Berlin In der Ampelkoalition bahnt sich ein Streit über die neue Nationale Sicherheitsstrategie an. Die FDP will die Entscheidung nicht hinnehmen, dass im Zuge der Strategie kein gesonderter Nationaler Sicherheitsrat eingeführt werden soll.
SPD und die Grünen erteilten dem Vorstoß der FDP eine klare Absage. Über Monate sei innerhalb der Bundesregierung um die Frage gerungen worden, ob es eines Nationalen Sicherheitsrats bedürfe, sagte der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. „Letztendlich wurde die gemeinsame Entscheidung getroffen, dass bestehende Strukturen genügen, um die formulierten Ziele zu erreichen.“
Der SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann sieht ebenfalls keine Notwendigkeit, ein spezielles Sicherheitsgremium als Schaltstelle in der Regierung zu bilden. Die Verabschiedung der ersten nationalen Sicherheitsstrategie stelle einen „wichtigen Fortschritt“ der Sicherheits- und Außenpolitik dar, sagte Zimmermann dem Handelsblatt. Somit folgten zukünftig alle Ministerien in diesen Bereichen einer gemeinsamen Strategie. „Hierin liegt definitiv ein großer Mehrwert. Die Fokussierung auf ein weiteres Gremium halte ich für eine falsche Prioritätensetzung“, so Zimmermann.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), nannte es hingegen enttäuschend, dass das Kanzleramt und das Außenministerium keinen Nationalen Sicherheitsrat einsetzen wollen. „Wir Freie Demokraten werden nun mit Nachdruck daran arbeiten, dass solch ein dringend notwendiger Sicherheitsrat Eingang in die Nationale Sicherheitsstrategie findet“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben die Entscheidung verteidigt, im Zuge der Nationalen Sicherheitsstrategie anders als von der FDP gefordert keinen gesonderten Nationalen Sicherheitsrat einzuführen. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 habe die Bundesregierung im Sicherheitskabinett getagt, sagte Baerbock am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des vom Kabinett beschlossenen Grundsatzdokuments. Es habe sich gezeigt, dass man in kritischen Momenten vertrauensvoll zusammenkommen und entscheiden könne. Dies werde auch in Zukunft fortgeführt.
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Scholz sagte, man habe nach Abwägungen „einen größeren Mehrwert nicht erkannt“. Es gebe den Bundessicherheitsrat, der entsprechende Entscheidungen treffe. Strategische Entscheidungen zur Unterstützung der Ukraine in deren Abwehrkampf gegen den russischen Angriff seien ebenfalls getroffen worden. Derweil habe man die Frage, was der Unterschied sei, wenn man ein weiteres Gremium institutionell schaffe, „immer weniger wichtig gefunden“.
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Experten, wie der frühere Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, messen jedoch einem Sicherheitsrat innerhalb der Regierung große Bedeutung zu. „Meine Sorge ist, dass die Umsetzung jeder Strategie in einer Dreierkoalition von vornherein sehr komplex ist“, sagte Ischinger. „Wenn dann wie hier das Instrumentarium zur vorausschauenden, systematischen und koordinierten Umsetzung fehlt, wird das Ergebnis unbefriedigend bleiben, weil jedes Ministerium auf dem Ressortprinzip beharren wird.“ Daher bräuchte es einen „Chief Risk Officer der Bundesregierung“.
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Vor allem die Amerikaner hatten sich viel von einem deutschen Sicherheitsrat versprochen und sich bereits von der Vorgängerregierung der Ampelkoalition unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein solches Gremium gewünscht. Inzwischen ist die Union klar für einen Nationalen Sicherheitsrat, der außen- und sicherheitspolitische Entscheidungen koordiniert und in Krisenlagen die operative Steuerung übernimmt.
Die Sicherheitsstrategie steht an diesem Donnerstag auch auf der Tagesordnung des Bundestages. Nach knapp 70-minütiger Debatte soll das 74 Seiten umfassende Papier an den federführenden Auswärtigen Ausschuss zur weiteren Beratung überwiesen werden.
Der Grünen-Politiker von Notz erklärte mit Blick auf einen Sicherheitsrat: „Aus heutiger Perspektive gehen wir davon aus, dass es auch im weiteren parlamentarischen Verfahren zu keinen nochmals sehr grundsätzlichen Änderungen institutioneller Art kommen wird.“ Denn angesichts stark gestiegener Bedrohungslagen müsse das gemeinsame Anliegen sein, die Sicherheit Deutschlands „schnellstmöglich effektiv“ zu erhöhen.
Laut der Strategie sollen alle relevanten Politikbereiche und Akteure einbezogen werden, um Deutschland widerstandsfähig zu machen. Dies reicht von der Landes- und Bündnisverteidigung über den Schutz technischer Infrastruktur, die Cyber- und Weltraumsicherheit bis hin zur Rohstoff-, Energie- und Ernährungssicherheit.
Genannt werden auch die Zivilverteidigung und der Bevölkerungsschutz, die Entwicklungspolitik, der Schutz vor fremder Einflussnahme und Spionage sowie der Umgang mit Klimakrise und Pandemien. Einbezogen werden sollen Bund, Länder und Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger.
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