Kapstadt, Tel Aviv Mehr als ein Dutzend Staaten drängen auf Aufnahme in den BRICS-Klub der wichtigsten Schwellenländer. Bei einem Treffen im südafrikanischen Kapstadt beraten derzeit Regierungsvertreter aus den bisherigen Mitgliedstaaten über die Erweiterung. Unter den Kandidaten sind Berichten zufolge Argentinien, Indonesien, Iran, Nigeria, Mexiko, Saudi-Arabien und die Türkei.
Je nachdem, wie die Erweiterungsrunde ausfällt, könnte durch den BRICS-Bund ein Gegengewicht zu den Bündnissen westlicher Demokratien entstehen. Das zumindest scheint das Ziel der chinesischen Regierung zu sein, die die Erweiterung vorantreibt. Neben China gehören bisher Brasilien, Russland, Indien und Südafrika zu den BRICS-Staaten.
Der wichtigste Beitrittskandidat ist Saudi-Arabien. Das Land war lange eng mit den USA verbündet und lieferte sein Öl vor allem in westliche Staaten. Zuletzt näherte es sich aber stärker an China an. Die Volksrepublik wird künftig 690.000 Fass Öl pro Tag aus Saudi-Arabien beziehen. Zudem baut der saudische Ölgigant Aramco für zehn Milliarden Dollar eine Ölraffinerie in China.
Der Finanzminister des Landes sagte im Januar, er sei daran interessiert, einen Teil des Ölhandels über den chinesischen Yuan abzuwickeln. Damit entstünde eine Konkurrenz zum derzeit dominierenden Petrodollar. „Die Saudis wollen nicht mehr einseitig auf die Amerikaner angewiesen sein“, sagt ein westlicher Geschäftsmann in Riad.
Die BRICS-Länder würden von einer Mitgliedschaft Saudi-Arabiens mehrfach profitieren. Riad könnte für Stabilität auf den Energiemärkten sorgen.
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Außerdem könnte es als Geldgeber die New Development Bank (NDB) aufwerten. Diese von den BRICS-Staaten gegründete Entwicklungsbank versteht sich als Alternative zum Internationalen Währungsfonds (IWF) und zur Weltbank und finanziert derzeit mit 33 Milliarden Dollar weltweit 96 Infrastrukturprojekte. Geplant war einmal deutlich mehr.
Peking und Riad wollen darüber hinaus ihre Investitionsprogramme in Einklang bringen. China investiert mit seiner „Belt and Road Initiative“ (BRI) weltweit in Infrastruktur, Saudi-Arabien tut mit seiner „Vision 2030“ Ähnliches. „Die BRI und die Vision 2030 ergänzen sich in vielerlei Hinsicht“, sagt Abdulaziz Al Sager, Vorsitzender des saudischen Gulf Research Center.
BRICS-Gipfel im August: Kommt Putin nach Südafrika?
Vor allem China und Südafrika setzen sich für die Aufnahme neuer Mitglieder ein. Äußerungen von Chinas Staatschef Xi Jinping deuten darauf hin, dass er die BRICS-Staaten als ein Gegengewicht zu den USA und den westlichen Allianzen und Institutionen betrachtet. „Die Aufnahme von frischem Blut wird der BRICS-Zusammenarbeit neue Vitalität verleihen und den Einfluss der BRICS-Staaten erhöhen“, sagte er beim Jahrestreffen des Staatenbunds vergangenes Jahr in Peking.
Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor äußerte sich deutlicher: Der BRICS-Block sei „Teil einer neu modellierten globalen Ordnung“.
Südafrika richtet im August den BRICS-Gipfel aus, der final über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden könnte. Fraglich ist, ob Russlands Präsident Wladimir Putin zu dem Treffen anreisen wird – gegen ihn wurde Mitte März ein internationaler Haftbefehl wegen vermuteter Kriegsverbrechen erlassen. Dabei geht es um die Verschleppung von Kindern aus der Ukraine nach Russland, für die Putin laut dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag strafrechtlich verantwortlich sein könnte.
Kremlchef hin oder her: Gastgeber Südafrika verspricht sich einen großen Prestigegewinn davon, die rotierende BRICS-Präsidentschaft innezuhaben. Womöglich auch deshalb distanziert sich das Land seit einiger Zeit auffallend deutlich vom Westen im Allgemeinen und den USA im Besonderen.
Die neue Ausrichtung gipfelte kürzlich in einem heftigen Streit mit Washington über eine angebliche Waffenlieferung Südafrikas an Russland, die zu Sanktionen des Westens und der Aufkündigung des Freihandelsabkommens zwischen den USA und Südafrika führen könnte.
Die Erweiterung ist unter den Mitgliedern umstritten
Brasilien und Indien wollen solche Eskalationen nicht, und sie möchten auch kein Teil eines chinesisch dominierten Staatenblocks sein. Zwar könne eine Expansion der BRICS-Allianz die Zusammenarbeit mit anderen aufstrebenden Volkswirtschaften verstärken, glaubt etwa Sriparna Pathak, die an der Jindal School of International Affairs im indischen Bundesstaat Haryana lehrt. „Es besteht aber auch die große Gefahr, dass China Länder mit einer antiwestlichen Haltung einschließt.“
Im Gegensatz dazu hofft die indische Regierung darauf, zusammen mit anderen demokratischen Staaten Chinas Machtstreben in Asien zu begrenzen. Dafür kooperiert Indien bereits mit den USA, Australien und Japan im sicherheitspolitischen Bündnis Quad. Auch will das Land die Rüstungszusammenarbeit mit den USA ausbauen – unter anderem, um sich mit Blick auf den gegenwärtigen Grenzkonflikt mit China besser zu wappnen, der immer wieder in Gewalt mündet.
Zwar ist auch die Regierung von Premierminister Narendra Modi nicht immer einer Meinung mit Europäern und Amerikanern – im Ukrainekrieg vermeidet sie beispielsweise, Russlands Einmarsch zu verurteilen, und pflegt nach wie vor enge Beziehungen zu der Regierung in Moskau.
Dennoch sieht sich das demokratisch regierte Indien auch als Partner westlicher Länder. „Im Vergleich zu China und Russland pflegt Indien freundschaftliche Beziehungen zum Westen und würde nicht davon profitieren, sich gegen ihn zu positionieren“, kommentiert Pathak. Ähnliches gilt für Brasilien.
Reform globaler Institutionen
Beitritte könnten das Bündnis aber auch stärken, ohne den Westen zu vergrätzen. Beobachter wie Tim Cohen, Wirtschaftschef des südafrikanischen „Daily Maverick“ und ein führender Kommentator am Kap, geben aber zu bedenken, dass die Mitglieder bereits jetzt oft sehr unterschiedliche Interessen verfolgten und stark unterschiedlich große Volkswirtschaften hätten.
Die größte Gemeinsamkeit liege derzeit noch in dem Ziel, Alternativen zur ordnungspolitischen und weltanschaulichen Dominanz des Westens zu entwickeln. Wenn es darum geht, mehr internationales Gewicht zu bekommen, wäre es nach Cohens Ansicht sinnvoll, andere bevölkerungsreiche Länder dazuzuholen, wie etwa Nigeria mit seinen 225 Millionen oder Indonesien mit seinen 275 Millionen Menschen.
Wenn die BRICS-Gruppe allerdings konkrete Ziele anstrebe, müssten die Kriterien weit selektiver sein, weil sonst Streit innerhalb der Gruppe drohe.
Jim O’Neill, auf dessen Ideen die Gründung des BRIC- und des späteren BRICS-Bündnisses zurückgehen, schlägt als Kriterium der Aufnahme eine Bevölkerungszahl von 100 Millionen Menschen vor und eine Mindestgröße der Volkswirtschaft.
Vor allem sollte nach Ländern gesucht werden, die eine Reform globaler Institutionen anstrebten, die vom Westen noch immer dominiert würden, so der frühere Chefvolkswirt von Goldman Sachs. Dazu müsste der Staatenbund aber auf kontrollierte und nachvollziehbare Weise expandieren. Und dürfte Mitglieder um seiner Größe willen nicht einfach willkürlich aufnehmen.
Mitarbeit: Mathias Peer, Alexander Busch
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