Ankara Zwischen der Türkei und Schweden mehren sich Anzeichen für einen Durchbruch beim Beitritt des skandinavischen Landes zur Nato. Die Türkei hat zugestimmt, einen eigens eingerichteten Gesprächsmechanismus zwischen beiden Staaten fortzusetzen. Regierungsbeamte aus Ankara und Stockholm werden demnach kommende Woche zusammenkommen, um Hindernisse für den NATO-Beitritt Schwedens zu besprechen.
„In Ankara rechnen viele mit einer Zustimmung in diesem Monat“, erklärt Walter Glos, der das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in der türkischen Hauptstadt Ankara leitet.
Schweden hatte zuvor ein neues Anti-Terror-Gesetzt verabschiedet. Das Oberste Gericht in Schweden hatte außerdem der Auslieferung eines Unterstützers der Terrorgruppe PKK an die Türkei zugestimmt. Die Entscheidung über die Auslieferung liegt nun bei der schwedischen Regierung, wie die Zeitung Aftonbladet berichtet. Es wird darüber hinaus erwartet, dass bald erstmals ein Staatsanwalt Anklage wegen Erpressung und Terrorismusfinanzierung erheben wird.
Erdogan will Beziehungen zum Westen verbessern
Das wichtigste Zeichen für einen möglichen Durchbruch gab Präsident Erdogan selbst. Sein neues Kabinett ist in Schlüsselpositionen deutlich pragmatischer eingestellt als zuvor. Die Ministerien für Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Inneres werden Technokraten geführt. Viele der neue Minister hätten bereits in der Vergangenheit enge Kontakte zu westlichen Staaten geknüpft, meint Glos. „Das kann ein Zeichen für die Absicht Erdogans sein, die Beziehungen der Türkei zum Westen zu verbessern.“
Der Druck auf die Türkei wächst, Schwedens Beitrittsantrag vor dem Gipfeltreffen der Allianz Mitte Juli zu ratifizieren. Kommende Woche beginnt die Nato eine ihrer größten Militärübungen – zeitgleich mit der nächsten Gesprächsrunde zwischen der Türkei und Schweden. NATO-Schwergewichte wie die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Deutschland drängten den neuen türkischen Außenminister, den ehemaligen Geheimdienstchef Hakan Fidan, in ihren Glückwunschbotschaften dazu, den schwedischen Nato-Beitritt nicht aus den Augen zu verlieren.
„Wenn das Ziel eines Nato-Beitritts verfehlt wird, zeigt dies Leuten wie Putin, dass es ein schwaches Glied im westlichen Bündnis gibt“, sagte ein NATO-Diplomat gegenüber CNN. Das beziehe sich nicht nur auf den Krieg in der Ukraine oder eventuelle Cyberangriffe, die mit Russland in Verbindung gebracht werden. Auch Koranverbrennungen in Schwedens Hauptstadt Stockholm im März sollen Gerüchten zufolge von russischen Agitatoren initiiert worden sein. Auf diese hatte Erdogan mit Kritik reagiert.
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Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson betonte, er stimme mit Stoltenberg überein, dass Schweden „alles Mögliche“ getan habe, um die Sicherheitsbedenken der Türkei auszuräumen. Paul Levin, Direktor des Instituts für Türkeistudien der Universität Stockholm, sagte gegenüber dem Nachrichtenportal Al-Monitor, dass jetzt ein guter Zeitpunkt für Erdogan sei, seinen Pragmatismus zu zeigen. „In der Türkei gibt es ein neues Kabinett, es stehen keine Wahlen an und das Risiko ist gering, vor den Wählern in seiner Haltung gegen den Terrorismus schwach zu wirken.“
Der ehemalige türkische Nato-Botschafter Fatih Ceylan betonte, die Türkei könne weiterhin auf ihre Sicherheitsbedenken drängen, sobald Schweden Teil des Militärbündnisses sei. Die NATO verfügt nicht über eine Liste der Terrororganisationen wie etwa die Europäische Union. Allerdings gibt es im Vertragswerk des Bündnisses zahlreiche Vorschriften und Methoden der Zusammenarbeit zur Terrorismusbekämpfung.
Türkei schickt Nato-Soldaten in den Kosovo
Die Türkei hatte am Wochenende ihrerseits gezeigt, dass sie sich dem Nato-Bündnis weiterhin verbunden fühlt. Am Sonntag dankte Stoltenberg Erdogan für die Entscheidung Ankaras, ein Kommandobataillon mit 500 Soldaten in den Kosovo zu entsenden, wo nach jüngsten gewalttätigen Unruhen mindestens 30 Nato-Soldaten verletzt worden waren. Das türkische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Sonntag ein Video, das Truppen zeigt, die im Kosovo ankommen und das Logo der „Kosovo Force“ (KFOR) tragen.
„Die Türkei ist nicht NATO-kritisch“, betont auch Glos und bezieht sich sowohl auf die Zusage, weitere Soldaten in den Kosovo zu schicken, als auch auf Gespräche mit politischen Entscheidern in der türkischen Hauptstadt Ankara.
Die Türkei selbst benötige für ihre Sicherheit das Bündnis. Er glaubt, dass Schweden und die Türkei verschiedene Ansichten von Innerer Sicherheit gehabt hätten, auch aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen mit Terrorgruppen und Anschlagsserien. „Beide Seiten haben Zeit benötigt, um sich gegenseitig mehr Vertrauen entgegenzubringen.“ Hier hätten beide Seiten nun konkrete Schritte unternommen.
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