Jun 9, 2023
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Wärmewende: Heizungsgesetz macht Müllverbrennung zu „erneuerbarer Energie“

Written by pinmin


Müllverbrennungsanlage

Unvermeidbarer Müll muss auch in Zukunft verbrannt werden, heißt es.


(Foto: dpa)

Berlin Der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sieht vor, Abwärme aus Müllverbrennungsanlagen als „erneuerbar“ einzustufen. Das kann rechnerisch zwar dabei helfen, auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung voranzukommen. Doch unter Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ist es nach Einschätzung von Naturschützern und Recyclingbranche „eine Katastrophe“.

Der GEG-Entwurf, den Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) im April durchs Kabinett gebracht hatten, sieht vor, dass ab 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizungsanlage zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll.

Auch Wärmenetze sollen in den kommenden Jahren Schritt für Schritt ergrünen. Sie sollen bis 2030 einen Anteil von mindestens 50 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien oder Abwärme aufweisen, bis 2045 müssen sie komplett treibhausgasneutral sein.

Die in der Interessengemeinschaft Thermische Abfallbehandlung (ITAD) zusammengeschlossenen Unternehmen betreiben nach eigenen Angaben 59 Abfallverbrennungsanlagen mit Wärmeauskopplung, die 2,02 Millionen Haushalte mit Wärme versorgen. Viele dieser Anlagen sind in der Hand der Kommunen.

„Ermunterung für mehr Müllverbrennung“

Mit der geplanten Definition für die Abwärme aus der Müllverbrennung ergibt sich eine Erfüllungsoption, um in einem Wärmenetz den Erneuerbaren-Anteil zu erhöhen. Im Gesetzentwurf wird Wärme, die bei der Abfallverbrennung entsteht, als „unvermeidbar“ und zu 100 Prozent als erneuerbar eingestuft.

Müll

Etwa zwei Drittel des Inhalts der durchschnittlichen Restmülltonne in Deutschland seien stofflich verwertbare Abfälle.

(Foto: IMAGO/photo2000)

Aus Sicht von Eric Schweitzer, Inhaber des Entsorgungsunternehmens ALBA, ist das unverständlich und kontraproduktiv. „Städte und Landkreise werden dieses Gesetz als Anreiz und Ermunterung für mehr Müllverbrennung verstehen“, sagte er. „Statt die Abfalltrennung und Rohstoffschonung zu honorieren, fördert Habeck nun das vermehrte Verbrennen und die Rohstoffverschwendung. Was daran ,erneuerbar‘ oder ,unvermeidbar‘ sein soll, bleibt unerklärt“, kritisierte Schweitzer.

>> Lesen Sie hier: Alle aktuellen Entwicklungen in der Energiekrise im Newsblog

Michael Jedelhauser, Experte für Kreislaufwirtschaft beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), pflichtet Schweitzer bei. Der Definition im Gesetzentwurf liege die Fehlannahme zugrunde, dass es sich bei der Müllverbrennung um eine unvermeidbare Praxis zur Entsorgung von Abfällen handele. „Das Gegenteil ist der Fall: Etwa zwei Drittel des Inhalts der durchschnittlichen Restmülltonne in Deutschland sind stofflich verwertbare Abfälle, insbesondere Bioabfälle, aber auch Altpapier, Verpackungsabfälle oder Elektroaltgeräte.“

Stofflich verwertbar heißt, dass Abfälle nicht verbrannt werden müssten, sondern auch wiederverwendet werden könnten, wie etwa Papier und Glas. „Für diese Abfälle gibt es in Deutschland gut ausgebaute Getrennterfassungssysteme, weshalb die Abfallverbrennung mit ihren erheblichen fossilen und biogenen CO2-Emissionen keineswegs unvermeidbar ist“, sagt Jedelhauser.

Ampelpolitiker verteidigen den Plan

Schweitzer sagte, zuerst gehe es darum, Abfall zu vermeiden. Wenn dennoch Abfall anfalle, müsse dieser möglichst recycelt werden.  Falls sich Restabfälle nicht mehr fürs Recycling eigneten, könne man aus diesen immer noch hochwertige Ersatzbrennstoffe herstellen. „Und erst wenn selbst dies nicht mehr möglich ist, steht ganz am Ende als letzte Instanz die Müllverbrennungsanlage“, sagte Schweitzer.

Müllverbrennungsanlage

Nicht alle Abfälle müssen wohl verbrannt werden. Stoffe wie Papier oder Glas könnten etwa auch wiederverwendet werden.


(Foto: dpa)

Jedelhauser hält die geplante Regelung für „widersprüchlich und nicht nachvollziehbar“. Er fordert, dass im GEG geregelt wird, die Abfallverbrennung nicht als unvermeidbare Abwärme zu klassifizieren und sie entsprechend nicht vollständig zur Erfüllung der Vorgaben an die Wärmeversorgung anzurechnen.

„Ansonsten wird es zu der absurden Situation kommen, dass Kommunen auf dem Papier klimaneutrale Wärmenetze betreiben, in Wirklichkeit aber weiterhin vermeidbares CO2 über ihre Abfallverbrennungsanlagen emittieren“, warnt er.

Politiker der Ampelkoalition verteidigen dagegen die Pläne, so etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Hümpfer: „Die Einstufung ist gerechtfertigt. Müllheizkraftwerke versorgen ohnehin Tausende Haushalte mit Wärme und leisten dadurch einen großen Beitrag zur Dekarbonisierung im Wärmesektor“, sagte Hümpfer.

Unvermeidbarer Müll werde auch in Zukunft verbrannt werden müssen. Dabei werde die Abscheidung und Speicherung oder Wiederverwertung des freiwerdenden CO2 künftig eine Lösung sein.

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Hümpfer räumte allerdings ein, die Recyclingquote müsse deutlich verbessert werden. „Wir müssen Müll noch stärker als Rohstoff sehen und das noch stärker in den Köpfen der Menschen verankern“, sagte er.

Auch die Stadtwerke, die viele der Abfallverbrennungsanlagen betreiben, begrüßen die von der Ampelkoalition geplante Option zur Erfüllung des Erneuerbaren-Anteils in Wärmenetzen. Sie verweisen darauf, die Abfallverbrennung erfolge auch aus hygienischen Gründen.

Die Nutzung der Abwärme sei „sinnvoll und richtig, um die Umweltbilanz der Abfallverbrennung so nachhaltig wie möglich zu gestalten“, sagte eine Sprecherin des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), in dem die Stadtwerke zusammengeschlossen sind. Die entstehenden fossilen CO2-Emissionen seien in einer Ökobilanz den Produkten zuzuschreiben, nicht der Abfallentsorgung als solche.

Mehr: Klempner lehnen Aufträge zum Einbau von Gaskesseln ab



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