Berlin Olaf Scholz (SPD) greift persönlich in den Haushaltsstreit ein, um das von Christian Lindner (FDP) geplante Sparpaket in der Koalition durchzusetzen. Kanzler und Finanzminister würden die Haushaltsgespräche nun gemeinsam führen, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen. Mit einem halben Dutzend Kabinettsmitgliedern seien Treffen geplant.
Dass ein Kanzler persönlich Etatverhandlungen führt, ist äußerst ungewöhnlich. Der Vorgang macht deutlich, wie uneinig sich die Ampelkoalition beim Haushalt für das kommende Jahr ist. Finanzminister Lindner hält Einsparungen für unumgänglich, um die Schuldenbremse einzuhalten. Von den Grünen und aus Teilen der SPD wird der FDP-Chef für den Sparkurs hingegen kritisiert.
Lindner hatte in den vergangenen Wochen an jeden Minister Briefe geschickt, in denen er vorschreibt, wie viel Geld das Ressort im kommenden Jahr maximal ausgeben darf. Mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums müssen alle Häuser Einsparungen vornehmen. Knapp fünf Milliarden Euro will Lindner so zusammenbekommen.
Die Kürzungen fallen allerdings je nach Ministerium unterschiedlich hoch aus. Sie sollen vor allem die sogenannten disponiblen Ausgaben betreffen, also etwa Förderprogramme. Investitionen oder Sozialausgaben, für die Rechtsansprüche bestehen, sind ausgenommen.
Doch nicht alle Kabinettsmitglieder wollten die Ausgabengrenzen akzeptieren, rund ein halbes Dutzend habe Gesprächsbedarf angemeldet, hieß es in Regierungskreisen. Dazu sollen Außenministerin Annalena Baerbock, Familienministerin Lisa Paus (beide Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zählen. Aber auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) soll nicht zufrieden sein.
Differenzen bei Haushaltspolitik zwischen FDP und Grünen
Die Ministerinnen und Minister müssen nun aber nicht wie sonst üblich mit dem Finanzminister verhandeln, sondern auch mit Kanzler Scholz. Schon die Sparbriefe hatte Lindner mit Scholz abgestimmt. Das zeigt: In der Haushaltspolitik liegen der FDP-Finanzminister und vor allem viele grüne Minister derart weit auseinander, dass ohne Eingreifen des Kanzlers keine Einigung möglich ist.
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Alle Minister, die ihre Ausgabenobergrenzen nicht akzeptieren wollen, müssen nun beim Kanzleramt anklopfen. Scholz und Lindner führen die Gespräche dann gemeinsam. Die ersten sollen bereits stattgefunden haben, weitere in diesen Tagen folgen.
Auf viel Entgegenkommen können die sparunwilligen Minister nicht hoffen. Nach Angaben aus dem Finanzministerium besteht im Haushalt 2024 eine Finanzlücke von rund 20 Milliarden Euro. Die Einsparungen, die Lindner den Ministerien verordnet hat, sollen knapp fünf Milliarden Euro einbringen.
So soll Geld eingespart werden
Es gibt auch bereits Pläne, wie die restlichen 15 Milliarden Euro zusammenkommen sollen. So will Lindner Subventionen kürzen. Dies ist auch im Koalitionsvertrag vorgesehen. Allerdings gab es zuletzt Streit zwischen SPD, Grünen und FDP, welche Finanzhilfen man abbauen kann.
Die Grünen wollen die Pendlerpauschale abschaffen, die Dienstwagenbesteuerung erhöhen oder Steuervergünstigungen für Diesel und Kerosin streichen. Die Liberalen lehnen das ab. Änderungen bei diesen umstrittenen Subventionen sind unwahrscheinlich, vermutlich plant das Finanzministerium Kürzungen bei kleineren Subventionen.
Auch die finanzielle Unterstützung für die Länder will der Bund zurückfahren. Nach Angaben von Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) will Lindner die Finanzierung von Bund-Länder-Programmen um mindestens 900 Millionen Euro kürzen. Betroffen ist etwa das Programm für den Küstenschutz. Aus Bundessicht ist das Länderaufgabe.
Daran gibt es prompt Kritik, etwa von Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne): „Bund und Länder waren sich auf der Finanzministerkonferenz jüngst einig, die aktuell großen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen zu können. Die finanziellen Zusagen des Bundes zur Versorgung von Geflüchteten dürfen dann nicht einen Wimpernschlag später bei anderen gemeinsamen Projekten wieder gekürzt werden.“
Eine weitere Maßnahme, um die Lücke im Etat zu schließen: Einige Investitionen im Bereich Energie und Klimaschutz sollen nicht mehr aus dem Kernhaushalt bestritten werden, sondern aus einem Sondertopf, dem sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF). Auch im KTF ist das Geld zwar mittelfristig knapp. Doch kurzfristig können Ausgaben umgeschichtet werden.
Und zuletzt soll Lindner im Haushalt mit einer sogenannten Globalen Minderausgabe (GMA) planen. Diese wurde schon in den vergangenen Jahren immer wieder in den Etat vorgesehen.
Dabei handelt es sich um pauschale Einsparungen, von denen noch unklar ist, wo sie genau herkommen sollen. Hintergrund: Ein Teil der geplanten Ausgaben, etwa für bestimmte Investitionen, fließt regelmäßig nicht ab, weil die Projekte sich verzögern.
Insgesamt sollen alle Maßnahmen zusammen ausreichen, um die Finanzlücke von 20 Milliarden Euro zu schließen. Damit könnte der Haushaltsentwurf Anfang Juli vom Bundeskabinett und damit vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden.
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Der Haushaltsstreit in der Ampelkoalition zieht sich bereits seit Monaten. Lindner hatte deshalb im März die Vorlage der Etat-Eckpunkte abgesagt. Und auch der Beschluss des Haushaltsentwurfs, der eigentlich Mitte Juni vorgesehen war, wurde verschoben.
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