Die Kerninflation ist in Spanien nach wie vor hoch.
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Madrid Viele EU-Länder dürften neidisch auf Spanien schauen. Denn die Inflation ist dort inzwischen deutlich niedriger als im EU-Schnitt und lag im Mai gerade einmal bei 3,2 Prozent. In Deutschland war sie mit 6,1 Prozent fast doppelt so hoch, obwohl sie auch hier bereits deutlich gefallen ist. Auch in Frankreich liegt sie nach einem deutlichen Rückgang immer noch bei sechs Prozent.
Allerdings hat Spanien kein Patentrezept zur Inflationsbekämpfung, dem man folgen könnte. „Der Grund für die deutlich niedrigere Rate Spaniens liegt vor allem in den fallenden Preisen für Elektrizität und Gas“, sagt Juan Carlos Martínez Lázaro, Ökonom an der privaten IE University in Madrid.
Das zeigt der Blick auf die Kerninflation, die die volatilen Preise für Energie und frische Lebensmittel ausklammert. In Spanien liegt sie bei 6,1 Prozent und damit höher als der Eurozonen-Durchschnitt von 5,6 Prozent.
Zwar sinken die Energiepreise derzeit überall. Aber in Spanien ist der Rückgang aus drei Gründen besonders groß. Zum einen hat das Land in seinem sonnigen und heißen Frühling besonders viel erneuerbare Energie nutzen können, die vergleichsweise günstig ist.
„In den zentralen Stunden des Tages von 11 bis 18 Uhr konnte Spanien seinen gesamten Energiebedarf mit Erneuerbaren decken – vor allem mit Sonne und Wind“, erklärt Lázaro. Einige Energiekonzerne warnen bereits vor Überkapazitäten und kritisieren, dass sie durch die billigen Preise der Erneuerbaren nicht mehr profitabel produzieren könnten.
Niedrigere Energiepreise senken die Inflation in Spanien stärker als anderswo
Zum Zweiten ist in Spanien und Portugal seit Juni 2022 der iberische Gaspreisdeckel in Kraft. Der legt eine künstliche Obergrenze von durchschnittlich 50 Euro pro Megawattstunde für das Gas fest, das zur Stromproduktion verwendet wird.
Auf dem Spotmarkt kostete Gas dagegen zeitweise ein Vielfaches davon. Inzwischen allerdings liegt der Marktpreis teilweise sogar unter 50 Euro, der iberische Gaspreisdeckel kommt also nicht mehr dauerhaft zum Einsatz.
Doch just die niedrigen Marktpreise für Gas und Elektrizität wirken in Spanien viel stärker als in anderen Ländern – darin liegt der dritte Grund für die niedrige Inflationsrate. Das nationale spanische Statistikinstitut nutzt für die Kalkulation der Stromkosten allein den sogenannten regulierten Tarif, dessen Höhe eins zu eins den Preisen auf dem Spotmarkt entspricht.
Das bedeutet: Sinkende Marktpreise für Energie schlagen sich in Spanien sofort in einer niedrigeren Teuerung für Strom nieder – und das, obwohl nur 40 Prozent der spanischen Haushalte und 70 Prozent der Unternehmen von diesem regulierten Stromtarif betroffen sind. Der Rest fällt bei der Berechnung der Strompreise aktuell nicht ins Gewicht.
Madrids Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung haben nur einen geringen Effekt
Das Statistikinstitut will das künftig ändern. Schließlich wirken die Verzerrungen dieser Berechnung in beide Richtungen: Als die Energiepreise kurz nach dem Beginn des Ukrainekriegs besonders hoch waren, hatte das für Spanien den gegenteiligen Effekt.
>> Lesen Sie hier: Inflation in der Euro-Zone sinkt im Mai stärker als erwartet
Die Inflation stieg zu dem Zeitpunkt dort viel früher und schneller als im Rest Europas. Madrid hat sich deshalb in Brüssel mit Vehemenz für den iberischen Gaspreisdeckel und später für eine Reform des europäischen Strommarkt-Designs ausgesprochen.
Zwar hat die spanische Regierung auch weitere Maßnahmen getroffen, um die Inflation in Schach zu halten. So können Spanier nach wie vor öffentliche Nahverkehrszüge umsonst nutzen, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel ist aktuell ausgesetzt, die Steuern auf Energie reduziert. „Das hat insgesamt aber nur einen geringen Effekt für die Inflationsrate gehabt“, urteilt Ökonom Lázaro. „Der wichtigste Effekt sind die gesunkenen Gas- und Strompreise.“
Mehr: Gaspreisdeckel senkt die Inflation in Spanien – hat aber auch negative Effekte
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