Jun 28, 2023
51 Views
Comments Off on Neuwahl in Spanien : Brüssel fürchtet Chaos bei spanischer EU-Ratspräsidentschaft
0 0

Neuwahl in Spanien : Brüssel fürchtet Chaos bei spanischer EU-Ratspräsidentschaft

Written by Sandra Louven


Pedro Sánchez

Spaniens Ministerpräsident stellte erst kürzlich die Leitlinien der spanischen Ratspräsidentschaft vor.

(Foto: AP)

Madrid, Brüssel Die eilig anberaumte Neuwahl in Spanien könnte aus Brüsseler Sicht nicht schlechter terminiert sein: Premier Pedro Sánchez hat die Spanier kurzfristig für den 23. Juli an die Urnen gerufen, nachdem seine Partei bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai abgestraft worden war. Am 1. Juli aber übernimmt Spanien von Schweden die EU-Ratspräsidentschaft.

Die spanische Regierung muss dann für sechs Monate die Beratungen der 27 Mitgliedstaaten in allen Politikfeldern leiten und koordinieren. Europaabgeordnete äußern nun Bedenken, ob das gelingen kann.

Daniel Caspary von der CDU bezweifelt, dass Spanien die EU-Geschäfte „ohne sprechfähige Regierung“ effizient führen kann. „Für die EU bedeutet das Chaos und Stillstand zugleich.“

Der spanische Ministerpräsident Sánchez dagegen versichert, es werde keine Probleme geben. „Wir haben die Aufgabe seit einem Jahr vorbereitet“, sagte er.

Zudem sei es nicht das erste Mal, dass während einer EU-Präsidentschaft Wahlen stattfinden oder Regierungen wechseln. Ein Beispiel dafür ist Frankreich. Dort wählten die Bürger im April 2022 während der französischen EU-Präsidentschaft.

José Ignacio Torreblanca, Madrider Bürochef der Denkfabrik European Council on Foreign Relations, sieht sogar Vorteile: Eine Regierung, die nur geschäftsführend im Amt ist, müsse umso mehr „ein ehrlicher Broker“ zwischen den verschiedenen Interessen der EU-Mitglieder sein, sagt er.

Sánchez will den Asyl- und Migrationspakt abschließen

Ganz so reibungslos läuft die Sache aber nicht, wie sich schon Anfang Juni zeigte. Sánchez bat das Europäische Parlament da bereits, den Termin für seine Rede, in der er im Plenum in Straßburg die Prioritäten für die Ratspräsidentschaft vorstellen wollte, zu verschieben.

Wenn die Wahl mit einer klaren Mehrheit ausgeht, kann zwar Anfang September bereits eine neue Regierung im Amt sein. Ohne ein klares Ergebnis könnte Spanien aber womöglich über Monate hinweg keine handlungsfähige Regierung haben.

Aktuell regiert eine Koalition aus Sozialdemokraten und Linkspopulisten das Land. Umfragen sehen aber die konservative Opposition vorn, die womöglich erstmals mit der rechtspopulistischen Partei Vox paktieren könnte. Die Hochphase des Wahlkampfs steht noch bevor, durch einen Regierungswechsel könnten sich Spaniens Prioritäten auch in Europa verschieben.

Alberto Núñez Feijóo

Sánchez’ Herausforderer von den spanischen Konservativen könnte andere Prioritäten in Europa setzen.


(Foto: Reuters)

„Mit der Ratspräsidentschaft kann Spanien die Tagesordnung maßgeblich mit beeinflussen“, erklärt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister (CDU).

>> Lesen Sie hier: Spaniens Oppositionsführer gibt sich moderat – ist aber auf Extremisten angewiesen

Die Zeit drängt. Wenn Belgien im Januar 2024 die Ratspräsidentschaft übernimmt, beginnt bereits der Wahlkampf für die Europawahl im Juni. Spanien und Belgien hatten sich vorgenommen, gemeinsam die Gesetzesvorschläge der Kommission bis zum Ende der Legislaturperiode noch durch Rat und Parlament zu bringen.

Inhaltlich hat Sánchez vier Prioritäten gesetzt. Sie reichen von der Reindustrialisierung der EU über Fortschritte bei der grünen Transformation bis zum Fokus auf soziale Gerechtigkeit und die Stärkung der Einheit der Europäischen Union.

Beim Fiskalpakt läge die konservative Opposition näher an Deutschland

Innerhalb dieser Punkte geht es etwa um die europäische Asylreform, das Gesetz zur Künstlichen Intelligenz, die Reform des Stabilitätspakts oder das Lieferkettengesetz. Sánchez will die Asylreform bis Ende des Jahres abschließen. „Ich hoffe, dass wir diesen für die Mitgliedstaaten so wichtigen Pakt noch vor Ende des Halbjahres unter Dach und Fach bringen können“, sagte er. Dazu gehört bei Migrationsfragen eine Kooperation mit den Herkunftsstaaten – eine Politik, die Spanien mit Marokko und Westafrika schon lange verfolgt.

>> Lesen Sie auch: Mercosur – Ist der Regenwald ausreichend geschützt?

Sozialdemokrat Sánchez will sich zudem für einheitliche Mindeststeuersätze für Unternehmen in allen EU-Ländern einsetzen. Darüber hinaus wird er darauf drängen, die Reform des europäischen Strommarktes abzuschließen. Spanien war mit Frankreich das erste Land, das dafür einen Vorschlag vorgelegt hat. Ziel sind stabile und niedrige Stromkosten.

Aus spanischer Sicht wäre auch ein Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur bis Jahresende wünschenswert. Das Abkommen ist nahezu fertig verhandelt, liegt aber seit Monaten auf Eis. In diesem Punkt besteht allerdings weitgehend Einigkeit im gesamten Spektrum der spanischen Politik. Mercosur sei deshalb eine Priorität der Ratspräsidentschaft, meint der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier – egal, wer in Madrid regiert.

Der größte Unterschied in der Haltung der amtierenden Mitte-links-Regierung und der konservativen Opposition dürfte zum europäischen Fiskalpakt bestehen. Dessen Neuauflage steht im zweiten Halbjahr ebenfalls auf der Agenda.

Sánchez glaubt eher an eine expansive Finanzpolitik und Investitionen, während sein konservativer Gegner Alberto Núñez Feijóo Budgetdisziplin einfordert und damit näher an der Position liegt, die auch Deutschland vertritt.

Mehr: Warum die Inflation in Spanien so niedrig ist



<< Den vollständigen Artikel: Neuwahl in Spanien : Brüssel fürchtet Chaos bei spanischer EU-Ratspräsidentschaft >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.