Jun 1, 2023
66 Views
Comments Off on Anleihemarkt: „Von der Leyen hat sich verzockt“: Zinsanstieg strapaziert EU-Budget
0 0

Anleihemarkt: „Von der Leyen hat sich verzockt“: Zinsanstieg strapaziert EU-Budget

Written by Moritz Koch

Brüssel Im Ukrainekrieg und im Kampf gegen die Energiekrise hat die EU Milliardensummen mobilisiert – und das eigene Budget ausgedünnt. Jetzt kommt ein weiterer Belastungsfaktor hinzu, der die angespannte Haushaltslage erheblich verschärfen könnte: die steigenden Zinskosten für den Corona-Wiederaufbaufonds.

Eine Studie der Brüsseler Denkfabrik Bruegel für das Europäische Parlament rechnet vor, dass sich die Zinsausgaben der EU bis 2027, das Jahr, in dem der Wiederaufbaufonds ausläuft, von 15 Milliarden auf 30 Milliarden erhöhen könnten. Darunter dürften andere EU-Programme leiden. Denn der Wiederaufbaufonds ist so strukturiert, dass die Zinszahlungen aus dem Haushalt der EU bestritten werden.

Betroffen sind Posten, die im EU-Budget unter der gleichen Kategorie geführt werden, etwa das Studentenaustausch- und Ausbildungsprogramm Erasmus Plus und der Europäische Sozialfonds, der Fortbildungsmaßnahmen finanziert.

Der Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ war in der Pandemie beschlossen worden, um die Erholung der europäischen Wirtschaft mit Zukunftsinvestitionen in die grüne und digitale Transformation zu stimulieren. Zur Finanzierung konnte die EU-Kommission erstmals im großen Stil Anleihen ausgeben.

Als der Fonds konzipiert wurde, verlangten Investoren äußerst geringe Zinsen, entsprechend niedrig wurden die erwarteten Kreditkosten veranschlagt. Doch jetzt hat sich die Lage verändert: Die rasant gestiegene Inflation hat einen Kurswechsel der Europäischen Zentralbank erzwungen.

Leitzinsen belasten das Budget

Die EZB hat die Leitzinsen in Europa schrittweise auf 3,75 Prozent erhöht, in der Folge stiegen auch die Finanzierungskosten des Wiederaufbaufonds. Im Ergebnis könnten die Zinszahlungen 2027 rund 5,3 Prozent des EU-Haushalts ausmachen.

>> Lesen Sie hier: Inflation in der Euro-Zone sinkt im Mai stärker als erwartet

„Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat sich verzockt“, sagt der EU-Parlamentarier Moritz Körner (FDP). „Dass die Finanzierung der EU-Schulden voraussichtlich doppelt so teuer sein wird wie von der Kommission geplant, ist ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler.“

Insgesamt umfasst der Wiederaufbaufonds 750 Milliarden Euro, die teils als Zuschüsse, teils als Darlehen an die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Bis Ende 2026 muss die Kommission dafür noch Anleihen im Wert von 421 Milliarden Euro an den Märkten platzieren.

Da Zinsen schwanken, lassen sich die Finanzierungskosten nur schätzen. Die tatsächliche Belastung könnte größer oder geringer als die in der Studie prognostizierten 30 Milliarden Euro werden – je nachdem, wie sich das Marktumfeld entwickelt.

Teure Therapie

750

Milliarden Euro

umfasst der Corona-Wiederaufbaufonds der EU.

Die Zinsen für die EU sind zuletzt stärker gestiegen als für nationale Regierungen. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass Investoren Zweifel an der Zahlungsmoral der Kommission hegten. Die Kreditwürdigkeit der EU stehe außer Frage, heißt es in Brüssel. Supranationale Organisationen wie die EU zahlten generell mehr für ihre Anleihen als Nationalstaaten.

EU ist ein großer Spieler auf dem Kreditmarkt

Lange war die Kommission nur ein Nischenemittent von Anleihen, doch mit Next Generation EU ist die Kommission zum großen Spieler auf dem Kreditmarkt geworden. Nur Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien leihen sich derzeit mehr Geld von Investoren.

Die Kommission will dieses Gewicht künftig noch stärker nutzen, um ihre Kreditkosten zu drücken. Dabei hilft ihr, dass die EZB beschlossen hat, EU-Anleihen wie Staatsanleihen zu behandeln, etwa dann, wenn sie Sicherheiten von Banken verlangt.

>> Lesen Sie hier: Gastkommentar: Ein EU-Investitionsfonds für Klima und Energie würde Europa geopolitisch stärken

Die angespannte Haushaltslage wird sich mit solchen Finanzmanövern aber nicht überwinden lassen. Die Reserven, die im EU-Budget vorgesehen waren, sind wegen des Ukrainekriegs und der Energiekrise fast aufgebraucht. Das Besondere am EU-Haushalt ist, dass er nicht für ein Jahr, sondern gleich für sieben Jahre festgelegt wird. „Mehrjähriger Finanzrahmen“ wird er deshalb genannt.

Der derzeitige Finanzrahmen umfasst etwas mehr als eine Billion Euro und gilt von 2021 bis 2027. Etwa 80 Prozent der Ausgaben sind fest verplant, etwa für die gemeinsame Landwirtschaftspolitik oder den Kohäsionsfonds, der die Wirtschaftskraft in der EU angleichen soll. Was in dieser Struktur fehlt, ist die Flexibilität, um auf Krisen zu reagieren.

In den kommenden Wochen will die Kommission deshalb eine „Überprüfung“ des EU-Budget anstoßen. EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn tourt derzeit durch die Mitgliedstaaten, um auszuloten, ob es eine Bereitschaft dafür gibt, den Etat aufzustocken.

Dabei zeichnen sich schon jetzt kontroverse Debatten ab. Während die Südländer als Netto-Empfänger von EU-Mitteln eine Haushaltserhöhung befürworten, dürfte Bundesfinanzminister Christian Lindner kaum bereit sein, mehr Geld nach Brüssel zu überweisen.

Mehr: Mehr als 2000 Milliarden Euro, fast die Hälfte in Sondertöpfen: Die gigantischen Reserven der EU



<< Den vollständigen Artikel: Anleihemarkt: „Von der Leyen hat sich verzockt“: Zinsanstieg strapaziert EU-Budget >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.