Peking Trotz eingetrübter Wachstumsaussichten und wachsender geopolitischer Spannungen planen deutsche Unternehmen, ihre Investitionen in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zu erhöhen.
Das geht aus einer Blitzumfrage der deutschen Handelskammer in China (AHK China) hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. An der Umfrage, die Mitte Mai durchgeführt wurde, haben 288 deutsche Firmen in China teilgenommen.
Dabei bewertet rund ein Drittel der Unternehmen seine Geschäftsaussichten schlechter und erwartet niedrigere Gewinne als noch im September vergangenen Jahres. Damals galt in China noch die strikte Null-Covid-Politik, und die Firmen waren in der ständigen Sorge eines Lockdowns. Auch in der chinesischen Industrie hat sich die Stimmung im Mai eingetrübt, wie der offizielle Einkaufsmanagerindex für das verarbeitenden Gewerbe zeigt.
Die wirtschaftliche Erholung sei derzeit „weniger dynamisch als von vielen erhofft“, sagte der AHK-Chinavorsitzende Hubertus Troska. Zudem hätten geopolitische Spannungen Erwartungen auf eine schnelle Verbesserung des Geschäftsumfelds gemindert.
Dennoch will mehr als die Hälfte der von der AHK China befragten Firmen ihre Investitionen in der Volksrepublik in den kommenden zwei Jahren erhöhen, um auf dem wichtigen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Das seien zwar etwas mehr als im Vorjahr, jedoch deutlich weniger als in den Jahren 2020 und 2021. Damals hatten mehr als 70 Prozent der teilnehmenden Firmen höhere Investitionen geplant.
Gründe für gestiegene Vorsicht
Die wichtigsten Gründe für die gestiegene Vorsicht sind die eingetrübten wirtschaftlichen Aussichten (58 Prozent), die anhaltenden geopolitischen Spannungen (42 Prozent) und Chinas Streben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit (28 Prozent). So fordert die chinesische Staatsführung von im Land tätigen Unternehmen zunehmend, vor Ort zu fertigen und auf heimische Lieferanten zurückzugreifen.
Die deutschen Unternehmen in China „fahren zweigleisig“, um sich an die neuen Realitäten anzupassen, sagt AHK-China-Geschäftsführer Jens Hildebrandt. Einerseits setzten sie verstärkt auf eine Lokalisierung, sie produzieren in China für China.
Andererseits suchen sich zunehmend nach Alternativen abseits von Chinas, um ihr Risiko zu diversifizieren. Allerdings gaben lediglich 6,6 Prozent der Unternehmen an, aufgrund der geopolitischen Spannungen Geschäft aus China abzuziehen.
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Die langsame Erholung in China lässt derweil die Forderungen nach einem Konjunkturprogramm lauter werden – auch bei den deutschen Unternehmen. Fast zwei Drittel der von der AHK China Befragten hoffen, dass die Staatsführung das Vertrauen der Konsumenten stärkt. Denn die Hoffnung, dass die chinesischen Verbraucher ihre Pandemie-Ersparnisse nach dem Ende der Coronabeschränkungen ausgeben, hat sich bislang nicht erfüllt.
Wunsch nach Gleichberechtigung
Mit Blick auf die bevorstehenden deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die am 19. Juni in Berlin beginnen, wünscht sich knapp die Hälfte der deutschen Unternehmen von der chinesischen Regierung mehr Rechtssicherheit.
Schon seit Längerem fordern die Firmen zudem mehr Gleichberechtigung insbesondere bei öffentlichen Ausschreibungen. Trotz aller Schwierigkeiten hofft eine Mehrheit der Befragten auf eine stärkere Zusammenarbeit in den Bereichen Dekarbonisierung, intelligente Fertigung und Mobilität.
Im Vorfeld der Regierungsgespräche sind auch Spitzenvertreter der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) nach China gereist, um sich nach der Pandemie ein eigenes Bild von der Lage vor Ort zu machen und über die Wirtschaftsbeziehungen mit China zu sprechen.
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DIHK-Präsident Peter Adrian sprach von einer „vertrauensbildenden Maßnahme“. Er erwarte viel von den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen, auf chinesischer wie auf deutscher Seite.
Folgen der Coronapolitik weiterhin spürbar
Denn Kritik gibt es auch an der deutschen Regierung: 80 Prozent der Unternehmen beklagen die langen Wartezeiten bei Geschäftsvisa für chinesische Mitarbeiter, die nach Deutschland reisen wollen.
Grund dafür ist eine Unterbesetzung in den Visastellen an der deutschen Botschaft und den Konsulaten in China. Da sich die Volksrepublik während der Pandemie fast drei Jahre lang weitgehend von der Außenwelt abgeschottet hatte, war dort Personal abgebaut worden.
Keine Sorge bereitet der deutschen Wirtschaft in China dagegen die jüngste Coronawelle in der Volksrepublik. Experten zufolge könnten sich bis Ende des Monats bis zu 65 Millionen Menschen pro Woche mit Corona infizieren.
Doch seitdem die Staatsführung Covid zur einfachen Erkältung erklärt hat, wird die Ausbreitung des Virus, der im vergangenen Jahr immer wieder zu großräumigen Lockdowns geführt hat, weitgehend ignoriert.
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Zwar hat das Virus damit seinen Schrecken verloren, auch für die deutsche Wirtschaft vor Ort. Doch die Langfristfolgen der strikten Null-Covid-Politik sind weiter spürbar. Sie hat vielen ausländischen Wirtschaftsvertretern deutlich gemacht, wie willkürlich die chinesische Staatsführung handeln kann – und dadurch das Vertrauen in den wichtigen Markt geschädigt.
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