Ein ukrainischer Soldat feuert einen Granatenwerfer auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut.
Riga Die ukrainische Gegenoffensive nimmt verschiedenen Berichten zufolge Fahrt auf. Militäranalysten des Instituts für Kriegsforschung (ISW) mit Sitz in Washington meldeten am Freitagmorgen, die Ukraine hätte Operationen im Rahmen der Gegenoffensive durchgeführt – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Diese Operationen seien Teil einer umfassenderen Gegenoffensive, die laut ISW schon seit vergangenem Sonntag im Gange ist.
Den Experten zufolge habe die Ukraine beispielsweise taktische Gewinne in der Oblast Donezk gemacht, auch im Westen der Region Saporischschja hätten die ukrainischen Truppen angegriffen, allerdings zum Zeitpunkt des Berichts noch keine Gewinne verzeichnet. Das ISW berichtet zudem, dass die Ukraine einige militärische Fahrzeuge, die vom Westen bereitgestellt wurden, am Donnerstag verloren habe.
Solche Verluste seien aber „bei jedem militärischen Unterfangen unvermeidlich“. Die ukrainischen Streitkräfte würden bei Offensivoperationen Verluste erleiden, darunter werde „sowohl westliche als auch sowjetische Ausrüstung“ sein, so die Analysten.
Auch laut Militäranalyst Niklas Masuhr, der an der ETH Zürich forscht, sind die Offensivbemühungen der Ukraine in jüngster Zeit „einige Gänge hochgeschaltet“ worden. Die Schwerpunkte der angekündigten Gegenoffensiven werden aus nördlicher Richtung in Saporischschja und in den östlichen Regionen von Donezk und Luhansk vermutet.
Seit gestern hatten auch die US-Zeitungen „Washington Post“ und die „New York Times“ berichtet, dass die Gegenoffensive bereits begonnen habe. Die „New York Times“ berief sich dabei auf drei hochrangige US-Regierungsvertreter, die „Washington Post“ auf vier namentlich nicht genannte Quellen aus dem ukrainischen Militär.
Selenski lobt ukrainische Truppen für „Ergebnis“ ihrer Anstrengungen
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski berichtete am Freitag lediglich vage über die jüngsten Kämpfe gegen russische Angriffstruppen, zuvor hatte die ukrainische Seite Meldungen über den Beginn der Gegenoffensive zurückgewiesen. Er sei in Kontakt mit den ukrainischen Einheiten in „allen heißesten Gegenden“ und lobte sie für das „Ergebnis“ ihrer Anstrengungen, das er aber nicht näher erklärte. Die Äußerung könnte als Anspielung auf die Gegenoffensive gedeutet werden. Selenski sagte in dem Video auch, die Zeit sei noch nicht gekommen, um Einzelheiten der Kämpfe offenzulegen.
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Sowohl russische als auch ukrainische Stellen meldeten allerdings schwere Gefechte im Osten des Landes in der Region Donezk. Von russischer Seite gab es darüber hinaus Berichte über intensive Gefechte in der Region Saporischschja, die sich im Süden des Landes befindet.
Die Regierung in Moskau stellte die jüngste Entwicklung als groß angelegte Gegenoffensive der Ukraine dar und betonte, diese werde zurückgeschlagen. Auch nach Darstellung von Russlands Präsident Wladimir Putin habe die Gegenoffensive begonnen. „Dies wird durch den Einsatz der strategischen Reserve bestätigt“, erklärte Putin am Freitag auf einer Konferenz in Sotschi. Dagegen sprach die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar zuvor bereits von russischen Angriffen, die abgewehrt würden. Die Ukraine wirft Russland vor, Falschinformationen mit Blick auf die Gegenoffensive zu verbreiten.
Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Oblast Cherson und daraus resultierende Überschwemmungen hatten zu Debatten über die Auswirkungen auf die angekündigte Gegenoffensive geführt. ETH-Forscher Masuhr ist der Ansicht, dass die Zerstörung des Damms wenig unmittelbaren Einfluss auf den militärischen Verlauf des Kriegs haben dürfte. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Ukraine eine Überquerung des Dnepr als gewichtige Offensivachse vorgesehen hatte“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
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Beide Seiten machen sich auch gegenseitig für die Zerstörung des Damms verantwortlich, allerdings befindet sich der Damm auf von russischen Besatzungstruppen kontrolliertem Gebiet. Am Freitag erklärte der ukrainische Inlandsgeheimdienst, er habe ein Telefongespräch mitgeschnitten, das die Verantwortung für die Dammzerstörung durch Russland beweise. Die Angaben können derzeit nicht unabhängig überprüft werden. Die Anzahl der gemeldeten Todesopfer ist mittlerweile auf 16 angestiegen.
Ergebnis der Gegenoffensive könnte sich auf künftige Waffenlieferungen auswirken
Nachdem die ukrainischen Streitkräfte im vergangenen Spätsommer und Herbst große zuvor besetzte Gebiete befreien konnten, inklusive der Stadt Cherson, sind die Erwartungen der internationalen Partner des Landes an die Gegenoffensive groß. In den vergangenen Wochen hatten hochrangige Regierungsmitglieder vor diesem Hintergrund immer wieder vor zu hohen Hoffnungen gewarnt. Nachdem die Ukraine aus dem Westen milliardenschwere Militärhilfe bekommen hat, gilt ein Erfolg oder Misserfolg der Gegenoffensive als Faktor bei der Entscheidung über weitere Hilfen.
Mit Agenturmaterial.
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