Berlin Der Plan, den Ländern durch Einsparungen bei der regionalen Wirtschaftsförderung insgesamt 900 Millionen Euro zu kürzen, trifft auf Widerstand. Mehrere SPD-Landesminister erklären im Handelsblatt, gegen das Vorhaben von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angehen zu wollen.
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel warnte: „Das würde der Akzeptanz von deutscher Politik in schwieriger Zeit noch mal einen Schlag versetzen.“ Berlin nutze die Bund-Länder-Finanzierungen als Steinbruch zur Haushaltskonsolidierung, das sei „weder klug noch akzeptabel“.
Dass die Kritik aus den Ländern insbesondere von Sozialdemokraten kommt, ist besonders pikant. Offiziell angemeldet hatte die Kürzungspläne Lindner in seiner Funktion als Finanzminister. Es sei aber Bundeskanzler Scholz, der den Plan maßgeblich vorantreibe, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen.
Für Scholz ist es angeblich die Retour für die Flüchtlingsfinanzierung. Ende Mai hatte die Bundesregierung der Forderung der Länder nach mehr finanzieller Unterstützung für die Versorgung von Flüchtlingen nachgegeben.
Für dieses Jahr wurde die Flüchtlingspauschale, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, um eine Milliarde Euro erhöht. Der Kanzler wolle sich nun über den Weg der regionalen Wirtschaftsförderung möglichst viel davon zurückholen, um zu zeigen, dass er sich nicht vorführen lasse, heißt es in Regierungskreisen. Auf Anfrage erklärte ein Regierungssprecher, man kommentiere die laufenden Haushaltsberatungen grundsätzlich nicht.
Die Kürzungspläne sind Teil des grundlegenden Streits der Ampelregierung um den Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Sie beziehen sich auf drei Programme, bei denen der Bund den Ländern Geld gibt, die die Programme wiederum kofinanzieren: die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW), die Städtebauförderung und die die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.
Förderung fällt doppelt weg
Um jeweils 300 Millionen sollen die Programme beschnitten werden, was mit Blick auf andere Kürzungspläne nicht allzu viel ist. Die Länder halten Kürzungen an dieser Stelle aber für besonders ungeeignet, insbesondere bei der GRW.
Bislang stellte der Bund den Ländern dafür jährlich 650 Millionen Euro zur Verfügung. Von dem Programm profitieren vor allem die ländlichen Räume. Ländervertreter fürchten, dass eine Kürzung an dieser Stelle weitere Wählerinnen und Wähler in die Arme der AfD treiben könnte. Die rechtsextreme Partei ist derzeit im Umfragehoch.
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Beim GRW stocken die Länder die Bundesmittel mit dem gleichen Betrag auf. Die Kürzung des Bundes um 300 Millionen würde also insgesamt einen Wegfall von 600 Millionen Euro an Mitteln bedeuten.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) erklärte, jeder Cent weniger in den Programmen für die Regionen würde „dramatische Konsequenzen“ haben. „Entsprechend ist die in der Diskussion befindliche Kürzung gänzlich unakzeptabel“, sagte Steinbach.
Auch der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) warnte: „Wir müssen aufpassen, dass nicht von falscher Seite das eine Thema gegen das andere ausgespielt wird.“ Aus der aktuell schwierigen Situation müsse Deutschland sich „jetzt herausinvestieren und nicht an der falschen Stelle sparen“.
Auf Bundesebene ist Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zuständig für das GRW. Auch er hält Kürzungen für falsch. Der Bundeshaushalt müsse saniert werden, sagte er am Montag bei einer Veranstaltung im brandenburgischen Bad Saarow. „Aber es erscheint mir falsch, wie es angedacht ist, in dieser Phase von wirtschaftlicher Schwäche und in dieser Phase, wo populistische Kräfte gerade die strukturschwachen Regionen für ihre Zwecke missbrauchen, an diesem Programm jetzt zu sparen“, erklärte Habeck.
Bauministerin Geywitz nicht überzeugt von Scholz’ Plänen
Neben den Landesministern gibt es in der Bundesregierung ein weiteres SPD-Mitglied, das die Kürzungspläne von Scholz und Lindner kritisch beäugt: Bauministerin Klara Geywitz. Sie ist verantwortlich für die Städtebauförderung, die ebenfalls um 300 Millionen Euro geschrumpft werden soll. Bisher stellte der Bund dafür jährlich 790 Millionen Euro bereit.
Das Programm wird zu je einem Drittel durch Bund, Länder und Kommunen finanziert. Das heißt, die Kürzung könnte insgesamt ein Minus von bis zu 900 Millionen Euro in der Städtebauförderung bedeuten.
Eine Sprecherin des Bauministeriums deutete gegenüber dem Handelsblatt an, dass Geywitz das für einen Fehler halten dürfte: „Der Ministerin liegt die Städtebauförderung sehr am Herzen.“ Sie werde die Mittel verteidigen, hieß es. Damit sei in den vergangenen Jahrzehnten viel für die Weiterentwicklung der Städte und Gemeinden erreicht worden.
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Auch laut Karen Pein (SPD), Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, sei in der aktuell schwierigen Phase am Immobilienmarkt „ein Zurückfahren der Mittel in dieser Situation das absolut falsche Signal“. Jeder Euro in der Städtebauförderung setze nachweislich sieben weitere Euro in der Wirtschaft frei.
Bislang scheint der mehrstimmige Protest aber nicht zu wirken. FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer bekräftigte viel mehr die Pläne seines Parteichefs Lindner und von Kanzler Scholz. „Die Länder haben sich die letzten zwei Jahrzehnte daran gewöhnt, kollektiv die Hand aufzuhalten und laut zu schreien“, sagte Meyer.
Die Länder säßen auf Überschüssen von fast 13 Milliarden Euro aus dem vergangenen Jahr und würden in diesem Jahr durch den Bund mit etwa 54 Milliarden Euro entlastet. Meyer nannte die Ausführungen aus den Ländern „unverschämt“.
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