May 31, 2023
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Türkei: Erdogan-Regierung erhöht Preise stark – Wirtschaft wächst nur langsam

Written by Ozan Demircan


Recep Tayyip Erdogan

Der türkische Präsident am Dienstag beim Besuch der 79. Generalversammlung der Union der Kammern und Börsen der Türkei.

(Foto: IMAGO/APAimages)

Istanbul Die türkische Wirtschaft wächst schwächer, während die Preise für wichtige Produkte immer weiter ansteigen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im ersten Quartal des Jahres um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie aus Daten der türkischen Statistikbehörde hervorgeht.

Im Vergleich zum Vorquartal liegt das Wachstum demnach bei 0,3 Prozent. Das ist etwas mehr als Analysten erwartet hatten, jedoch deutlich weniger als im vergangenen Jahr, als das Wachstum 5,6 Prozent betrug.

Gleichzeitig gab die kürzlich wiedergewählte Regierung von Staatschef Recep Tayyip Erdogan bekannt, die Preise für zahlreiche wichtige Produkte zu erhöhen. Staatskonzerne etwa erhöhten die Preise für Tee um 40 Prozent, für Kaffee um 21 und für Zucker um 20 Prozent. Milch und Milchprodukte haben sich über Nacht im Schnitt um ein Drittel verteuert. Die Regierung begründete den Schritt nicht.

Die staatliche Regulierungsbehörde für Energie erhöhte die Preise für Benzin um sieben Prozent. Auch Kommunen verlangen mehr für ihre Dienstleistungen. In Kocaeli bei Istanbul, einer der wichtigsten Industriezonen des Landes, müssen Betriebe für die städtische Wasserversorgung auf einmal 80 Prozent mehr bezahlen. Auch für Privathaushalte in der Provinz wird sich die Wasserrechnung um 40 Prozent verteuern.

Am Sonntag wurde Erdogan mit 52,18 Prozent erneut zum Präsidenten gewählt. Seit mehreren Jahren hatte er seinen Einfluss auf die Wirtschafts- und Geldpolitik des Landes erhöht.

Im vergangenen Herbst stieg die Inflation auf 85,5 Prozent, das Handelsdefizit erreichte ein Rekordhoch. Gleichzeitig orderte Erdogan an, den Leitzins der Zentralbank zu senken. Er liegt derzeit bei 8,5 Prozent. Kombiniert mit der hohen Inflation ist es für internationale Investoren unattraktiv, in die Türkei zu investieren.

Grafik

Im Februar erschütterte eine Erdbebenserie den Südosten der Türkei und tötete mehr als 50.000 Menschen. Das zerstörte Gebiet entspricht einem Drittel der Fläche Deutschlands und erwirtschaftet rund zehn Prozent der Exporte des Landes.

Fokus auf die Konsolidierung des Haushalts

Entsprechend gingen im ersten Quartal die Exporte zurück, vor allem in der Landwirtschaft und Industrie. Der Bausektor hingegen zeigte laut Statistikbehörde mit einem Wachstum von 5,1 Prozent die beste Entwicklung seit fünf Jahren. Dies liegt Analysten zufolge vor allem am Wiederaufbau nach dem Erdbeben.

Das Land war im vergangenen Jahr nach Saudi-Arabien und Indien die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der G20 und verzeichnete laut Statistikbehörde ein Wachstum von mehr als fünf Prozent. Erdogans Regierung trieb dieses Wachstum im Wahlkampf durch günstige Kredite und stark subventionierte Stromrechnungen sowie durch Erhöhungen des Mindestlohns und der Renten voran. Außerdem hatte Erdogan Devisenreserven der Zentralbank genutzt, um den Wechselkurs der Landeswährung Lira zu stützen.

Türkische Bankfiliale

Besonders die Finanzbranche war vom Lira-Verfall und der türkischen Zinspolitik betroffen.

(Foto: Bloomberg)

Seit der Sieg gesichert ist, wird erwartet, dass Erdogan keine weiteren „Wahlgeschenke“ wie Subventionen, günstige Kredite und kräftige Lohnerhöhungen für Beamte und Rentner mehr erteilen und stattdessen den Fokus auf die Konsolidierung des Haushalts und der Handelsbilanz verlagern wird.

>> Lesen Sie hier: Erdogan bleibt Präsident – was sein Wahlsieg bedeutet

Laut einer Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen wird das Wachstum des Landes im zweiten Quartal auf 1,6 Prozent und im Gesamtjahr 2023 auf 2,7 Prozent sinken. „Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaftspolitik in der zweiten Jahreshälfte straffer wird, was zu einer Verlangsamung des Wachstums führen wird“, sagte der Ökonom Clemens Grafe von Goldman Sachs.

Seit dem Wochenende ist die türkische Lira auf ein Rekordtief gerutscht. Ein US-Dollar kostete am Mittwochvormittag (Ortszeit) 20,71 Lira, ein Verlust von zwei Prozent innerhalb eines Tages und 3,6 Prozent seit dem Wahlsonntag. Die Börse legte seitdem um über sieben Prozent zu, vor allem weil Exportfirmen von der schwächeren Lira profitieren.

„Die Wirtschaft der Türkei ist nach dem Wahlsieg von Präsident Erdogan weiterhin dem Druck auf die Lira sowie die Zahlungsbilanz des Landes ausgesetzt“, meint Thomas Gillet von der Ratingagentur Scope Ratings. Auch die Türkeiexperten der Schweizer Großbank UBS gehen davon aus, dass die Lira in den kommenden Monaten stärker abwerten wird: „Die Lira zu halten belastet die Wirtschaft und scheint angesichts der erschöpften Devisenreserven des Landes zunehmend unhaltbar zu sein.“

Mehr: Ein alter Bekannter soll die türkische Wirtschaft retten



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