Jun 6, 2023
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Rüstungsindustrie: Pistorius wirbt für U-Boot-Milliardendeal in Indien

Written by Mathias Peer

Bangkok Verteidigungsminister Boris Pistorius macht bei seinem Indienbesuch Eindruck: „Seine Leidenschaft für Yoga ist lobenswert“, schrieb sein indischer Amtskollege Rajnath Singh nach einem Treffen mit dem SPD-Politiker auf Twitter.

Dabei ist Pistorius nicht nach Neu-Delhi gekommen, um mit Körperkunst zu überzeugen, sondern mit Militärtechnik: Er wirbt in dem bevölkerungsreichsten Land der Welt für einen milliardenschweren Deal mit der deutschen Rüstungsindustrie.

Von einer möglichen Kooperation erhofft sich die Bundesregierung auch einen wichtigen Schritt, um Indien dabei zu helfen, sich aus seiner militärischen Abhängigkeit von Russland zu lösen.

Konkret geht es um sechs U-Boote mit einem konventionellen dieselelektrischen Antrieb, für die Indiens Marine umgerechnet rund fünf Milliarden Euro ausgeben will. Hergestellt werden sollen sie in Zusammenarbeit mit einem von zwei bereits ausgewählten indischen Konzernen.

Als ausländische Technologiepartner gelten von ursprünglich fünf Konzernen, die vonseiten der indischen Regierung in die engere Auswahl kamen, inzwischen nur zwei Konzerne als aussichtsreich: Daewoo Shipbuilding aus Südkorea und der in Kiel ansässige deutsche Hersteller Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS). 

„Es wäre ein großer Auftrag, der an die deutsche Industrie ginge“, sagte Pistorius zum Auftakt seines Besuchs in einem Interview mit der ARD. Von dem Geschäft und einer strategischen Partnerschaft profitiere auch Indien, fügte der Minister hinzu.

Er selbst habe diesbezüglich zwar keine Verträge im Gepäck – abgeschlossen würden diese nicht zwischen den Regierungen, sondern direkt mit den beteiligten Unternehmen. „Ich bin hier, um das zu begleiten und zu unterstützen“, sagte Pistorius.

U-Boot-Absichtserklärung soll am Mittwoch unterzeichnet werden

Geplant ist nach Informationen des Handelsblatts, dass TKMS am Mittwoch in Mumbai im Beisein von Pistorius eine Absichtserklärung mit der indischen Werft Mazagon Dock Shipbuilders unterzeichnen wird. Diese soll festhalten, dass beide Unternehmen die von Indien gewünschten U-Boote gemeinsam produzieren würden, sollten sie von der Regierung den Zuschlag erhalten. TKMS wollte die Pläne nicht kommentieren. Pistorius sprach von einem möglichen Leuchtturmprojekt.

Mazagon Dock Shipbuilders ist eines der zwei lokalen Unternehmen, das es bei dem U-Boot-Plan in die Endauswahl von Indiens Verteidigungsministerium geschafft hat. Der zweite Hersteller auf der Shortlist ist L&T Shipbuilding, der sich nun einen anderen internationalen Partner suchen muss.

Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein indischer Amtskollege Rajnath Singh

Deutschland will Indien dabei helfen, sich bei Rüstungsgütern aus der Abhängigkeit von Russland zu befreien.


(Foto: dpa)

Interesse an dem Projekt hatte auch der spanische Hersteller Navantia gezeigt – er erfüllt indischen Medienberichten zufolge aber nicht alle der technischen Anforderungen, die Indien an den künftigen Partner stellt.

Die französische Naval Group, die ebenfalls in der Vorauswahl der Regierung stand, zog sich bereits zurück. Auch der russische Hersteller Rosoboronexport steht Berichten zufolge nicht mehr für das Projekt zur Verfügung.

Indien ist der weltgrößte Rüstungsimporteur – und Russland ist seit Jahrzehnten sein wichtigster Lieferant. In den vergangenen fünf Jahren hatten russische Hersteller laut dem Forschungsinstitut Sipri in dem Land einen Marktanteil von 45 Prozent.

Die Abhängigkeit von russischen Waffen in Indien, das sich in seiner Nachbarschaft sowohl von China als auch Pakistan bedroht fühlt, gilt als ein wichtiger Grund, weshalb die Regierung in Neu-Delhi Russlands Angriffskrieg in der Ukraine bisher nicht klar verurteilt hat. 

USA bauen Militärkooperation mit Indien ebenfalls aus

Westliche Staaten, die Indien in Asien als strategischen Partner sehen, versuchen sich nun als alternative Militärpartner in Position zu bringen. Vor Pistorius war am Montag US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Neu-Delhi zu Gast.

>> Lesen Sie hier: Indiens Freundschaft mit Russland bedroht die Asien-Strategie des Westens

Bei dem Besuch beschlossen die beiden Länder einen Fahrplan für eine verstärkte Kooperation in der Rüstungsindustrie. Der deutsche Verteidigungsminister lobte einen Tag später, Indien versuche „sehr nachhaltig“, die Abhängigkeit von Russland bei Rüstungsgütern „deutlich und schnell zu reduzieren“.

Pistorius stellte dem Land grundsätzliche Erleichterungen beim Kauf von Waffen und Ausrüstung aus Deutschland in Aussicht: „Indien ist ein wichtiger, um nicht zu sagen der wichtigste strategische Partner für Europa und auch für Deutschland“, sagte er. Das Land müsse dementsprechend behandelt werden. Möglich sei, mit Indien in Zukunft ähnlich umzugehen wie mit Australien und Japan – die beiden Länder können bei deutschen Rüstungskonzernen ohne aufwendige Genehmigungsverfahren einkaufen.

U-Boot der Werft Mazagon Dock Shipbuilders

Die indische Werft soll einen Vertrag mit Thyssen-Krupp Marine Systems unterzeichnen.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Die Bundesregierung sprach sich auch gegenüber deutschen Rüstungsfirmen dafür aus, sich stärker in Indien zu engagieren – aktive Hilfe wurde den Unternehmen dafür aber nicht angeboten.

Pistorius: Müssen uns mit Indiens Nähe zu Russland abfinden 

Dass sich Indien mit Blick auf den Ukrainekrieg nicht klar auf die Seite des Westens stellt und an seiner strategischen Partnerschaft mit Russland festhält, sieht Pistorius nicht als Hindernis.

>> Lesen Sie hier: Indien – Das Geschäft mit russischem Öl läuft so gut wie nie

Auf eine Frage nach Indiens umfangreichen Ölgeschäften mit Russland sagte Pistorius: „Das ist natürlich nicht völlig okay.“ Aber als Partner könne man sich gegenseitig nicht alles vorhalten, was nicht optimal sei. „Dass es Abhängigkeiten gibt, die Einfluss haben auf das Verhalten, ist naheliegend, damit müssen wir umgehen“, sagte er.

Der Minister zeigt sich mit Blick auf Indiens historische Nähe zu Russland auch selbstkritisch: „Vielleicht müssen wir einräumen, dass wir in der Vergangenheit nicht nah genug dran waren.“

Auf seiner Asienreise ist Indien die dritte und letzte Station für Pistorius nach einem Besuch der Sicherheitskonferenz Shangri-La-Dialog in Singapur und einer Visite bei seinem indonesischen Amtskollegen Prabowo Subianto in Jakarta.

Auch dort warb er für deutsche Rüstungsgüter: „Wir haben über die Möglichkeit gesprochen, vielleicht ein U-Boot-Geschäft zu machen“, sagte er. Prabowo, der sich bei der Wahl im kommenden Jahr um das Präsidentenamt in Indonesien bewirbt, nannte die Unterredung „sehr produktiv“.
Mitarbeit: Martin Murphy

Mehr: Indiens Aufstieg – Warum das Land seinen Erfolg jetzt nur noch selbst gefährden kann



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Politik

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