Die 52-jährige ehemalige SNP-Chefin wurde am Sonntag kurzzeitig verhaftet.
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London Die kurzzeitige Verhaftung der ehemaligen schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon am Sonntag ist für Schottlands Nationalisten ein weiterer Tiefschlag. Dadurch wird nicht nur der ungeklärte Finanzskandal der Scottish National Party (SNP) über den Verbleib von Wahlkampfspenden in Höhe von 600.000 Pfund (rund 700.000 Euro) wieder in den Fokus gerückt.
Auch die von der SNP angestrebte Loslösung vom Vereinigten Königreich rückt in immer weitere Ferne, nachdem nun wegen Sturgeon auch das Image der Unabhängigkeitsbewegung politisch stark beschädigt ist.
Am deutlichsten zeigt sich das durch die Rufe von SNP-Politikern, Sturgeon von der Partei, die sie vor drei Monaten noch angeführt hatte, zu suspendieren. Es sei Zeit für politische Distanz zu Sturgeon bis zum Ende der Untersuchung, forderte der langjährige SNP-Abgeordnete Angus MacNeil.
Unter Zugzwang steht damit Sturgeons Nachfolger, der neue Partei- und Regierungschef Humza Yousaf. Der 38-Jährige ist selbst ein politischer Zögling der ehemaligen Parteichefin und gilt als führungsschwach.
Yousaf muss nicht nur verhindern, dass die öffentliche Unterstützung für die Unabhängigkeit weiter sinkt. Zuletzt sprachen sich nur noch 39 Prozent der Schotten für einen Alleingang aus. Die SNP war 2014 mit einem Referendum zur Unabhängigkeit gescheitert. Versuche, eine neue Volksabstimmung einzuleiten, sind bislang am Einspruch Londons und der Gerichte gescheitert.
Finanzskandal belastet politische Situation
Sturgeons Nachfolger muss jedoch auch dafür sorgen, dass die SNP ihre führende Position nicht gefährdet. Seit Ausbruch des Finanzskandals hat die Partei in Meinungsumfragen rund zehn Prozentpunkte verloren.
Der 38-Jährige ist selbst ein politischer Zögling der ehemaligen Parteichefin und gilt als führungsschwach.
Von ihrer Schwäche profitiert vor allem die schottische Labour-Partei. Bei den letzten Parlamentswahlen in Großbritannien 2019 hatte die SNP noch 48 von 59 möglichen Unterhaussitzen in Westminster gewonnen. Meinungsforscher gehen jetzt davon aus, dass Labour in Schottland deutlich hinzugewinnen könnte.
Hintergrund der sich ausweitenden Krise ist ein Finanzskandal mit dubiosen Krediten, möglicherweise schwarzen Kassen – und einem mehr als 100.000 Euro teuren Wohnmobil. Die Polizei geht bereits seit 2021 der Frage nach, ob Parteispenden in Höhe von 600.000 Pfund, die von der SNP für die Unabhängigkeitsbewegung eingesammelt wurden, in andere, zweckfremde Kanäle geflossen sind.
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Die Parteiführung bestreitet das und hat alle Vorwürfe zurückgewiesen. Ungeklärt ist aber, wer das Luxus-Wohnmobil gekauft hat, das die Polizei im April sicherstellte und von dem die SNP behauptet, es sollte ursprünglich als „Wahlkampfbus“ genutzt werden.
Sturgeon ist die dritte SNP-Politikerin, die verhaftet wurde
Obwohl Sturgeon damit rechnen musste, dass auch sie von der Polizei zur Vernehmung geladen würde, reagierte sie auf die Verhaftung und das anschließende siebenstündige Kreuzverhör geschockt: „Sich in dieser Situation wiederzufinden, obwohl ich mir sicher war, keine Straftat begangen zu haben, ist sowohl ein Schock als auch zutiefst erschütternd”, sagte die 52-Jährige nach ihrer Freilassung am Sonntagabend.
Im April war bereits ihr Ehemann Peter Murrell, lange Generalsekretär der SNP, verhaftet, vernommen und wieder freigelassen worden. Kurz danach erwischte den früheren Schatzmeister Colin Beattie das gleiche Schicksal. Bislang ist gegen keinen der drei SNP-Politiker Anklage erhoben worden.
Die wohl wichtigsten Fragen aber sind: Was wusste Sturgeon? Und wollte sie mit ihrem Rücktritt im Februar dem kurz danach aufgedeckten Finanzskandal zuvorkommen? „Ich verstehe die Ansicht einiger Leute, dass ich wusste, dass sich dies entwickeln würde, und dass ich deshalb gegangen bin“, sagte Sturgeon im Frühjahr. Aber sie beharrt darauf: „Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.“
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Sturgeon ist bereits die zweite ehemalige Regierungschefin Schottlands, die von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde. 2019 wurde bereits ihr Vorgänger und Mentor Alex Salmond wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe verhaftet und später freigesprochen.
Mehr: Nachfolger von Nicola Sturgeon: Humza Yousaf führt die schottischen Nationalisten.
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