Jun 1, 2023
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Drohender Staatsbankrott USA: Schuldendeal passiert US-Repräsentantenhaus – und muss noch eine weitere Hürde nehmen

Written by Annett Meiritz

Washington Nach wochenlangem Streit um das Rekord-Defizit der Vereinigten Staaten hat das US-Repräsentantenhaus eine vorläufige Aussetzung der Schuldenobergrenze beschlossen. In der Nacht zum Mittwoch stimmte die Kongresskammer mit 314 Stimmen für ein Gesetzespaket, das das Schuldenlimit für zwei Jahre aushebelt und gleichzeitig Ausgabenkürzungen vorsieht. Für eine Mehrheit notwendig waren 218 Stimmen. 117 Personen stimmten dagegen.

Als nächstes muss das Gesetzespaket noch durch den US-Senat abgestimmt werden, bevor es von Präsident Joe Biden unterzeichnet werden kann. „Ich fordere den Senat auf, das Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden, damit unser Land weiterhin die stärkste Wirtschaft der Welt aufbauen kann.“, sagte Biden.

Ein schnelles Handeln ist notwendig, um den ersten Zahlungsausfall in der Geschichte der USA abzuwenden. Finanzministerin Janet Yellen schätzt, dass der US-Regierung bereits am 5. Juni die Barmittel ausgehen werden, um Schulden zu begleichen.

Ein Staatsbankrott hätte unberechenbare Folgen für die Wirtschaft der USA und die globale Konjunktur. Wird die Schuldenobergrenze temporär ausgesetzt, kann die Staatspleite verhindert werden.  

Die amerikanische Staatsverschuldung wächst seit Jahrzehnten rasant, derzeit ist sie mit 31,4 Billionen US-Dollar in etwa so hoch wie die jährliche Wirtschaftsleistung der USA. „Durch die Vereinbarung wird die Obergrenze bis Januar 2025 ausgesetzt“, heißt es im 99-seitigen Gesetzestext, den das Repräsentantenhaus absegnete. Stimmt der Senat ebenfalls mit Ja, verschafft das beiden US-Parteien Raum, das explosive Thema aus dem Präsidentschaftswahlkampf herauszuhalten. 

Der Kongress ist seit den Zwischenwahlen im November 2022 gespalten: die Demokraten halten eine knappe Mehrheit im Senat, die Republikaner im Repräsentantenhaus. Widerstand gegen das Schuldengrenzen-Paket gibt es jedoch in beiden Parteien und Kammern: Dutzende rechtskonservative Republikaner warfen dem republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, vor, er habe schlecht verhandelt.

Auch mehrere prominente konservative Gruppen wie der Club for Growth und die Heritage Foundation übten massiven Druck auf Abgeordneten aus. In sozialen Netzwerken machten sie gegen den Schuldendeal mobil und erklärten, man werde einzelne Republikaner öffentlich nach ihrem Abstimmungsverhalten bewerten. Auch Teile des linken Flügels der Demokraten im Repräsentantenhaus lehnten die Vereinbarung ab und kritisierten die geplanten Kürzungen bei Sozialausgaben.

Abstimmung könnte sich bis ins Wochenende ziehen

Im Senat braucht das Schuldengrenze-Paket mindestens 60 von 100 Stimmen, um durchzukommen. „Wir haben keinen Spielraum für Fehler“, warnte der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, mit Blick auf den straffen Zeitplan bis zum drohenden Zahlungsausfall. Er bereitet die Senatoren auf eine mögliche Abstimmung am Wochenende vor, sollten Gegner des Schulden-Deals den Prozess verzögern wollen. Möglich wäre das etwa durch verfahrenstechnische Taktiken.

Einige republikanische Senatoren kritisieren, dass die angestrebten Verteidigungsausgaben im Paket angesichts des Ukrainekriegs und der militärischen Aufrüstung Chinas zu niedrig seien. „Die größten Gewinner dieses Militärbudgets sind China und Putin“, sagte der Senator Lindsey Graham.

Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren kritisierte den Schulden-Deal aus anderen Gründen. „Wir bauen keine stärkere Zukunft als Nation auf, indem wir Steuerbetrügern helfen und hungernden Menschen das Essen wegnehmen. Das ist einfach falsch“, sagte sie. 

>> Lesen Sie hier: Schuldenstreit und Inflation belasten US-Börsen – Biden vor Kongress-Votum: Alles nach Plan

Der Kompromiss soll den Umfang des Bundeshaushaltes, den die Demokraten unter Biden eigentlich vergrößern wollten, nun faktisch einfrieren. So bleiben die Ausgaben für den Inlandsbereich im Jahr 2024 in etwa gleich und dürfen im Jahr 2025 nur um ein Prozent steigen, heißt es in einer Analyse des überparteilichen Congressional Budget Office. Dafür sollen die Budgets vieler Bundesbehörden und Ministerien angepasst werden. 

Das Paket würde die Anhäufung von Schulden, also das Haushaltsdefizit, um etwa 1,5 Billionen Dollar im Laufe eines Jahrzehnts reduzieren, heißt es in der Analyse weiter. Denn bestimmte Inlands-Ausgaben sollen für zwei Jahre gekürzt und gedeckelt werden. So konnten die Republikaner durchsetzen, dass Empfänger bestimmter sozialer Leistungen wie Lebensmittelmarken einen Job nachweisen müssen.

Auch sollen 1,4 Milliarden Dollar aus dem Budget für Steuerfahnder gestrichen und ungenutzte Mittel aus den Covid-Rettungspaketen zurückgeholt werden. Die Demokraten wollten die staatlichen Einnahmen eigentlich durch die stärkere Besteuerung von Reichen erhöhen. Dagegen stemmten sich die Republikaner.

Demokrat Joe Manchin soll eine Pipeline bekommen

In dem Gesetzespaket verbergen sich auch interessante Details für die Energiewirtschaft: Genehmigungen von neuen Energieprojekten sollen beschleunigt werden. So sollen etwa Umweltprüfungen nicht mehr durchschnittlich fünf, sondern nur noch zwei Jahre dauern. Von den schnelleren Verfahren sollen sowohl saubere als auch fossile Energien profitieren. 

Jason Grumet, Präsident der Lobbygruppe American Clean Power, sagte, die Vereinbarung sei ein „wichtiger Start für dringend benötigte Reformen zur Verbesserung der Effizienz von Genehmigungen“. Auch Vertreter der fossilen Energiewirtschaft bezeichneten die Einigung als einen guten ersten Schritt.

Ein Senator konnte sich besonders über den Vorstoß freuen: Der Demokrat Joe Manchin kämpf seit Jahren für die Erlaubnis einer Erdgaspipeline in seinem Bundesstaat West Virginia. Die Mountain Valley Pipeline soll Gas transportieren, dass in den Appalachen gefördert wird, doch Gegner des Projekts blockierten es bislang erfolgreich. Nun soll die Pipeline endgültig fertig gebaut werden, so sieht es das Gesetzespaket zur Schuldengrenze vor. 

Mehr: Gastkommentar von Kenneth Rogoff – Das Debakel um die Schuldenobergrenze ist noch nicht vorbei



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