Jul 2, 2023
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KI im Unterricht?: Wie ChatGPT die Schule revolutioniert

Written by Barbara Gillmann


Berlin Neulich sollen Hamburger Gymnasiasten beim Abitur mit ChatGPT betrogen haben – der Fall wird noch untersucht. Die KI schreibt Texte in einer Qualität, die von der von Menschen geschriebenen Texten nur schwer zu unterscheiden ist. Da ist die Versuchung für Schülerinnen und Schüler groß, damit auch Referate und Hausarbeiten zu schreiben

Die deutschen Kultusminister aber, die für Schulen verantwortlich sind, gehen die KI-Revolution eher gemächlich an. Im März ließen sie sich von einer Expertin erklären, was man mit der Technologie im Unterricht so alles anstellen könnte. Das Ergebnis ist bislang nicht mehr als eine Arbeitsgruppe.

Anderswo haben Bildungspolitiker die Zeichen der Zeit schon lange erkannt. So verkündete etwa der Bildungsminister von Singapur, Chan Chun Sing, schon Anfang Februar im Parlament, solche Programme würden sich mehr und mehr durchsetzen, daher müssten Schulen und Hochschulen auch in der Lage sein, KI-Programme wie ChatGPT zu nutzen, um das Lernen zu verbessern. Sein Haus habe den Pädagogen bereits „Anleitung und Ressourcen“ dafür zur Verfügung gestellt. 

Auf kritische Fragen der Abgeordneten versprach Chan auch, die Pädagogen würden den Schülern beibringen, sich nicht zu sehr auf technologische Hilfsmittel zu verlassen. Es sei eben wie beim Taschenrechner: Der habe ja auch nicht dafür gesorgt, dass Schüler die Grundrechenarten nicht mehr lernen, beruhigte er die Parlamentarier.  

Wie revolutionär KI beim Lernen helfen kann, zeigt schon jetzt das private und kostenlose Lernportal der Khan Academy in den USA: „KI kann jedem Schüler einen persönlichen Tutor und jedem Lehrer einen persönlichen Assistenten bieten“, sagte Gründer Salman Khan kürzlich in einem Vortrag mit dem Titel „Wie KI das Lernen retten (und nicht zerstören) kann“, der bereits fast zwei Millionen Mal heruntergeladen wurde. 

ChatGPT in der Schule: Keine Lösungen, sondern Hinweise

Die Beispiele seines „Khanmigo“-Programms auf der Basis von ChatGPT sind erstaunlich: Der KI-Helfer zeigt Schülern nicht nur, wenn ein Rechenergebnis falsch ist – er ahnt und fragt auch, wie sie darauf gekommen sind. So kann er Missverständnisse auflösen – wie bisher nur ein guter Privatlehrer.

Eine Schülerin sollte einen Aufsatz über den „Großen Gatsby“ des Autors F. Scott Fitzgerald schreiben. Doch sie verstand das eigenartige Verhalten des legendären Milliardärs trotz Sekundärliteratur nicht – bis sie ihn selbst fragte. 

Sal Khan

Wie revolutionär KI beim Lernen helfen kann, zeigt schon jetzt das private und kostenlose Lernportal der Khan Academy in den USA.

(Foto: Getty Images for The LA Promise )

Khanmigo schlüpfte in die Rolle von Gatsby und erklärte ihr, warum er so oft übers Wasser auf das grüne Licht am anderen Ufer starrte. „Das war so real, dass sie sich am Ende bei Gatsby bedankte, dass er ihr seine Zeit geopfert habe“, lacht Khan. So könne man sich mit jeder realen oder fiktiven Figur unterhalten.

Und er trage eben nicht zur Verarmung von Bildung und Sprache bei, da er ja keine Lösungen vorgebe, sondern lediglich Hinweise gebe, erklärt Khan. So könne er selbst schüchterne Schüler in intensive Gespräche verwickeln.

>> Lesen Sie auch: Wie sich Texte erkennen lassen, die mit oder von KI geschrieben wurden – oder auch nicht 

Khanmigo hilft auch beim Programmieren – und weist Nutzer auf Fehler hin. „Das ist besonders wichtig, weil es ja viel zu wenig IT-Lehrer gibt“, sagt sein Erfinder.

Unterm Strich könne KI so dafür sorgen, dass aus jedem durchschnittlichen Schüler ein außergewöhnlicher werde und aus jeder unterdurchschnittlichen Schülerin eine überdurchschnittliche. 

KI als Nachhilfelehrer für jeden Schüler

KI werde endlich das Problem lösen, das in den Achtzigerjahren der Lernpsychologe Benjamin Blom formuliert hatte: In seinen Studien erreichten bei Einzelunterricht mehr als 90 Prozent der Schüler das Lernziel – im Gruppenunterricht dagegen nur 20 Prozent. Bisher ist Einzelunterricht nicht bezahlbar – nun habe dank KI „jeder Schüler seinen eigenen Nachhilfelehrer“. 

Dieser Text ist Teil des großen Handelsblatt-Spezials zur Künstlichen Intelligenz. Sie interessieren sich für dieses Thema? Alle Texte, die im Rahmen unserer Themenwoche schon erschienen sind,

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Natürlich gibt es auch in den USA Debatten über Schummelei im Unterricht und die Risiken von Programmen wie ChatGPT. Aber das Beispiel der Khan Academy zeigt, wie sehr dort auch die gewaltigen Möglichkeiten der KI für das Lernen die Szene aufscheuchen. Als ausgesprochen positiv loben deutsche Experten auch die Empfehlungen des Bildungsministeriums der USA vom Mai, das ausführlich die Möglichkeiten und Chancen von KI im Unterricht erläutert. 

>> Lesen Sie hier: Wie Künstliche Intelligenz den Staat retten soll

Die Kieler KI-Expertin Doris Weßels, die die Kultusminister berät, verweist daneben auf das Beispiel der finnischen Jyväskylä University School of Business and Economics, die schon am 19. Januar klare Regelungen für den Einsatz von KI-Sprachmodellen formulierte: Der Einsatz von Sprachmodellen ist dort grundsätzlich erlaubt – auch wenn Arbeiten nicht komplett damit geschrieben werden sollen. Sie könnten aber helfen, eigene Texte zu verbessern oder erste Ideen für Themen zu finden. 

Das bedeutet ein Umdenken der Lehrenden: Sie sollen nicht nur die Studierenden gut über die neuen Möglichkeiten informieren, sondern zugleich ihre Kurse und Tests so gestalten, dass man mithilfe eines Sprachmodells nicht ohne Weiteres eine gute Note erhalten könne. Es solle „nicht möglich sein, die Aufgaben allein mithilfe eines Sprachmodells zu beantworten, ohne über den Stoff nachzudenken“.

„Umkrempeln der Lehrpläne“

Machbar sei das, „indem die Aufgaben eng mit den Lernmaterialien oder einem weniger bekannten Fall verknüpft werden“, lautet der Rat an die Dozenten. Die sollten sie auch testen, indem sie Aufgaben „in ein Sprachmodell einspeisen und prüfen, ob es eine akzeptable Antwort liefert“. 

>> Lesen Sie hier: Wenn der Chatbot die Hausaufgaben schreibt

Weßels ist so etwas wie die deutsche KI-Pionierin für den Unterricht. Sie schaut weit in die Zukunft. Für sie ist die zentrale Frage: „Welche Kompetenzen brauchen unsere Studenten in zehn bis 15 Jahren?“ Das müssten die Lehrenden dringend mit ihnen gemeinsam diskutieren, warb sie vor Kurzem auf der Digitalkonferenz Re:publica in Berlin. 

Ein „Umkrempeln der Lehrpläne“ fordert auch die Münchener Informatikerin Enkelejda Kasneci, die sich auf die Interaktion von Mensch und Maschine spezialisiert hat. Der Unterricht heute sei „viel zu fragmentiert“ – mit Unterstützung der KI sei es zukünftig einfacher möglich, „ganzheitlich“ zu unterrichten.

Schülerinnen lernen digital

Ein KI-Helfer kann Schülern nicht nur zeigen, wenn ein Rechenergebnis falsch ist – er ahnt und fragt auch, wie sie darauf gekommen sind.

(Foto: imago images/Jochen Tack)

Also etwa ein Gedicht aus dem 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit Politik, Ökonomie und Kultur der Epoche zu behandeln. Dafür müssten die Kultusminister aber dafür sorgen, dass alle Lehrkräfte ein Basiswissen über KI erwerben, fordert Kasneci, die auch Co-Chefin der KI-Taskforce an der TU München ist.

>> Lesen Sie auch: Berater der Kultusminister fordern stärkere Digitalisierung des Unterrichts

Kasneci hat selbst den KI-Tutor Peer (Paper Evaluation and Empowerment Resource) mitentwickelt. Er nutzt große Sprachmodelle, um Lernende beim Schreiben von Deutschaufsätzen zu unterstützen.

Die KI kann sogar handgeschriebene Aufsätze lesen, analysiert sie und macht Verbesserungsvorschläge – je nach Alter und Texttyp, also etwa Märchen oder Nachricht. Vor allem kann Peer unermüdlich ganz individuell unterstützen – und auch von Lehrkräften selbst als Vorlage für Rückmeldungen genutzt werden. Die individuellen Hilfen für die Schüler entlasten auch die Lehrer massiv. 

Mehr: SPD und Grüne fordern KI-Steuer



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