Jun 6, 2023
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Zuwanderung: Das gebrochene Versprechen vom Aufstieg durch Arbeit

Written by Frank Specht


Arbeitskraft auf einer Baustelle

Branchen wie die Bauwirtschaft, die Nahrungsmittelindustrie, die Landwirtschaft oder die häusliche Pflege sind auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen.

(Foto: imago images/photothek)

Berlin Die von der Bundesregierung geplante Absenkung von formalen Hürden für die Zuwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland birgt die Gefahr einer Verfestigung von prekären Beschäftigungsverhältnissen. Darauf weist der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) in einer neuen Studie hin.

Ausländische Arbeitskräfte seien im Niedriglohnsektor überrepräsentiert, Branchen wie die Bauwirtschaft, die Nahrungsmittelindustrie, die Landwirtschaft oder die häusliche Pflege seien auf sie angewiesen, sagt der Politikwissenschaftler Holger Kolb, der das SVR-Forschungsprojekt geleitet hat.

Oftmals hätten die Migranten aber kaum Aufstiegschancen. Niedrige Entlohnung, überlange Arbeitszeiten und wenig berufliche Aufwärtsmobilität gehörten für sie zum Alltag. „Aus Aufstieg durch Arbeit wird Prekarität trotz Arbeit“, sagt Kolb.

Für die Studie wurden allerdings keine Beschäftigten befragt, sondern Experten von Behörden, Beratungsstellen, Sozialpartnern oder Wohlfahrtsverbänden – mit einem Schwerpunkt auf der Gewerkschaftsseite.

Nach Ansicht der Fachleute ist das deutsche Recht zwar arbeitnehmerfreundlich, aber viele Schutzstandards würden gerade bei ausländischen Beschäftigten weiterhin umgangen. „Es geht weniger um das Recht als die Rechtsdurchsetzung“, sagt Kolb.

Als Beispiel nennt er den „Teilzeitmaurer“, bei dem nur ein Teil der tatsächlich geleisteten Stunden ordnungsgemäß abgerechnet wird. Auch komme es beispielsweise vor, dass Lohn rechtswidrig mit überteuerten Mieten oder den Kosten für die Arbeitskleidung verrechnet werde.

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Ausländischen Arbeitskräften fehle oft das Wissen oder die Durchsetzungsmacht, um sich gegen widerrechtliche Praktiken zu wehren, schreiben die Wissenschaftler. Besonders die Arbeitsrechte ausländischer Arbeitnehmer, die über Personalagenturen vermittelt wurden oder bei Subunternehmern beschäftigt sind, würden zum Teil systematisch unterlaufen.

Helfen könne neben einem Ausbau von Beratungsstellen, die beispielsweise über die Möglichkeit des Arbeitgeberwechsels informieren, ein Verbandsklagerecht. Das würde Gewerkschaften erlauben, für Beschäftigte zu klagen.

Die Forscher sehen die Gefahr einer neuen sozialen Schicht am unteren Rand, die stark migrantisch geprägt ist. Dabei geht es ihnen weniger um Saisonarbeitskräfte wie beispielsweise Erntehelfer, die in kurzer Zeit möglichst viel Geld verdienen wollen und Deutschland dann wieder verlassen.

Sondern um Menschen, die mit ihren Familien für längere Zeit oder dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, denen aber keine echte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich ist, weil sie aus dem Niedriglohnsektor nicht herauskommen.

Supermarkt

Oftmals haben Migranten kaum Aufstiegschancen: Niedrige Entlohnung, überlange Arbeitszeiten und wenig berufliche Aufwärtsmobilität gehören für sie zum Alltag.

(Foto: IMAGO/Shotshop)

Die von der Ampelkoalition geplante Ausdehnung der Westbalkanregelung sei sicher sinnvoll, um an begehrte Arbeitskräfte zu kommen, sagt Kolb. Aber die Migranten könnten leicht in prekäre Beschäftigungsverhältnisse geraten.

Um das Asylverfahren zu entlasten, dürfen Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, dem Kosovo, der Republik Nordmazedonien, Montenegro und Serbien seit 2016 auch ohne Nachweis einer formalen Qualifikation nach Deutschland kommen, wenn sie ein konkretes Jobangebot haben. Die Bundesregierung will das geltende Kontingent von 25.000 Personen pro Jahr verdoppeln.

Außerdem will die Bundesregierung ausländischen Arbeitskräften auch ohne Qualifikation ermöglichen, befristet in Deutschland zu arbeiten, wenn Arbeitgeber Kontingente für bestimmte Tätigkeiten erfragen. Ein möglicher Anwendungsfall wäre eine erneute Knappheit von Gepäckabfertigungskräften an den Flughäfen in der Reisesaison.

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Für den Arbeitgeber soll die Beschäftigung dabei an Bedingungen wie Tarifbindung oder die Übernahme von Reisekosten geknüpft sein. Der Bundesregierung sei also durchaus bewusst, dass andernfalls die Gefahr prekärer Beschäftigung groß sei, sagte Kolb.

Auch wenn bei der Einreise von Arbeitskräften künftig weniger Wert auf die formale Qualifikation gelegt werden soll, empfehlen die Wissenschaftler dennoch, die Anerkennung von Berufsabschlüssen weiter zu entbürokratisieren und zu beschleunigen.

Denn selbst wenn der berufliche Einstieg auch ohne formalen Qualifikationsnachweis gelinge, falle später der Aufstieg auf dem stark an Formalia ausgerichteten deutschen Arbeitsmarkt ohne Zeugnis schwer.

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Politik

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