, Verbrennungen, viele Verletzte: Das ist die Bilanz der Straßenschlachten zwischen Nato-Einsatzkräften und militanten Serben im Norden des Kosovo, die am Montagnachmittag begannen. 19 Ungarn und elf Italiener, die zur internationalen Kosovo-Schutztruppe KFOR gehören, seien bei „unprovozierten Angriffen einer gewalttätigen und gefährlichen Menge“ verletzt worden, hieß es am Dienstag in einer Erklärung der Schutztruppe.
Laut dem Krankenhaus in der nahen Stadt Mitrovica wurden bei den Zusammenstößen auch 53 Serben verletzt. Die Regierung in Belgrad versetzte schon ihre Streitkräfte in höchste Gefechtsbereitschaft und könnte das junge Nachbarland auf dem Balkan in eine politische Krise stürzen.
Auch am Dienstag gingen die Proteste der serbischen Minderheit in drei Gemeinden im Kosovo weiter – aber zunächst friedlich, wie örtliche Medien berichteten. Hintergrund der Unruhen waren die Kommunalwahlen vor rund einem Monat. Die im Norden des Kosovos mehrheitlich ethnisch-serbische Bevölkerung hatte die Wahlen größtenteils boykottiert.
In der Folge konnten ethnische Kosovo-Albaner wegen der geringen Wahlbeteiligung auch mit wenigen Stimmen zu Bürgermeistern gewählt werden. Als die Bürgermeister unter dem Schutz der kosovarischen Spezialpolizei ihre Ämter antreten wollten, kam es zu den Ausschreitungen.
Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die Angriffe „auf das Schärfste“ und forderte „die sofortige Einstellung jeglicher Gewalt und aller Handlungen, die zu weiteren Spannungen führen“. Eine Deeskalation der Lage sei laut einem Ministeriumssprecher „jetzt dringend erforderlich“. Vertreter des Kosovos und der Serben müssten unverzüglich Gespräche aufnehmen „und weiter an der Umsetzung des im Februar und März erzielten Normalisierungsabkommens arbeiten“.
Serbiens Präsident gießt Öl ins Feuer
Auch das französische Außenministerium forderte beide Seiten zu verantwortungsbewusstem Handeln auf. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte ebenfalls die Zusammenstöße. „Die EU fordert die Behörden des Kosovos und die Demonstranten auf, die Situation sofort und bedingungslos zu deeskalieren“, schrieb Borrell auf Twitter.
Ob es zu der vom Westen gewünschten Deeskalation kommt, ist ungewiss. Die Regierung des Kosovos machte Serbiens Präsident Aleksandar Vucic für die Entwicklung verantwortlich. Kosovos Ministerpräsident Albin Kurti schrieb am Montagabend auf Twitter: „In einer Demokratie gibt es keinen Raum für faschistische Gewalt.“
Es ist alles organisiert von Albin Kurti und es ist sein Wunsch, dass es zum großen Konflikt zwischen den Serben und der Nato kommt. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic
Vucic hingegen gab dem Kosovo die Schuld und behauptete, die dortige Polizei habe auf Mitglieder der serbischen ethnischen Minderheit geschossen, bevor die Proteste eskaliert seien. Vucic behauptete, Kurti würde ein Blutbad auslösen wollen. „In den letzten drei Tagen konnte auch ein Blinder sehen und ein politischer Analphabet verstehen, was hier vorbereitet wurde“, erklärte Vucic. „Es ist alles organisiert von Albin Kurti und es ist sein Wunsch, dass es zum großen Konflikt zwischen den Serben und der Nato kommt.“
Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig erklärt. Zusätzlich zu den rund 1,8 Millionen Einwohnern im Kosovo leben über 400.000 Kosovaren im Ausland, vor allem in Deutschland und den Vereinigten Staaten. 115 Länder erkennen die Unabhängigkeit des Kosovos an. Serbien dagegen nicht, die Regierung in Belgrad verlangt die Rückgabe ihrer ehemaligen Provinz.
Ausschreitungen im Kosovo: Nato-Friedenssoldaten verletzt
Nach einem bewaffneten Aufstand der Kosovo-Albaner und einer Nato-Intervention gegen Serbien 1999 hatte die Uno-Administration Unmik das Land verwaltet. Die KFOR wurde 1999 von der Uno damit beauftragt, für die Sicherheit im Kosovo zu sorgen. Sie hat heute noch etwa 3800 Soldaten dort stationiert, unter ihnen knapp 70 Deutsche.
Russland und China erkennen das Kosovo ebenfalls nicht an. Der Regierung in Moskau wird vorgeworfen, die Staaten des Westbalkans aus dem Einflussbereich von EU und Nato zu entfernen. Serbien selbst ist seit 2012 Beitrittskandidat der EU, hat allerdings die Sanktionen gegen Moskau nicht umgesetzt.
Auch die Regierung in Peking äußerte sich zu der jüngsten Gewalt im Kosovo und äußerte Verständnis für Serbien. China strebt Einfluss in allen Gebieten an, die auf den Handelswegen zwischen dem Land und Mitteleuropa liegen. Die Nato sei aufgefordert, die Souveränität und territoriale Integrität der betreffenden Länder zu respektieren und sich für den Frieden in der Region einzusetzen, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Peking, Mao Ning.
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