Berlin Beim Parlamentarischen Abend der Autobahngesellschaft wollte Stephan Krenz Optimismus ausstrahlen. Die Anwesenden aus Politik, Verbänden und Verwaltung vernahmen vom Vorsitzenden der Geschäftsführung, es sei normal, nach vier Jahren eine neue Aufgabe zu suchen. Es sei „eine schöne Zeit“ gewesen, erklärte Krenz Ende Mai in der Saarländischen Landesvertretung in Berlin.
Seit diesem Montag steht die Autobahn GmbH des Bundes ohne Geschäftsführer da. Krenz hat sich am Freitag in den Resturlaub verabschiedet, um eine Weltreise anzutreten, wie es im Unternehmen hieß. Die Probleme der Gesellschaft lässt er hinter sich. Wer sie lösen wird und kann? Das weiß bislang keiner. Der Favorit von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der FDP-Politiker Stefan Birkner, hat die Lust verloren: Er sagte nach Angaben der FAZ am Wochenende ab.
Das Durcheinander reiht sich ein in die schwierige Gründungsgeschichte der Autobahn: Sie erzählt von IT-Problemen, unbezahlten Rechnungen und streikenden Bauunternehmen, einem riesigen Genehmigungsstau bei Großraum- und Schwertransporten bis hin zu Dauerfehden unter den Geschäftsführern mit einem geltungsbedürftigen Chef an der Spitze wie auch Kritik des Rechnungshofs am Bund für den geplanten neuen Gesellschaftervertrag.
Der Plan war vor dem Start 2021 ein anderer: Aus der föderalen Verwaltung entstand eine Zentralverwaltung, damit sie besser als die 16 Bundesländer Milliarden ins Autobahnnetz investiert und den Betrieb sicherstellt. Doch so übereilt das Projekt umgesetzt wurde, so groß ist das Chaos heute. Dabei sind die Herausforderungen, zu denen viele marode Brücken gehören, riesig.
Im April waren Belegschaft und Aufsichtsrat vom Wechsel an der Spitze völlig überrascht worden. Weil der Gesellschafter in Person von Bundesverkehrsminister Wissing am selben Tag via Medien gleich zwei Nachfolger präsentierte, opponierten die Kontrolleure.
Sie lehnten in zwei Krisensitzungen Wissings Parteifreund Stefan Birkner, einst FDP-Landeschef in Niedersachsen, als Nachfolger ebenso ab wie den erstmals vorgesehenen technischen Geschäftsführer. Dafür war Dirk Brandenburger, der technische Geschäftsführer der Bund-Länder-Projektmanagementgesellschaft Deges, vorgesehen. Auch einer Abfindung für Krenz erteilten sie eine Absage.
Minister Wissing pocht weiter auf seine Kandidaten
Zwar bestand Wissing weiter auf seine Kandidaten, der Aufsichtsrat aber hat eine Ausschreibung für eine Personalberatung durchgesetzt – und kurz darauf noch ein weiteres Vorhaben des Bundes blockiert: So sollte der Headhunter bis diesen Mittwoch bestimmt werden und dann in nur einer Woche geeignete Kandidaten finden, die auch noch spätestens zum 1. September ihren Dienst antreten können.
Inzwischen soll der Headhunter bis zum 14. Juli Zeit haben. Auch müssen die Kandidaten nur noch „schnellstmöglich“ anfangen können.
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„Wir versuchen, die führungslose Zeit so kurz wie möglich zu halten“, hieß es in Kreisen des Aufsichtsrates. Doch scheint auch die Suche nach dem Personalberater schwierig: Auch diese Frist wurde bis zum 23. Juni verlängert.
Die Lage ist heikel. Kurz nach Krenz hatte auch Technik- und Finanzchefin Anne Rethmann gekündigt. Sie wechselt als Finanz-Vorständin zum Energieversorger Thüga. Eine Nachfolgerin wird der Headhunter aber nicht suchen: Ein Auftrag für drei Geschäftsführer hätte europaweit ausgeschrieben werden müssen und noch mehr Zeit gekostet, hieß es zur Begründung.
Inzwischen wächst die Sorge, dass die Autobahn GmbH zur Behörde mutiert. Krenz wie Rethmann stammen aus der Industrie. Wissings Kandidaten sind ein Politiker und ein Beamter – wie der nicht minder in der Kritik stehende dritte Geschäftsführer, Personalchef Gunther Adler (SPD).
Ihn soll der neue Geschäftsführer künftig anweisen können. Denn zu den Problemen gehört auch Führungsschwäche, die die Mitarbeiter in den Niederlassungen vor Ort trifft. So gibt es seit Langem Klagen über unzureichend ausgearbeitete Ausbildungspläne für den Nachwuchs.
Die Autobahngesellschaft beschäftigt in der Zentrale mit ihren 700 Mitarbeitern sechs Auszubildende. In den Niederlassungen mit rund 10.000 Stellen sind es 421 Auszubildende.
Mitarbeiter beklagen schwerwiegende Vorkommnisse
Auf Nachfrage erklärte ein Sprecher, dass mit den ersten Auszubildenden im August 2020 „entsprechende Ausbildungspläne erstellt und angewendet“ worden seien. Die beauftragten überbetrieblichen Ausbildungszentren seien vertraglich verpflichtet, die Unterrichtseinheiten so zu organisieren, dass es zu keiner Überschneidung bei der berufsschulischen und der überbetrieblichen Ausbildung komme.
Dabei ist die Autobahngesellschaft auf Nachwuchs angewiesen. Mehr als 1000 reguläre Stellen sind nicht besetzt. Es verlassen ungefähr so viele Menschen das Unternehmen wie neue eingestellt werden, wie es im Aufsichtsrat hieß.
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Neue Mitarbeiter, die etwa aus den Landesverwaltungen zur Autobahngesellschaft wechseln, klagen über fehlende Einarbeitung, etwa in sensiblen Bereichen wie der Tunnelüberwachung. Auf Nachfrage erklärte der Sprecher, es gebe einen „systematischen Einarbeitungsplan, der die maßgeblichen Fachbereiche und sämtliche Fachgewerke umfasst“.
Auch erfolgten „Schulungen zu Maßnahmen und Strategien der Gefahrenabwehr“. Mitarbeiter aber erleben anderes, was auch Vorgesetzte einräumen.
Auch ist die Rede von Arbeitszeitbetrug. Mitarbeiter seien über viele Monate von Vorgesetzten bewusst bevorteilt worden und hätten deutlich mehr Stunden abgerechnet als sie gearbeitet hätten. Die gemeinsame Leidenschaft zum Fußball machte es wohl möglich. Konsequenzen gab es bislang nicht – erst recht nicht für die Vorgesetzten.
Vorwürfen von sexueller Belästigung wird nicht nachgegangen
In einer anderen Niederlassung kursiert der Vorwurf sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Vor allem bemängeln die Mitarbeiter, dass die Vorwürfe seit mehr als sechs Wochen im Raum stehen, ohne aufgeklärt zu werden. Dabei sei der Vorfall bereits in die Zentrale gemeldet worden. „Wenn das bei uns im Landesbetrieb vorgekommen wäre, dann hätte die Innenrevision am nächsten Tag vor der Tür gestanden“, berichtet ein langjähriger Mitarbeiter.
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Ein Sprecher wollte sich zu den konkreten Fällen nicht äußern. Es sei „elementarer Bestandteil der Unternehmenskultur der Autobahn GmbH“, dass die Gesetze, Regeln und interne Richtlinien eingehalten werden.
Compliance-Verstöße würden „nicht toleriert“ und festgestellte Verstöße „konsequent verfolgt und sanktioniert“. Hinweisen werde „in festgelegten Prozessen nachgegangen“. Hinweisgeber würden geschützt wie auch „vom Hinweis betroffene Personen vor verleumderischen und ehrverletzenden Hinweisen“.
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