Berlin Wärmenetze können nach Überzeugung der Stadtwerke künftig eine tragende Rolle beim Heizen spielen – und vielen Eigentümern so teure Investitionen in eine Wärmepumpe sparen. „Wir halten eine Verdreifachung des Marktanteils der Fernwärme von heute 14 Prozent bis 2045 für denkbar“, sagte Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), dem Handelsblatt.
Im VKU sind die Stadtwerke zusammengeschlossen, die bei den Wärmenetzen einen Marktanteil von 90 Prozent haben. Aktuell werden sechs von 43 Millionen Haushalten in Deutschland mit Fernwärme versorgt.
Die Bundesregierung will die Rolle der Wärmenetze stärken und hat daher heute zum Fernwärme-Gipfel eingeladen. Das Thema spielt in der Debatte über die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) eine Rolle.
Der GEG-Entwurf, den Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) im April durchs Kabinett gebracht hatten, sieht vor, dass ab 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizungsanlage zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll.
Auch Wärmenetze sollen in den kommenden Jahren Schritt für Schritt ergrünen. Sie sollen bis 2030 einen Anteil von mindestens 50 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien oder Abwärme aufweisen, bis 2045 müssen sie komplett klimaneutral sein.
Hausbesitzer müssten keine neue Heizungseinlage einbauen
Für Hauseigentümer macht der Anschluss an ein Wärmenetz den Einbau einer neuen Heizungsanlage überflüssig. Statt selbst auf das Heizen mit erneuerbaren Energien umzustellen, können sie diese Aufgabe an den Betreiber des Wärmenetzes delegieren und die Investition in eine Wärmepumpe vermeiden. „Mit Wärmenetzen besteht die Möglichkeit, ganze Wohnquartiere sprunghaft auf eine klimafreundliche Wärmeversorgung umzustellen“, sagt Liebing.
Der Bund fördert den Ausbau von Wärmenetzen mit dem Programm „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze“ (BEW). Das Programm wurde Mitte September vergangenen Jahres aufgelegt. Es ist mit drei Milliarden Euro ausgestattet und läuft bis 2026.
VKU-Chef Liebing bezeichnet das Programm als „positives Signal“, ist aber davon überzeugt, dass die Mittel „bei Weitem“ nicht reichen.
„Der Ausbau von Wärmenetzen sei „extrem kapitalintensiv“, sagte er. „Wir brauchen bis 2035 jährlich drei Milliarden Euro“. Er schlägt vor, das Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) bereitzustellen.
Eng verknüpft ist der Ausbau von Wärmenetzen mit der kommunalen Wärmeplanung, die die Bundesregierung mit einem eigenen Gesetz vorantreiben will. Damit sollen die Kommunen verpflichtet werden, Gebiete zu definieren, die für Wärmenetze in Betracht kommen.
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Auf Basis einer Potenzialanalyse sollen sie dann ein Zielbild mit konkreten Umsetzungsplänen definieren. Bislang gibt es eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung in Deutschland nur punktuell, etwa in Baden-Württemberg.
Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserswirtschaft (BDEW), sagte, es gelte, einen Rahmen zu schaffen, der es sowohl den Energieunternehmen als auch den Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern ermögliche, die Wärmewende planvoll umzusetzen. Dabei sei es „unerlässlich“, Fernwärme zu stärken.
Branche stellt Fernwärme-Netze auf klimafreundlichere Lösungen um
Kommunale Wärmepläne spielen daher nach Überzeugung von Liebing eine zentrale Rolle. „Die Stadtwerke brauchen die Wärmepläne eher heute als morgen“, sagte er. Darum begrüße der VKU Überlegungen, im geplanten Wärmeplanungsgesetz die Pflicht zur Vorlage von Wärmeplänen um ein Jahr vorzuziehen. Das setze aber voraus, dass die Kommunen sie ohne großen Aufwand erstellen können.
Im ursprünglichen Gesetzentwurf hieß es, Großstädte sollten bis Ende 2026 Zeit bekommen, die Wärmepläne zu erstellen, kleinere Städte bis Ende 2028. In der jüngsten Fassung ist von 2025 und 2027 die Rede. „Je eher die Wärmeplanung vorliegt, um so größer ist die Chance, Hauseigentümer vor Fehlentscheidungen zu bewahren“, sagte Liebing.
Die meisten Fernwärmenetze werden heute noch auf Basis fossiler Energien betrieben, indem sie etwa die Abwärme von Kraftwerken oder Industrieanlagen nutzen. Auch Müllverbrennungsanlagen dienen als Wärmequellen.
Die Branche stellt schrittweise auf klimafreundlichere Lösungen um. So gibt es bereits Netze, die mit Erdwärme gespeist werden. Künftig werden auch Großwärmepumpen eine Rolle spielen. Auch bestehende KWK-Anlagen wandeln sich, weil sie künftig mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können.
KWK steht für Kraft-Wärme-Kopplung. KWK-Anlagen produzieren gleichzeitig Strom und Wärme. Sie werden aktuell zum großen Teil mit Erdgas betrieben.
Verbraucherschützer fordern bundesweite Preisaufsicht für Fernwärme
Vielen Fernwärme-Angeboten haftet allerdings der Verdacht an, überteuert zu sein. Hintergrund ist, dass die Betreiber von Wärmenetzen Monopolversorger sind. Wer einmal seinen alten Heizkessel verschrottet hat und sich ans Wärmenetz anschließen lässt, muss sich meist über viele Jahre vertraglich binden und hat kaum mehr Wechselmöglichkeiten.
Der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordern daher einen verbesserten Verbraucher- und Mieterschutz beim Ausbau der Fernwärme. Nur so könne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung geschaffen werden und die Fernwärme ihren Beitrag zur Wärmewende leisten, heißt es in einem gemeinsamen Forderungspapier von DMB und vzbv.
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Vzbv-Vorständin Ramona Pop sagte: „Intransparenz und nicht nachvollziehbare Preiserhöhungen führen zu Skepsis oder sogar Ablehnung gegenüber der Fernwärme.“ Hier müsse der Gesetzgeber ran. Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des DMB, forderte eine „bundesweit Preisaufsicht“, die die Preise und deren Zusammensetzung systematisch prüfe und reguliere.
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